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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

seiner Art, das noch außerdem seine erste Probe nach einer stürmischen Fahrt sogleich im furchtbarsten feindlichen Feuer bestand.

Man kann es den Amerikanern kaum verargen, wenn sie in dem Erscheinen dieses „Monitor“ auf der Rhede von Hampton an dem verhängnißvollsten Abend der Republik eine „Fürsorge Gottes für die Union“ erkennen wollen. Das Schiffchen war in der That nicht dahin bestimmt, wo es seine große Mission fand. „Es sollte,“ schreibt er, „nach dem Golf (von Mexico), um dort an einem feindlichen Befestigungswerke seine Kraft zu erproben. Man schien im Marinedepartement sich um den Merrimac keine Sorgen zu machen, und so würde der Monitor nicht lange in den virginischen Gewässern verweilt haben, wenn er nicht, nachdem er einen Tag in See war, zur Ausbesserung seines Steuers nach Fort Monroe hätte zurückkehren müssen.“

Mit der Frühe des 9. März, einem Sonntagmorgen, beginnt die Geschichte der neuesten Kampfweise zur See; es trat zum ersten Male Eisen gegen Eisen in die Schranken.

Der „Merrimac“ wollte soeben sein gestriges Tagewerk, die Vernichtung der Unionsflotte, weiter fortsetzen und hatte der „Minnesota“ bereits zwei seiner Kugeln in die Rippen getrieben, als vom Fort Monroe ein schwarzes Ding auf der Rhede daher zog, das, wie ein Washingtoner Correspondent sagt, neben den Massen des Merrimac aussah wie ein auf dem Wasser schwimmender Hut. Langsam kam es dem Rebellenschiff näher, bis endlich sein erster gewaltig dröhnender Gruß dem Gegner kernkräftig in die Flanken fuhr und ihn belehrte: das ist der „Monitor“. Und ein zweiter und dritter Donner folgte. Dann stellte sich der kleine David als ritterlicher Beschützer vor die schöne, verwundete Minnesota und forderte den schwarzen Goliath zum Zweikampf, zu der „großen Paukerei auf 170-Pfünder über’s Schnupftuch“. So fürchterlich begann aber dieser erste Kampf der Eisernen, daß alles armirte Holz, wie gehetztes Wild vor dem Jäger, aus dem Gewässer entfloh. Nur zwei Kanonenboote der Union ließen sich, mit ein paar Seitenhieben des Merrimac, einen Theil ihrer Bemannung tödten, und die treue tapfere Minnesota hielt bei dem kleinen Ritter bis zum Ende aus, ward aber von fünfzig Kugeln schrecklich zugerichtet und wohl der Hälfte ihrer Mannschaft beraubt.

Diese kleinen Störungen abgerechnet, maßen nur die beiden Eisenschiffe ihre Kräfte. Es war 8 ½ Uhr, als der „Merrimac“ seine erste Breitseite auf den „Monitor“ abfeuerte, und von diesem Augenblicke an dauerte der Kampf ununterbrochen bis 10 Minuten nach 12 Uhr. Er war so großartig, daß er der Uebertreibungen nicht bedarf, mit welchen manche amerikanische Berichte ihn ausgeschmückt haben. Namentlich wird behauptet, daß der Batteriethurm des Monitor 15 Drehungen in der Minute gemacht habe; er wird sie machen können, aber gemacht hat er sie während des Kampfes unmöglich, weil ein sicherer Schuß für ihn dann ebenso unmöglich geworden wäre. Eine so rasche Rotirung würde möglich und zweckmäßig sein, wenn Ericsson’s (oder Coles’) Apparat mit der genialen Geschütz-Entzündungs-Vorrichtung der „Schwimmenden Revolverbatterie“ unseres Wilhelm Bauer ausgerüstet wäre. Wir werden auf diese kostbare, aber bis heute noch von Deutschland mißachtete Erfindung besonders zurückkommen. – Der Monitor zielte offenbar mit Ruhe und traf gut, und es war sein größter Vortheil, daß sein Gegner mit den heimtückischen Stoßgedanken die er gegen den „Cumberland“ so gelungen ausgeführt hatte, ihm so nahe auf den Leib rückte, daß die Ränder der Schiffe während der längsten Zeit des Kampfes hart neben einander lagen. Dadurch kam es, daß er stets nur von einer oder höchstens zwei Kugeln getroffen werden konnte, während in richtiger Schußweite der Merrimac die vier Röhre jeder seiner Seiten nach einer Stelle des Monitorthurms hätte richten und diesen durch die vierfache Wucht seiner 170-Pfünder (= einem 680-Pfünder) dann ohne Zweifel hätte zertrümmern können. So aber concentrirte der Monitor sein Feuer auf einen Punkt des Merrimac und beschädigte Ihn endlich so empfindlich, daß schließlich auch hier der kleine David den Riesen Goliath zum Schweigen gebracht hat.

