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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

damals von Mund zu Mund und gaben die Parole für die ganze Volkspartei ab; diese Worte waren nicht blos zu den Abgeordneten, sondern auch zu dem versammelten Volke gesprochen, und dieses verstand sie.

Friedrich Nebelthau.
Nach einer Photographie.

Das Frühjahr 1861 kam heran, und wenn die Minister auch nur den Schein retten wollten, daß sie nach verfassungsmäßigen Bestimmungen zu regieren strebten, so mußten neue Wahlen angeordnet werden. Mit der gleichzeitigen Anordnung derselben fanden es aber auch die Räthe der Krone für angemessen, den Fürsten persönlich in den Kampf zu verwickeln, wie es neuerdings auch anderwärts beliebt worden ist. Es erschien die landesherrliche Verkündigung, durch welche das Volk aufgefordert ward, nur Männer zu wählen, welche die wahre Stimmung des Landes repräsentiren. Das Volk ließ mit der Antwort nicht auf sich warten. Die zur Wahl berufenen Wähler wählten mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Majorität unter Protest die Wahlmänner, und diese wählten, wiederum unter Protest, zu Abgeordneten abermals fast ganz dieselben Männer, welche Mitglieder der aufgelösten Kammer gewesen waren.

Die Residenzstadt Kassel war mit dem Beispiel vorangegangen. Sie hatte ihre seitherigen Abgeordneten, Hartwig und Nebelthau, wieder gewählt.

Am 11. Juni 1861 fand die Wahl des Bureaus der Kammern statt. Ehe sie zu diesem Acte schritt, legte sie eine Rechtsverwahrung für das Verfassungsrecht von 1831 ein. Der Landtagscommissar von Dehn-Rothfelser erklärte: die Mitglieder der Kammern seien gewählt, berufen und erschienen in Gemäßheit der Verfassung und des Wahlgesetzes vom 30. Mai 1860; die hiermit in Widerspruch stehenden Proteste und Vorbehalte könnten von der Regierung nicht anders als unstatthaft und wirkungslos betrachtet werden. Auf diese Erklärung hin warf Nebelthau die Frage auf: ob die Regierung überhaupt noch eine Thätigkeit von Seiten der Abgeordneten erwarte, oder ein für allemal darauf Verzicht leiste? Auf die Antwort des Landtagscommissars, daß die Regierung der Thätigkeit der Versammlung nicht in den Weg treten wolle, äußerte Nebelthau, daß dann die Regierung auch erwarten müsse, daß Alles, was die Versammlung thue, in dem von derselben bekundeten Sinne geschähe.

Man schritt zur Wahl des Präsidenten, und von 48 Abstimmenden erhielt Nebelthau 47 Stimmen. Er dankte der Versammlung, indem er sich dahin aussprach, daß ihm dadurch insonderheit die Sorge und die Verantwortung zufalle, daß durch keine Handlung der Versammlung dem Rechte des Landes das Geringste vergeben werde. „Wohlbekannt mit Ihrem Willen,“ sagte er, „werde ich darüber wachen, daß nirgends auch nur ein Schein Ihres Verzichts auf das ältere Verfassungsrecht von 1831 oder eine Anerkennung des neuen von 1860 aufkomme. Schon einmal, im vorigen Winter, vertrauten die Meisten von Ihnen die Leitung meinen Händen an; verlassen Sie sich darauf, soviel an mir liegt, wollen wir diesmal nicht mit geringerer Ehre aus dem Kampfe scheiden.“ Und er hielt Wort.

Am 1. Juli 1861 fand die öffentliche Sitzung der Kammer statt, zur Berathung des Berichts des Verfassungsausschusses, erstattet von dem Abgeordneten Hartwig über den Antrag des Vicepräsidenten Ziegler, die Incompetenz-Erklärung der Kammer und Erlaß einer Adresse an den Kurfürsten betreffend. Die Tribünen waren wieder überfüllt. Der Landtagscommissar bot alle Mittel auf, um die Versammlung zu bewegen, sich mit der Regierung in Unterhandlungen über eine Revision der Verfassung von 1860 einzulassen. Nach langer heftiger Debatte schloß der Präsident dieselbe mit den Worten: „Meine Herren! Man hat uns die Wahl

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_221.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)