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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

einem festlich geschmückten Triumphbogen. Zu beiden Seiten dieses Vorsprungs reihen sich 13 gleichmäßig vertheilte, 10 Fuß über dem Boden aufsteigende, 25 Fuß hohe Bogenfenster. Vorspringende Eckpavillons schließen die Seitenfronten. Durch Vorsprünge, Bogenfenster und Frontverzierungen in großartigen Dimensionen und symmetrischen Proportionen ist die der langen Fronte sonst eigenthümliche Monotonie ganz vermieden und sie macht einen befriedigenden Eindruck.

Die Fronten der beiden Seitenflügel sind sich ganz gleich. In der Mitte derselben in gleicher Fluchtlinie mit ihren Eckpavillons befindet sich ein imponirender Vorbau, der die große Eingangshalle jeder Seitenfront bildet. Derselbe ist an seinen Seiten von einem breiten Pfeiler eingeschlossen, welcher oberhalb in eine mit Steingeländer umgebene Plattform ausgeht und zwei Nebeneingangspforten mit darüber befindlichem Bogenfenster enthält. Ueber diesen Pfeilern erhebt sich ein dieselben verbindendes mit steinerner Gallerie eingefaßtes Dreieck, unter welchem sich ein gewaltiger Rundbogen von 60 Fuß Höhe und 50 Fuß Weite rückwärts bis an den Dom reichend wölbt. Das Ganze gleicht einem Portale der alten Kathedralen. Hinter dem erwähnten Dreieck, etwas rückwärts, steigt der Dom mit seiner gigantischen Kuppel bis zu 250 Fuß Höhe von seiner 160 Fuß im Durchmesser betragenden Basis empor.


West-Fronte des Ausstellungspalastes.


Das Gerippe der gewaltigen Kuppel besteht aus Eisen, ist durchgehends mit Glas eingedeckt und endet in dem den Domen eigenthümlichen Knaufe mit vergoldeter Spitze.

Diese zu beiden Seiten der Seitenfronten sich erhebenden und sich gegenüber liegenden Dome machen einen gewaltigen Eindruck, ja sie lassen in ihrer großartigen Höhe die größten Dome, und selbst den von St. Peter in Rom und den von St. Paul in London, weit hinter sich zurück, indem der Erstere bei einem Durchmesser von 260 Fuß nur die Höhe von 158 Fuß, und der Letztere bei einem Durchmesser von 112 Fuß nur die Höhe von 215 Fuß erreicht.

Die zwischen dem Domvorbau und den Eckpavillons befindlichen Façaden springen etwas zurück und sind in ihrer halben Höhe gebrochen, der untere Theil ist mit geradem Glasdach eingedeckt, und von diesem erhebt sich der obere Theil noch mehr zurücktretend als große Gallerie, die mit Bogenfenstern nach beiden Seiten hin versehen ist; der untere Theil hat gleiche Bogenfenster wie die Hauptfront, nur sind sie kleiner und je zwei neben einander.

Der obere Theil, sowie der vordere Theil des Hauptgebäudes sind zur Aufnahme der Gemäldegallerie bestimmt.

Die Nordseite, bei welcher die Bogenfenster ebenfalls beibehalten sind, ist von den Gärten eingeschlossen und bildet eine verkürzte Hufeisenform, indem die Seitenflügel etwas über die Rückfront des Hauptgebäudes hinausreichen. Durch eine in der Mitte der Rückfront des Hauptgebäudes befindliche, reich mit Alabaster verzierte Säulenhalle tritt man unmittelbar in den Garten, der ein großes Quadrat dadurch bildet, daß sich an beiden Seiten von der Rückseite der Flügelenden ausgehende Arcaden hinziehen, die nach rückwärts geschlossen sind und welche am Ende des Quadrates durch eine nach beiden Seiten offene quer laufende Arcade geschlossen werden, durch welche man in die übrigen Theile der Gärten gelangt.

