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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Kammermädchen hat einen deutschen Koch getroffen und heirathet, nun bin ich ganz allein!“

„Ei, so heirathen Sie auch!“ ruft Jener.

Sie sieht erstaunt auf. „Ich? wen denn um Gotteswillen?“

„Nun mich, Richard Mulder, wen denn sonst?“

Inez wurde Frau Mulder, und das war zur Zeit ihres New-Yorker Auftretens etwa zwei Jahre her, zwei Jahre, welche dem Paare unter eifrigem Lehren und Lernen vergingen, bis die zur glänzendsten Entwickelung gediehene Künstlerin plötzlich vor den New-Yorker Kunstrichtern erschien, um von hier aus als Stern erster Größe ihren weitern Siegeslauf zu beginnen.

O. R.

Glatteis und Grundeis. Es glatteist gewöhnlich, wenn die Kälte vorbei ist. Oft bei ganz warmer Luft, wenn ein förmlich lauer Regen fällt, überzieht sich das Pflaster der Straße mit jener glänzenden Oberfläche, die in größeren Städten entweder Aschestreuen oder Polizeiconflicte zur Folge hat, und wo die Jugend wohl jeder nur einigermaßen gebildeten Bevölkerung stets für die letzteren stimmt. Den Tag vorher hat die Sonne mit uns Frühling gespielt, die letzten Schneereste sind von den Dächern abgetropft, eine wunderbare Sternennacht beschloß das Ganze – nun noch ein warmer Regen, und ihr sollt sehen, wie Alles grün wird. Der warme Regen kommt, aber nichts wird grün, wenn nicht etwa ein Körpertheil, dessen unwillkürliche Abstrapazirung damals unserer alten Dore die gotteslästerlichsten Reden gegen alle Abweichung von der herkömmlichen Frühlingswerdung in den Mund legte.

Im Gegentheil, nach dem Glatteis giebt’s häufig wieder kalte Tage, und der Winter scheint sich’s noch einmal behaglich machen zu wollen. Glatteis entsteht auch manchmal, ohne daß es regnet, wenn feuchte neblige Witterung nach starker Kälte oder auch nur nach sternenklaren Winternächten eintritt; dagegen kann man das kein Glatteis nennen, wenn während eines Thauwetters wieder Frost eintritt und sich auf Wiesen und Straßen eine neue Eiskruste bildet; denn das Eigenthümliche des Glatteises besteht, wie bekannt, darin, daß es Dächer und Straßen, Bäume und Sträucher mit einer gleichmäßigen durchsichtigen Decke überzieht. Ja es begegnet uns, daß unsere Mäntel, wenn wir bei solchem Wetter uns im Freien bewegen, denselben glasartigen Ueberzug erhalten.

Der Grund dieser merkwürdigen Erscheinung ist nicht allemal ein und derselbe.

Gewöhnlich liegt er darin, daß zwischen der Temperatur der Luft und der der Erde plötzlich eine große Verschiedenheit eintritt, so daß die Luft über den Gefrierpunkt erwärmt ist, während die Temperatur des Erdbodens unter dem Gefrierpunkte steht. Eine solche Verschiedenheit kann nach Windwechsel eintreten, wodurch plötzlich warme Luftschichten sich über Länderstrecken verbreiten, deren Boden in Folge vorhergegangener strenger Witterung noch sehr durchkältet ist, und der nicht so plötzlich die Wärme aufzunehmen vermag. Oder aber auch bei sonst gelinder Witterung kühlt sich in klaren Nächten der Boden oft bis weit unter den Gefrierpunkt ab, indem er durch Ausstrahlung seine Wärme verliert; die Luft dagegen erleidet einen solchen Wärmeverlust in viel geringerem Grade.

Ist nun auf irgend eine Weise die Temperatur des Bodens unter den Gefrierpunkt hinabgegangen, und fällt aus der wärmeren Luft Regen, so werden die Tropfen, sobald sie unten aufschlagen, in Folge der größeren Kälte des Erdbodens gefrieren und eine gleichmäßige glatte Eisdecke über alle Unebenheiten bilden. Das ist Glatteis. Dasselbe kann aber auch noch auf eine andere Weise entstehen.

