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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Lachend unter unnütz ausgestoßenen Verwünschungen ließen wir unserm Aerger freien Lauf und suchten zu retten, was zu retten war. Doch schließlich siegte die Ermüdung, wir begaben uns zur Ruhe, und als Jeder es sich auf seiner Lagerstätte bequem gemacht hatte und endlich tiefe Stille eintrat, verkündete der schrille Ton der Wanduhr die fünfte Morgenstunde. – Ein wenn auch kurzer, so doch fester, wohlthätiger Schlaf hatte uns gestärkt, und gegen elf Uhr saßen wir, wieder geistig und körperlich frisch, am Frühstückstisch in der Vorhalle versammelt, während W.’s Haushälterin alle Hände voll zu, thun hatte, im Saale eine neue große Tafel herzustellen und zu ordnen, da wir mit Bestimmtheit den Fürsten erwarteten und W., was Gastfreundschaft anbetraf, gewohnt war, dieselbe stets in glänzendster Weise auszuüben. Gegen ein Uhr sprengte ein Goelang-goelang heran und brachte die Nachricht, daß der Fürst und die Fürstin von Koeningan, der holländische Resident und dessen Gemahlin nebst allen Häuptlingen, Würdenträgern und einem Gefolge von beinahe zweihundert Personen in einer halben Stunde bei uns eintreffen würden. Diese Nachricht versetzte uns sowohl, wie auch besonders W. in nicht geringe Aufregung, da er nicht wußte, auf welche Weise er alle diese Personen unterbringen sollte; wir erhoben uns schleunigst und bereiteten uns vor, den Herrscher so gastfrei und herzlich wie nur eben möglich zu empfangen. Wir hatten nicht nöthig, lange zu harren, denn kaum waren die letzten Vorbereitungen getroffen, als auch schon der lange Jagdzug, aus dem Urwalde hervorkommend, den freien großen Rasenplatz vor unserm Hause betrat.

Ich stand in Staunen verloren, mein Auge hatte nie etwas Phantastischeres und zugleich Reicheres gesehen!

Voraus ritten sechs mit Lanzen bewaffnete junge Männer der fürstlichen Leibwache, deren energisches Aeußere deutlich bekundete, wie stolz sie darauf waren, in der steten Umgebung eines jungen, liebenswürdigen Fürsten zu sein; kaum einige Schritte hinter ihnen der Fürst von Koeningan, an seiner linken Seite der holländische Resident. Der Fürst-Regent, Ario Rotumo di Redjio, ein junger Mann von kaum dreißig Jahren, Javane, von etwas dunkelem Teint, dabei wohlgeformtem, athletischem Körperbau, trug so deutlich auf seinen Gesichtszügen die geistige Kraft ausgeprägt, daß der ruhige Beobachter von den kühnen, entschlossenen Blicken dieses äußerlich und innerlich so begabten Mannes unwiderstehlich angezogen und gefesselt wurde. Ein enganliegendes grünes Jagdwamms umschloß den kräftigen Körper, und ich würde kaum in dem einfachen Jägersmanne den Millionen besitzenden Fürsten erkannt haben, wenn nicht das Funkeln des kostbaren Diamanten, der als Agraffe den Turban auf seinem Haupte zusammen hielt, meine Augen geblendet hätte. Ebenso ließ die Waffe, die an seiner Seite hing, den Fürsten erkennen. Es war nur ein Dolch, aber ein anderthalb Fuß langer Dolch, an dessen Griff sich Diamant an Diamant reihte und dessen Scheide von gediegenem Golde von oben bis unten mit den verschiedensten, kostbarsten Edelsteinen eingefaßt war.

Dem Fürsten folgten die sieben unentbehrlichen und von seiner Person unzertrennlichen Diener. Ich sage mit Absicht, die unentbehrlichen Diener, denn bei allen indischen Fürsten, die ich während meiner Anwesenheit auf Java kennen gelernt habe, fand ich überall eine gleiche Anzahl gerade denselben Diensten sich widmende Diener, deren rothseidene, phantastische Kleidung mir oft ein unwillkürliches Lächeln abgewann.

Der erste dieser Diener trug die lange Lanze des Fürsten, deren tödtlich vergiftete Spitze von einer kleinen goldenen Scheide umschlossen wurde, der Zweite das geladene Doppelgewehr, der Dritte den kostbar gearbeiteten Payong (ein indischer Sonnenschirm von ungewöhnlichem Umfange), der Vierte das goldene Schreibetui, der Fünfte das goldene Waschbecken, der Sechste ein goldenes Kästchen, mit Cigarren und Tabak gefüllt, und endlich der Siebente die von Bast geflochtene, immerwährend brennende Lunte. Dies waren die unzertrennlichen Begleiter, nicht nur des Fürsten von Koeningan, sondern eines jeden indischen Herrschers, und die Etiquette an jenen Höfen ist so streng, daß der Fürst nicht einen Schritt außerhalb seines Hauses thun kann, ohne von dieser doch zuweilen lästigen Schaar umgeben zu sein.

