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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Staat von so verschiedenen Bestandtheilen unbesiegbar macht, darin die Lösung der großen Aufgabe, wodurch das Wohl nicht blos eines einzigen Volkes, sondern auch der Nachbarstaaten gefördert wird. Der Ruf nach einem einigen Deutschland ist fürder kein hohler Schall, seine Einheit keine bloße Chimäre der Schriftsteller und Poeten, sie hat einen reellen Boden, eine feste Grundlage für ein wohnliches Haus unserer Zeitgenossen und Enkel. Lassen Sie uns denn, da den Schmuck unseres Festes die Fahnen Deutschlands und Oesterreichs bilden, auch den unzertrennlichen Bund der Einigkeit zwischen beiden feiern!“

Die Rede schloß mit einem Hoch auf den constitutionellen Kaiser Franz Joseph. Oberschützenmeister Peter von Mayel erwiderte sie mit kurzen kernigen Worten, ebenso durchweht von dem warmen Gefühl für die Einigkeit des deutschen Volkes, und schloß mit einem Hoch auf die deutsche Treue, die deutsche Bruderliebe, die deutsche Einigkeit. Der darauf einfallende Sängerchor pries die Tyroler Schützen in einem Liede von H. Gilm als „Deutschlands Grenzsoldaten“, als seine „Gemsenwacht“, worauf unter Begleitung von Böllerschüssen die Nationalhymne angestimmt ward. Dann folgte der Umzug mit den Fahnen und zwei Musikchören durch die Gassen der Stadt. Um 1/2 1 Uhr begann das zu Ehren des Unternehmens der Gasanstalt vom Magistrat veranstaltete Festmahl, an welchem auch die Spitzen der Militär- und Civilbehörden und der Bürgermeister von Meran Theil nahmen. Kurz vor drei Uhr setzte sich der lange maskirte Festzug in Bewegung, in zwei Abtheilungen mit höchst sinnigem Humor, über dessen Einzelnheiten wir auf die Schilderungen der Illustrirten Zeitung verweisen müssen. Die sich zudrängende Menschenmenge war unübersehbar und konnte sich dreist mit der Schaar der Glaubensprocession messen. 20,000 Loose zu einer für die Armen zu veranstaltenden Lotterie waren sehr bald vergriffen; die Lotterie warf einen Reingewinn von ungefähr 2000 fl. ab. Mit einbrechender Dunkelheit schwamm die Stadt wie durch Zauberschlag in einem Lichtmeer, bei welchem das Gas verschwenderisch gespendet und zu großen Transparents benutzt war, besonders auf dem Johannesplatze. Dieser Platz wurde später noch mit bengalischem Feuer erleuchtet, und dabei sang die Botzener Liedertafel Arndt’s deutsches Vaterland! Arndt’s deutsches Vaterland, von Tyroler Stimmen gesungen: „Ist’s Land der Schweizer, ist’s Tyrol? Das Land und Volk gefiel mir Wohl; 0 nein, 0 nein, sein Vaterland muß größer sein, das ganze Deutschland soll es sein,“ das muß Vater Arndt noch in seinem Grabe gefreut haben!

Weniger Freude hat, so scheint es, an dem ganzen Feste, und besonders an dem Festschießen der Statthalter, Fürst v. Lobkowitz, gehabt. Als Landesoberschützenmeister sprach er, wenn auch in sehr milder Weise, seine Mißbilligung und den Wunsch aus, die Tyroler möchten durch Eintracht stark und die Schießstätten nur „harmloser Schützenfreude“ gewidmet bleiben. Ja, wenn es sich nur mit der Harmlosigkeit thäte, sobald einmal der Kampf zwischen Finsterniß und Licht, zwischen tausendjährigem Aberglauben und fortgeschrittener Erkenntniß entbrannt ist! Doch griff diesen Wink von hoher Stelle in kluger Weise der Bürgermeister von Meran, Dr. Putz, auf, an Gesinnung unserem Streiter ebenbürtig, ein wackerer Mitstreiter. Er lud die Schützen auf den 1. December zu einem „Eintrachtschießen“ nach Meran. Es kamen zwar zumeist nur die Botzener, aber es war doch ein schönes Fest der Eintracht, wenigstens zwischen zwei Städten, diesen lieblichsten Perlen im Städtekranze Südtyrols. Auch bei diesem Feste wehte die deutsche Fahne vereint mit der österreichischen, hielten beide Bürgermeister Reden voll des edelsten Patriotismus, erklang von der Liedertafel Arndt’s deutsches Vaterland.

Diesem Eintrachtsfeste in Meran, das man also in mancher Beziehung nur ein scheinbares nennen konnte, folgte bald darauf wieder ein wirkliches in Botzen. Graf Castiglione, dieser tapfere Krieger, der die Tyroler in 26 Gefechten zu Kampf und Sieg geführt hat, ein edler, freisinniger, durch seine Leutseligkeit allgemein beliebter Mann, war vom Kaiser zum Inhaber des Regiments Tyroler Kaiserjäger ernannt worden. Die Stadt Botzen feierte diese ihrem Commandanten widerfahrene wohlverdiente Ehre durch ein Freischießen, welches sie ihm am 8. December veranstaltete, und Graf Castiglione erwiderte diese Freundlichkeit, indem er der Stadt am 12. December ein glänzendes Festmahl gab. Bei beiden Gelegenheiten fehlte es nicht an mancherlei schönen Kundgebungen eines freisinnigen Patriotismus. „Kein Streben nach rückwärts, kein Sonderbund,“ sprach unter anderm Dr. Streiter bei Castiglione’s Festmahl in seinem Toaste auf die Armee, „sondern vorwärts mit vereinten Kräften. Unsere wackere Armee, sie sprach es laut aus. fühlt dies ebenso gut, als wir Bürger. Hoch die österreichische Armee!“ Dem Festschießen zu Ehren des tapfern Generals in Botzen folgte am 15. December ein zweites, welches Graf Wickenburg in Eppan[WS 1] gab, und am 16. ein drittes, welches der Trienter Schießstand veranstaltete.