Der Anblick dieses Gartens ist überraschend und imponirend zugleich. An die Vorderfronten des östlichen, wie des westlichen Seitenflügels der Straße entlang schließen sich mittelhohe Colonnaden an, die der Länge der Ersteren gleichkommen. Jede dieser Colonnadenreihen bildet, von außen gesehen, vierfach nahe neben einander hinlaufende Einzelcolonnaden, welche in ihrem Innern jedoch ein Ganzes bilden; dieselben sind nach der Straße ohne Fenster und Eingänge, begrenzen gleich einer Mauer die Gärten, lehnen sich an die Rückseite der erwähnten Gartenarcaden an und empfangen ihr Licht durch ein Glasdach. Dieselben gleichen, von der Straße gesehen, langen bedeckten Kegelbahnen und gereichen dem Hauptpalaste allerdings nicht zur Zierde, erlangen aber dadurch einen großen praktischen Nutzen, daß sie zur Aufnahme der Maschinen und insbesondere der treibenden Maschinen bestimmt sind, und daß durch solche Absonderung alle durch letztere entstehende Nachtheile vom Ausstellungsgebäude abgehalten werden. Den zum Betriebe der Maschinen erforderlichen Dampf liefert ein im Garten zu diesem Zwecke erbautes Kesselhaus.

Das auf der Ostseite schon vor Erbauung des Ausstellungspalastes vorhandene Hallengebäude der königl. Gartengesellschaft, welches sich von der Straße seiner Länge nach in die Gärten hinein bis zu den oben beschriebenen Arcaden erstreckt und in gleicher Fluchtlinie mit dem Seitenflügel sich befindet, wird von der einen Seite vom östlichen Seitenflügel, von der anderen Seite von den Colonnaden eng eingeschlossen, und ist so dem Ausstellungscomplexe vollständig einverleibt.


Süd-Fronte des Ausstellungspalastes.

Da nun diese Gartengesellschaft unter Zuziehung der königl. Agriculturgesellschaft ebenfalls und zwar gleichzeitig eine Ausstellung in ihren Localitäten und Gärten macht und diese mit dem Hauptpalast in unmittelbare Verbindung gebracht wird, so wachsen dadurch der Hauptausstellung zwei ihr noch fehlende Industriezweige zu, so daß die Ausstellung von 1862, da sie auch Gemälde- und Kunstausstellung, welche die Ausstellung von 1851 eigentlich nicht repräsentirte, aufgenommen hat, sonach alle Zweige der Industrie in sich vereinigen wird, ein Umstand, durch welchen sie sich vor der letzteren Ausstellung wesentlich auszeichnet.

Durch diese aus eigener Anschauung gewonnene Beschreibung glauben wir unsern Lesern selbst ohne Abbildung ein treues Bild von dem Ausstellungspalaste, wie er sich in seinem Aeußeren und in seiner Gesammtheit dem Beschauer darstellt, gegeben und auch zugleich diejenigen Einzelheiten mitgetheilt zu haben, welche wir zur Verständigung über das Ganze für unbedingt nöthig erachteten. Hierbei dürfen wir nicht unterlassen, dem Leser mitzutheilen, daß der Capitain Fowke der Schöpfer dieses großartigen Werkes ist, welcher die Zeichnung und den Bauplan entworfen hat und unter dessen Oberleitung der Bau durch die Bauunternehmer Kelk und Gebrüder Thomas Lucas ausgeführt worden ist; sowie, daß den beiden Letzteren das große Verdienst zufällt, diesen Riesenbau in correcter und solider Art ausgeführt und in der kurzen Zeit von noch nicht einem Jahre, und zwar rechtzeitig, vollbracht zu haben. Dies zu bewerkstelligen, war nur in England möglich, wo die Arbeit getheilt und jeder Theil wiederum mächtig organisirt und associirt ist, so wie durch die weiteste Anwendung von Maschinen unterstützt wird. Unter den letzteren ist besonders eines zur Zuführung der Baumaterialien verwendeten, durch Dampf in Bewegung gesetzten Krahnes zu gedenken, der, in Form einer verkürzten Locomotive auf einer Eisenbahn hin- und herfahrend, bald von diesem, bald von jenem Orte die schwersten Lasten von Baumaterialien durch die Lüfte nach ihren vorgeschriebenen Bestimmungsorten brachte, und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_348.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)