Bekanntlich gefriert das Wasser unter gewöhnlichen Verhältnissen bei Nullgrad des Thermometers. Unter gewissen Umständen aber kann es eine bei weitem niedrigere Temperatur annehmen, ohne daß es fest wird, und vorzüglich tritt der Fall ein, wenn es sehr allmählich abkühlen kann und dabei keinerlei Erschütterungen ausgesetzt ist. Man kann in kalten ruhigen Nächten Wasser in einem auf der Innenfläche glasirten thönernen Topfe bis zu 5, 6 und noch mehr Grad unter Null abkühlen lassen, ohne daß sich, wenn es ruhig stehen bleibt, eine Eiskruste darauf bildet. Sobald aber die Wassermasse in eine, wenn auch nur ganz geringe Erschütterung versetzt wird, etwa dadurch, daß man einen Strohhalm oder ein Sandkorn hineinfallen läßt, gesteht sie durch und durch zu einem festen Eiskörper und zersprengt sehr häufig in Folge der Ausdehnung, die sie dabei erleidet, das Gefäß. Das Gefrieren muß einen Anstoß erhalten; dieser fehlt, so lange das Wasser ruhig steht; kein Theilchen will zuerst anfangen, und so häuft sich die Kälte immer mehr an, bis endlich ein geringfügiger Umstand, wie bei einem bis auf’s Aeußerste gereizten Menschen, den Ausbruch hervorruft. Nun können eben so in der Luft Wassertropfen, die als Regen herabfallen, bis weiter unter den Gefrierpunkt erkalten, ohne deswegen zu Eis zu erstarren und Schnee oder Graupeln zu bilden. Sie kommen als kalter Regen herunter, sobald sie aber auf einen festen Körper treffen, gefrieren sie, und daher kommt es, daß wir, wenn wir in einen solchen Regen gerathen, bisweilen ganz glasirt nach Hause kommen. – Die dünnsten Aestchen der Bäume umhüllen sich oft mit Eiskrusten wie Stalaktiten und brechen endlich unter ihrer durchsichtigen Last.

Diese merkwürdige, wenn auch seltener auftretende Art der Glatteisbildung giebt uns zugleich eine Erklärung für die eigenthümliche Erscheinung, die wir mit dem Namen des Grundeises bezeichnen. Während nämlich das Wasser gewöhnlich von der Oberfläche hereingefriert und die Eisdecke von oben nach unten an Dicke zunimmt (eine Folge davon, daß das gefrierende Wasser und das Eis leichter ist als Wasser von etwa 4 Grad Wärme und deshalb auf dem letzteren schwimmt), giebt es Fälle, wo sich auf dem Grunde der Flüsse große Eismassen ansetzen, die häufig den Lauf des Wassers stauen und der Schifffahrt gefährlich werden können. Im Frühjahr, wenn der Boden sich erwärmt, lösen sich diese Eismassen dann los, und man sieht sie mit Sand und Steinen beladen, die sie vom Flußbett mit in die Höhe gehoben haben, herabtreiben. Sie unterscheiden sich von den an der Oberfläche entstandenen Eisschollen schon durch ihr Aussehen, welches immer porös und oft ganz zerlöchert und schwammig sich zeigt.

Das Grundeis entsteht fast nur in Flüssen, die einen gemächlichen Lauf und eine ziemliche Tiefe haben. In solchen können Wassermassen, die sich zwischen anderen ruhig fortbewegen, wie die kalten Regentropfen, aus denen das Glatteis entstand, eine Abkühlung bis unter den Nullpunkt erfahren, ohne daß sie gefrieren. Werden sie aber durch die Strömung mit den rauhen Theilen des Flußbettes in Berührung gebracht, so ist durch diese dem Gefrierenwollen ein Anstoß gegeben, und es bilden sich in kurzer Zeit sehr mächtige Eisballen, die sich an den Unebenheiten des Flußbettes anheften.

Im Rhein kommt es häufig vor, daß die schweren eisernen Anker der dort liegenden Schiffe im Frühjahr von dem Grundeis mit zu Tage gebracht werden, ohne daß mit diesem unverhofften Wiedersehen den Schiffsführern allemal eine große Freude gemacht würde. So lange der Grund des Flusses kalt genug ist, bleiben diese Eismassen unter dem Wasserspiegel und vergrößern sich. Man kann es ihnen eben so wenig wehren, als man ihre Bildung, die gewöhnlich sehr rasch und unangekündigt geschieht, verhindern kann; obgleich dies wünschenswerth wäre, weil Grundeis sehr oft die Ursache der großen Gefahren ist, von denen Eisgänge begleitet sind und die insbesondere die Veranlassung zur Entstehung eines sehr verbreiteten Sprüchwortes gewesen zu sein scheinen.