Uebrigens stehen diese Vorgänge in Südtyrol keineswegs ganz vereinzelt da, beschränken sich auch nicht blos auf Lichtfeste und Scheibenschießen. Die Einweihung des ersten protestantischen Friedhofs in Meran am 10. December durch den protestantischen Geistlichen Dr. von Oettingen[WS 2] aus Dorpat, unter großer Theilnahme der Meraner Bürger, die Bildung einer vor der Hand freilich nur aus fremden Gästen bestehenden evangelischen Gemeinde ebendaselbst, die Grundsteinlegung der ersten evangelischen Kirche in Bregenz am 14. December, die Aufführung des Urbildes des Tartüffe Ende desselben Monats auf dem Theater zu Innsbruck, schon an sich ein Ereigniß, noch bedeutungsvoller durch die dieselbe begleitenden lebhaften Demonstrationen, das Erscheinen eines neuen liberalen Blattes, der Innzeitung, mit dem Beginn des neuen Jahres, welches gleich in seiner ersten Nummer der Partei der Ultramontanen und Rückwärtsler mit tapfern Mannesworten den Krieg auf Leben und Tod ankündigt – das Alles sind nicht blos morgenröthliche Wolken, sondern bereits helle Strahlen der Morgensonne, die, einmal aufgegangen, Niemand in ihrem Laufe mehr aufhalten kann. Das Gefühl, welches wir übrigen Deutschen diesen Ereignissen gegenüber empfinden, ist zuerst und vor Allem eine heilige Freude über die hellleuchtende Flamme der Vaterlandsliebe auch in diesem fernen südlichen Gaue, dann die innigste Theilnahme an jedem Fortschritt der Siege wahrer Aufklärung, echt constitutioneller bürgerlicher und kirchlicher Freiheit. Wir hoffen und erwarten aber auch nun von der Kraft und dem Muthe der österreichischen Regierung, daß sie das Patent vom 8. April nicht blos auf dem Papiere stehen lassen, sondern es als Grundgesetz für alle Kronländer, Tyrol nicht ausgenommen, auch durchführen werde. Dann werden die Feinde des Lichts von selbst die Waffen strecken müssen, dann, aber auch nur dann wird Oesterreich mit dem übrigen Deutschland auf der Bahn des Fortschrittes ein unzertrennliches Ganzes bilden, und dann – aber auch nur dann – darf es in Zeiten der Noth und Gefahr auf Deutschlands Hülfe zählen.

W. L.





Blätter und Blüthen.



Schillerlotterie. Die Gründer dieses großen, nunmehr glücklich durchgeführten deutschen National-Unternehmens, Major Serre, der bekannte Reisende Alex. Ziegler aus Ruhla und Bürgermeister Dr. Hertel, werden in nächster Zeit öffentlich Rechenschaft über die Resultate der Lotterie ablegen. Der gewonnene Reinertrag übertrifft die kühnsten Erwartungen, und der Vorstand hofft, außer den Unterstützungen an Dichter, Schriftsteller, Maler, Musiker, Bildhauer, Architekten etc. sammt ihren hinterlassenen Wittwen und Waisen den längst gehegten Plan in Ausführung zu bringen und seinem Schaffen dadurch die nationale Weihe zu geben, daß eine „Deutsche Akademie“ begründet wird. Zu diesem Zwecke gedenkt der Vorstand 100,000 Thaler von dem Stammcapital abzuzweigen, dasselbe 20 Jahre lang Zins auf Zins und anderweitig zu verdoppeln und dann die Gründung dieses großen deutschen Instituts in’s Leben zu rufen.






Eine Schillpension. In der Nähe von Seesler bei Elmshorn in Holstein, schreibt man uns, wohnt ein Mann, der noch jetzt von der dänischen Regierung eine Pension bezieht, weil er einer von den Soldaten war, unter deren Säbelhieben der deutsche Held Ferdinand von Schill seinen Geist aushauchte. Schill war, vom Pferde gestürzt und schwer verwundet, in den Laden eines Bäckers geflüchtet, und hier wurde der Waffenlose von den Verfolgern getödtet. Der noch lebende und pensionirte dieser Soldaten heißt Lorenzen.





Kleiner Briefkasten.



Ernst A. in F. a. M. Nur ein wenig Geduld! Ueber den „Monitor“ werden wir auf authentische Grundlagen gestützte Mittheilungen machen. Aber Originalzeichnungen und Holzstöcke sind nicht so rasch und leicht für die Presse fertig, wie Clichés. Vorbereitet ist Alles, und Ihr, und wahrscheinlich aller unsrer Leser Wunsch wird möglichst bald befriedigt. Beachten Sie ferner, daß der Druck einer Nummer jetzt 3 Wochen Zeit in Anspruch nimmt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Eppom
  2. Alexander von Oettingen; Vorlage: Oettinger
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_272.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)