Die kleinen Einzelnheiten dieses Kampfes – wie der Monitor um den Merrimac herumtanzte und ihn verklopfte wie ein Faßbinder sein Faß; wie die fast zwei Centner schweren Kugeln gleich Gummibällen auf den schwarzen Rüstungen der Streiter abprallten; wie zwei Mann des Monitor sich an die Thurmwand lehnten und von einem Schuß an dieselbe besinnungslos zu Boden geworfen wurden; wie den Kanonieren von der furchtbaren Erschütterung ihres Raums das Blut aus Nase und Ohren lief; wie es gar dem Steuermann des Monitor in seinem Häuschen zu Sinne wurde, als wäre ihm glühendes Blei in die Ohren gegossen; und wie endlich dem Capitain Worden, der neben dem Steuermann die Manöver leitete, durch einen Schuß an das Häuschen, während er durch die Ausgucklöcher sah, das Augenlicht wohl für immer vernichtet worden ist – dies Alles belebt wohl das Bild, trägt aber zur Wichtigkeit der Hauptsache nicht weiter bei.

Der „Merrimac“ zog sich 10 Minuten nach 12 Uhr eine kleine Strecke vom „Monitor“ zurück und ward dann von den conföderirten Dampfern empfangen und fortgeschleppt. – Der „Monitor“ wartete den Nachmittag vergeblich auf seines Gegners Wiederkehr und hielt erst gegen Mitternacht seinen feierlichen Triumphzug zum Fort Monroe, unter dessen Kanonen er sich der eigenen Ruhe und des Jubels der ganzen Bevölkerung erfreute. An Worden’s Stelle, der nach Washington geschafft wurde, trat der Commandant des Cumberland, Lieutenant Selfridge.

Hiermit schließt der geschichtliche Act. – Wenige Wochen sind seitdem vergangen, und der Umschwung im Seeschutzwesen ist bereits im vollem Zuge. Allenthalben erschallt der Ruf nach Panzerschiffen, und in England tritt ein Mann auf, der Capitain Coles, welcher dem Schweden Ericsson den Lorbeer der Erfindung des rotirenden Thurms aus der Hand reißt. Er soll die Idee des neuen sogenannten Monitor schon im Jahre 1855 ausgesprochen haben; eine Beschreibung des von ihm beplanten Kuppelschiffs gab das Mechanics Magazine am 13. Juli 1860. Den neuesten Londoner Mittheilungen nach schützen aber selbst die festesten Monitorplatten nicht gegen die Wirkungen der Armstrongkanonen, die selbst 10 Zoll dicke Eisenwände wie Holz zersplittern.

Dagegen liegt es unserem Bedürfniß und unserer Pflicht näher, an dieser Stelle wieder an eine deutsche Erfindung zu erinnern (– denn veröffentlicht, zum Theil ausführlich beschrieben, zum Theil wenigstens oft erwähnt ist auch sie, aber von dem in solchen Dingen äußerst schwachen Gedächtniß der Deutschen auch jederzeit bald wieder vergessen worden) und sie der officiellen Beherzigung dringend zu empfehlen. Der Gedanke der rotirenden Batterie ist nämlich noch älter, als Coles die Zeit angiebt, denn er war schon 1850 verarbeitet in Wilh. Bauer’s Plan der schwimmenden Revolver-Batterien. Deutschland hätte auch diesmal die Ehre der Erfindung haben können, wenn man bei uns schon so weit wäre, wie man in England und Amerika jetzt gekommen ist, d. h. soweit: der industriellen Technik auch die Verbesserung der Waffen anzuvertrauen. Der Raum gestattet uns nicht, ausführlicher über diese Bauer’schen rotirenden Batterien zu sprechen, es geschieht in einer der nächsten Nummern. Nur so viel für heute: Derselbe Umschwung, welcher durch den Monitor auf den Kriegsschiffsbau bewirkt ist, wird durch Bauer’s schwimmende Revolverbatterien auf den Festungsbau ausgeübt werden. Es kommt nur auf die deutschen obersten Kriegsherren an, ob wieder das Ausland die deutsche Erfindung zuerst ausbeuten, oder ob endlich wirklich einmal der deutschen Nation auch eine solche Ehre zu Theil werden soll.

Wir ersuchen die Fachmänner[WS 1], denen die Sicherheit Deutschlands an den Meeren anvertraut ist, ihr Augenmerk auf diese Erfindung zu richten, die sich in Preußen die Gunst hochgestellter Männer erworben hatte und dort dem unmotivirtesten Widerspruch damals weichen mußte. Das geschah schon 1858, also lange vor der Ausführung der rotirenden Batterie von Coles und Ericsson. Bauer’s rotirende Batterien zerfallen in zwei Classen, solche, welche für das Land bestimmt, in Bassins schwimmen und einst all die alten Binnenfestungen ersetzen werden, für welche manche seit 1858 verbaute Million dem Vorurtheil gegen Bauer geopfert worden ist; und solche, welche für das Wasser (Seen, Strommündungen, Meer) bestimmt sind. Wegen ersterer verweisen wir auf Payne’s Panorama des Wissens und der Gewerbe, Bd. I. S. 433, wo W. Bauer selbst seine Ansichten über „Küstenvertheidigung“ niedergelegt hat, und Bd. II. S. 18, wo ich, durch eine Stahlplatte unterstützt, diese Batterien ausführlich beschrieb. Die zweite, besonders für unsere Nordküsten geeignete Art wird demnächst in der Gartenlaube ihre Darstellung in Wort und Bild finden.

Dr. Fr. Hofmann.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Fachmännner
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_286.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)