Zur Fledermausfrage. Die hübsche Beobachtung, welche in Nr. 3 der Gartenlaube mitgetheilt wird, steht nicht so vereinzelt da, als ihr Herr Verfasser anzunehmen scheint. Es sind viele ähnliche Beobachtungen veröffentlicht worden, und Masius, welcher seine Allbelesenheit durch bogenlange Citate zu beweisen pflegt, wird die betreffenden Mittheilungen wohl auch kennen. Wenn er die Fledermäuse über die Achsel angesehen hat, ist dies wohl aus dem Grunde geschehen, weil sie sich weniger zur Zerrbildnerei eignen als andere Thiere, welche durch ihn verewigt worden sind; weniger z. B. als der Wolf, welcher „die Luft mit pistolenschußstarken Erschütterungen beglückt, wenn er sein Gebiß zusammenschlägt“; weniger als der Frosch, welcher, wie in einer Ausgabe der bei sentimentalen Weiberseelen so hoch beliebten Naturstudien zu ersehen, die Baßgeige auf dem Rücken mit herumschleppt. Die Fledermäuse können sich übrigens nur dazu gratuliren, wenn sie von Herrn Masius nicht ausführlich behandelt worden sind. Ich will sagen: Wer die im höchsten Grade der Theilnahme würdigen, so vielfach verkannten, äußerst nützlichen Fledermäuse und ihr jeden Naturfreund fesselndes Leben kennen lernen will, darf nicht zu Masius greifen, am wenigsten aber darf dies einer der nach kräftiger und natürlicher Kost verlangende Leser unserer Gartenlaube. Man nehme die Werke von Oken, Kaup, Lenz, Kolenati, Burmeister, Rengger, Fitzinger, Vogt, Giebel, Brehm’s Ornis und andere zur Hand, wenn man sich mit den Fledermäusen und ihrem Leben vertraut machen will. In meinem demnächst erscheinenden „Thierleben“ habe ich eine möglichst ausführliche Beschreibung des merkwürdigen Lebens dieser merkwürdigen Thiere entworfen, und darf diejenigen Leser, welche Lust genug besitzen, seitenlange Thierschilderungen zu lesen, auf dieses Werk verweisen. Hier will ich nur einige Andeutungen geben.

Fast sämmtliche Fledermäuse können bei geeigneter Behandlung lange Zeit im Zimmer erhalten und in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit gezähmt werden. Sie lernen ihren Wärter und Wohlthäter bald kennen, kommen auf dessen Ruf herbei, wissen genau, was die Mehlwürmer und Fliegenschachtel zu bedeuten haben; ja, sie folgen ihrem Gebieter wie ein Hund auf dem Fuße nach. Mein Bruder hatte eine Ohrenfledermaus binnen acht Tagen so gezähmt, daß sie auf seinen Pfiff herbeigeflogen kam und ihm durch mehrere Zimmer folgte. Kolenati, welcher die Fledermäuse in der Neuzeit am ausführlichsten beobachtet hat, besaß viele, welche ungemein zahm waren. Er hatte sie so gewöhnt, daß sie aus seiner Hand tranken, wenn es kühl war, sich in dieser erwärmten und sie dankbar leckten. Sie kamen herbei, wenn er ihnen die Fliegenschachtel vorhielt, krochen in diese oder in das Glas hinein und räumten die darin aufbewahrten Kerbthiere auf. Die in der Gartenlaube beschriebene Art, wie die Fledermäuse Fliegen fangen, hat schon Faber beobachtet und bekannt gemacht. (Isis, 1826.) Er giebt uns auch die Zahl der Fliegen an, welche sein Gefangener vertilgte: 50–60!! bei einer Mahlzeit. – Von der außerordentlichen Sinnenschärfe der Fledermäuse hat man sich mehrfach staunend überzeugen müssen. Die Beobachtungen Spallanzani’s sind ziemlich allgemein bekannt: Er ließ Fledermäuse mit zugeklebten Augen in einem Zimmer fliegen, welches der Kreuz und Quer von Bindfäden durchzogen war; aber niemals stießen sich die feinsinnigen Thiere an eines der Hindernisse. Sie fühlten die Nähe der Fäden. Das Gehör und der Geruch sind ebenso ausgezeichnet als das Gefühl. Großöhrige Fledermäuse benehmen sich höchst sonderbar, wenn sie Musik hören. Alle lauten Töne sind ihnen ein Gräuel; sie zucken und schreien vor Schmerzen. In gleicher Weise belästigen starke, nach unsern Begriffen wohlriechende Stoffe die Fledermäuse, deren Geruchswerkzeug durch Anhängsel aller Art besonders vervollkommnet ist. Ihre Klugheit ist viel großer, als man glauben möchte. Sie zeigen nicht nur ein vortreffliches Gedächtniß, sondern auch eine gewisse Beurtheilungsfähigkeit, welche sich sogar bis zur List steigern kann. Alle Versuche, welche man angestellt hat, schwirrende Fledermäuse mit Hülfe einer feinen, durch lebende Schmetterlinge geköderten Angel zu fangen, sind mißglückt. Die Fledermäuse zeigten viel Theilnahme für den Leckerbissen, aber keine einzige griff zu. Noch weit schlagender ist die Beobachtung der Schmetterlingskundigen Hering und Nickerl. Bei vielen Schmetterlingsarten locken die ruhig sitzenden Weibchen die begattungslustigen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_143.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2020)