Einige Schritte hinter diesen Dienern ritt die Fürstin, ihr zur Seite die Gemahlin des Residenten. Beide junge Damen fesselten unwillkürlich durch die Grazie und Anmuth, mit der sie die Bewegungen ihrer feurigen, prächtigen Rosse beherrschten, Beide waren gleich alt und hatten eben das siebzehnte Jahr zurückgelegt, Beide waren gleich lebhaft, gleich gebildet und gleich schön, aber dabei doch wieder so verschieden, wie Himmel und Erde, wie Tag und Nacht.

Die Fürstin, eine Tochter des Sultans von Cheribon, war von bräunlich dunkler Farbe mit regelmäßigen Gesichtszügen, welche durch feurige, geistreiche Augen ungemein belebt wurden; dabei war sie von kräftigem, vollem Körperbau, dessen idealisch schöne Formen sich unter der leichten Hülle ahnen ließen. Die junge Holländerin dagegen war ungemein zart, von blendender Weiße, mit treuen, seelenvollen Augen. Und doch waren Beide unzertrennliche Freundinnen, freilich von unendlich verschiedenen Neigungen, denn bei der stolzen Fürstin herrschte hauptsächlich Geist und Verstand vor, bei ihrer schönen Freundin dagegen Herz und Gemüth.

Ebenso verschieden war aber auch die Kleidung dieser beiden Damen. Die Fürstin trug ein dunkles, schwerseidenes, japanesisches Gewand, das mit goldgestickten Löwen und Drachen übersät war; dieses Gewand umschloß in der Taille ein etwa drei Zoll breiter, mit funkelnden Edelsteinen besetzter goldener Gürtel, an dessen linker Seite ein kleiner, kostbar gearbeiteter Dolch hing; am Halse wurde es durch eine ungemein werthvolle Agraffe zusammengehalten. Ihre Begleiterin dagegen trug ein langes schlichtes, weißes Gewand mit einem einfachen, nur mit kleinen Edelsteinen besetzten Gürtel. Erstere, mit dem Perlen- und Diamantendiadem, das ihre dunkeln Haare umschloß, glich im wahren Sinne des Wortes der Königin der Nacht, während Letztere, mit dem kleinen blumenbesetzten Strohhütchen auf den blonden Locken, eine duftende Blume des Frühlings zu sein schien.

Dicht hinter den Damen ritten zwei Leibdiener, jeder von ihnen einen prächtigen Payong in der Hand. Diese umfangreichen Sonnenschirme waren an langen vergoldeten Stangen befestigt und wurden von den Dienern über die Köpfe der beiden Damen gehalten, um sie vor den glühenden Sonnenstrahlen etwas zu schützen. Ihnen folgte die ganze weibliche Bedienung der Fürstin und endlich alle Häuptlinge der Umgegend mit ihrem Gefolge, während die Leibwache des Fürsten den Schluß bildete.

Der Fürst schwang sich leicht vom Pferde, eilte auf W. zu und indem er demselben herzlich die Hand schüttelte, dankte er für die freundliche Einladung und nahm die dargebotene Gastfreundschaft an. Darauf ließ er sich und der Fürstin die ihm noch Unbekannten von uns, wozu ich auch gehörte, von W. vorstellen und unterhielt sich auf die liebenswürdigste, ungezwungenste Weise mit uns, und wir erkannten bald, daß wir einen durch und durch wissenschaftlich gebildeten Mann vor uns hatten.

Nachdem wir uns noch einige Zeit über die mannigfachsten Angelegenheiten unterhalten hatten, gingen wir zu Tische. Für die Damen, den Fürsten, den Residenten und uns war im großen mittleren Saale eine wohlbesetzte Tafel gedeckt; für die übrigen Häuptlinge eine zweite in der Hinteren Halle, während das ganze Gefolge vor dem Hause auf dem Rasenplatze lagerte und dort von W. auf das Gastfreieste bewirthet wurde.

Dieses Mittagsmahl wurde begreiflicher Weise für unsern Freund W. ziemlich kostspielig, und solche sich öfters wiederholende Feste würden uns unbedingt in die größten Verlegenheiten gestürzt haben, hätte nicht die Regierung uns für diese Fälle eine ganz bedeutende Gehaltszulage bewilligt. Es lag im Willen, und ich möchte beinahe sagen, im Interesse der Regierung, die wenigen Beamten, die sie in’s Innere des Landes schickte und die durch ihre Stellung gezwungen waren, in dauerndem Verkehr mit den indischen Fürsten und Häuptlingen zu stehen, auch in pecuniärer Hinsicht so zu stellen, daß sie selbst die Gastfreundschaft eines indischen Fürsten glänzend erwidern konnten, und gerade dies that die Regierung in reichem Maßstabe.

Während des Essens hatte ich meinen Platz an der Seile des holländischen Residenten, eines jungen Mannes von kaum fünfunddreißig Jahren, doch wurde mir durch diese Nachbarschaft beinahe der ganze Mittag verbittert, denn das stechende, lauernde Auge und die Arroganz dieser hochstehenden Persönlichkeit schreckten mich ab und erfüllten mich mit Widerwillen. Ich freute mich herzlich, als der Fürst sich erhob und ich von diesem hochmüthigen Gesellschafter erlöst wurde. Die Pferde wurden vorgeführt, und der ganze Jagdzug setzte sich in Bewegung.

Während des Rittes suchte ich mich der Fürstin zu nähern, sie schien es zu bemerken und winkte mich heran. „Nicht wahr,

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