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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Johann Gottlieb Fichte.

ordinäre Philosophen, welche Grund haben, die Concurrenz der außerordentlichen zu fürchten. Der liebe akademische Brodneid, in diesem Falle, wie so oft, das Mäntelchen orthodoxer Wissenschaftlichkeit umhängend, machte unserm Fichte schon vor dessen Ankunft in Jena den Krieg, in welchem aber nicht er zu kurz kam.

Sein Auftreten in Jena, wo er im Mai 1794 seine Vorträge eröffnete, war überhaupt ein sieghaftes. Seine Persönlichkeit machte sich überall geltend, wo er auftrat. Nicht leicht hat in einem andern Manne die geistige Potenz auch äußerlich so mächtig sich dargestellt. Denn Fichte’s leibliche Erscheinung war an sich unansehnlich. Von Wuchs eher unter als über Mittelgröße, war er von untersetzter, muskulöser Statur. Aus dem scharfmarkirten, charaktervollen, adlernasigen Gesicht leuchtete unter buschigen Brauen hervor das intensive Feuer dunkler Augen. Schritt und Gang prägten die Festigkeit und Entschiedenheit seines Wesens aus. Nicht minder verkündigte der stolze, gebieterische Klang und Ausdruck seiner Stimme und Sprechweise einen unbeugsamen Willen. Es war etwas Imponirendes, etwas im besten Sinne Cäsarisches in dem Manne, dessen Wirkung auf die akademische Jugend sofort sich bemerkbar machte.

Die Universität Jena hatte, wie bekannt, zu jener Zeit gerade ihre Glanzperiode angetreten, und Fichte’s Lehrtätigkeit trug zur Erhöhung dieses Glanzes nicht wenig bei. Die kleine Stadt an der Saale war damals in Wahrheit bis zum Ausgang des Jahrhunderts die geistige Hauptstadt Deutschlands, wohin nicht nur aus allen deutschen, sondern so ziemlich aus allen europäischen Ländern die Musenjünger strömten. Fichte behagte sich in seiner erfolgreichen Wirksamkeit um so mehr, als derselben, wie überhaupt seiner Art und Weise, von Seiten des Herzogs Karl August die freundlichste Anerkennung zu Theil ward und er in dem freundschaftlichen Entgegenkommen von Männern wie Goethe, Wieland und Schiller eine noch werthvollere Schätzung seines Talents und seines Eifers erkennen mußte. Ein Beobachter von Fichte’s damaligem Gebahren, Forberg, hat in scharfen Zügen ein Bild desselben entworfen. Entlehnen wir einige Striche dieser Zeichnung. „Der Grundzug von Fichte’s Charakter ist die höchste Ehrlichkeit. Ein solcher Charakter weiß gewöhnlich wenig von Delicatesse und Feinheit. In seinen Schriften kommen auch wenige eigentlich schöne Stellen vor, sein Trefflichstes hat immer den Charakter der Größe und Stärke. Auch spricht er eben nicht schön, aber alle seine Worte haben Gewicht. Sein Vortrag rauscht daher wie ein Gewitter, das sich seines Feuers in einzelnen Schlägen entladet. Fichte’s Auge ist strafend, und sein Gang ist trotzig. Er ist wirklich gesonnen, durch seine Philosophie auf die Welt zu wirken. Bei jeder Gelegenheit schärft er ein, daß Handeln! Handeln! die Bestimmung des Menschen sei.“

Ein Mann und Lehrer dieses Schlages war ganz dazu angethan, Allem, was er für thöricht oder schlecht ansah, rücksichtslos zu Leibe zu gehen. So stieß sich denn seine bis zum Rigorismus gehende sittliche Energie an das damalige studentische Ordenswesen, in welchem er die Wurzel aller akademischen Uebel sah. Er wollte diese Wurzel durchschneiden und zwar zunächst mittelst seiner Vorträge über „die Bestimmung des Gelehrten“, die er später nach einem erweiterten Plane hielt und zwar, weil nur an diesem Tage dazu Raum und Zeit war, am Sonntag. Dies war nun der Orthodoxie gerade recht, welche dem kühnen Philosophen, der nicht an das Credo von Nikäa glaubte und, schrecklich zu sagen! noch dazu im Geruche des Demokratismus stand, schon lange auf den Dienst gelauert hatte. Flugs ging eine Denunciation nach Weimar, daß Fichte „die bisherige gottesdienstliche Verfassung untergraben wolle.“ Damit begann die Hatz, welche unsern Philosophen glücklich aus Jena weghetzte … Es ist eine trübselige Geschichte. Die Dunkelmänner schlugen gegen Fichte Lärm zu Weimar, zu Dresden und an allen den umliegenden Höfen. Auch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_165.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)