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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

das Land gewonnen zu haben. Er erwirkte für denselben den Titel eines kurfürstlichen Rathes mit einer Besoldung von 500 Thalern und verwendete sich auch dringend und mit günstigem Erfolg bei dem Kurfürsten von Sachsen, so daß Thomas 1691 seine Familie und seine Habseligkeiten von Leipzig nach Halle nachkommen lassen durfte.

Diese Uebersiedelung unseres Thomas nach Halle ist zugleich die Veranlassung zur Stiftung der Universität daselbst. Der berühmte Lehrer zog allein eine große Anzahl junger lernbegieriger Männer dahin. Ihm schlossen sich bald zwei ebenfalls Vertriebene an, Spener und Franke, und als 1691 der Kurfürst von Brandenburg auf einer Reise Halle berührte, fand er gegen 300 Studenten da, wo keine Universität war, die erst 1694 wirklich begründet wurde.

Seine Monatsschrift ließ Themas mit dem Jahre 1691 aufhören, dagegen gab er eine Sammlung von „juristischen Händeln“ heraus und war somit auch der Erste, welcher in Deutschland Rechtsfälle auf eine für das große Publicum lesbare Art herausgab. Seine übrigen Verdienste, namentlich um das Aufhören des Hexenverbrennens, können wir unerwähnt lassen, nur ein Ausspruch Friedrichs des Großen über ihn möge hier stehen: „Im Jahre 1708 (?) ward eine Frau, die das Unglück hatte, alt zu sein, als Zauberin verbrannt. Diese unmenschlichen Wirkungen der Unwissenheit erregten bei Thomas, einem gelehrten Professor in Halle, den lebhaftesten Eindruck: er machte die Hexenmeister und die Hexenprocesse lächerlich und redete so laut, daß man sich ferner solcher Rechtshändel schämte, und seitdem kann das weibliche Geschlecht in Frieden alt werden und sterben. Unter allen Gelehrten, welche Deutschlands Namen verherrlicht haben, leisteten Leibnitz und Thomas dem menschlichen Geiste die wichtigsten Dienste. Sie zeigten den Weg, auf welchem der Verstand zur Wahrheit gelangen kann; sie bekämpften die Vorurtheile jeder Art; sie drangen in allen ihren Schriften auf die Analogie und die Erfahrung und zogen eine Menge Schüler.“

Thomas starb 1728, ein Jahr vor der Geburt dessen, welcher um Vieles größer war als er und glänzend durchführen sollte, was Thomas nur geahnt und begonnen hatte – Lessing’s.

Diezmann.




Oft ist es nur ein einzig Wort!

Oft ist es nur ein einzig Wort
Das Herz von Herzen trennte.
Oft ist es nur ein einzig Wort,
Das neu sie einen könnte.

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Und ob sie sich auch lieben noch –

Das Wort, es bleibt verschwiegen doch;
Sie gehen stolz von hinnen,
So starb wohl manches Minnen!

Das rechte Wort, o sprich es nur,

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O sprich zur rechten Stunde,

Eh’ noch zu Andern drang die Spur
Vom bald zerrissnen Bunde!
Es dringt so heilend in die Brust
Vermißter Liebe neue Lust,

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Wenn Zwei sich wieder fanden,

Die einst sich nicht verstanden.

 S. Peiser.




Silhouetten vom preußischen Landtage.

1. 0Das Abgeordnetenhaus.


In London gehört das House of Parliament zu den größten und schönsten Palästen der Stadt; stolz und frei, wie Englands Verfassung, streckt es sich mit seinen gothischen Thürmen hinter Westminster längs dem Themseufer. In Paris tagt selbst unter Napoleon das Corps législatif in einem Palast, und der glänzende Schein von Freiheit wird durch diesen Bau nicht gestört. Sogar in dem jüngsten Staate, der es mit der Constitution versucht, in Oesterreich, ist für den Reichsrath ein eigenes Palais erbaut worden – leicht und luftig wie zu provisorischer Bestimmung, schnell errichtet und aus fertigen Stücken zusammengesetzt, die über Nacht auch wieder beseitigt werden können. Nur das preußische Abgeordnetenhaus ist hinter der großen Straße inmitten hoher Häusermassen erbaut worden, ein leichtes, gleichfalls wie provisorisch aufgeführtes Gebäude, angeklebt an das ehemalige Obercensurgericht, und die Räumlichkeiten des letzteren werden, wie zum grellen Hohn, jetzt als Bureaux und Commissionszimmer der Volksvertretung benutzt. Fast möchte man meinen, in den Gebäuden für die verschiedenen Parlamente sei die Bedeutung und die Stellung derselben im Staate ausgedrückt.

Der preußische Vereinigte Landtag von 1847, dieser erste Versuch einer längst versprochenen und par 1a grâce du Roi gegebenen, zu romantischer Vasallenschaft bestimmten Constitution, tagte im Weißen Saal des königlichen Schlosses zu Berlin, in königlichen Gemächern, ein Gast des Monarchen. In demselben Raum geht jetzt die Ceremonie der Eröffnung des Landtags durch den König vor. Die preußische Nationalversammlung von 1848 hielt ihre Sitzungen im Concertsaale des Schauspielhauses. Ob man diese erste Versammlung freier Männer eines quand même freigewordenen Volks mit Absicht dorthin verlegt – wer mag es wissen? Aber so viel wissen wir, daß nach ein paar Acten die Komödie zu Ende war.

Nun kam die Zeit Manteuffel’s, die neue, nicht entrissene, sondern gegebene Verfassung, die Zweikammer-Constitution. Man führte schnell die Säle für diese neuen Versammlungen auf, und daß man vorläufig auf keine Ewigkeit für das Recht derselben rechnete, äußerte sich unwillkürlich in dem leichten, luftigen Bau. Die Erste Kammer brannte ab, und daß man sie nun in ein altes aristokratisches Palais der Leipziger Straße verlegte, sie dort behaglich und wohnlich einrichtete, solid fundirte, harmonirte merkwürdiger Weise wieder mit ihrer veränderten Bestimmung. Sie wurde ein Herrenhaus, alle ihre Mitglieder ernannte die Krone.

Das Abgeordnetenhaus, die Zweite Kammer, die Versammlung der vom Volke erwählten Deputirten, behielt seit 1849 ihr leichtes Gebäu, dem man um so mehr solide Theile des alten Censurgerichts annectirte, je mehr das constitutionelle System an Bestand zu gewinnen schien. Wie die octroyirte Verfassung das Recht dieser Versammlung eingeengt und sie möglichst verhindert hatte, unmittelbarer Ausdruck des Volkes zu werden, so befand sich auch der Sitzungssaal eingeengt zwischen Hofmauern und war der unmittelbaren Freiheit der Straße entrückt. Manteuffel hoffte durch die Bureaukratie die Constitution in passender Weise zu einem Recht des Volkes zu reformiren, welches diesem möglichst wenig Rechte ließ und möglichst viel Pflichten auferlegte. Und siehe da! als sollte dies auch äußerlich ausgedrückt werden, so war die alte Hexenküche der preußischen Bureaukratie, das Obercensurgericht, zur Front des Abgeordnetenhauses gemacht worden und bildete die eigentlich soliden Theile desselben. Eine Menge anderer Parallelen liegen uns noch im Sinne, aber wir lassen sie fallen, um uns bei Aeußerlichkeiten nicht allzulange aufzuhalten.

Es läßt sich nach dem Gesagten voraussetzen und entspricht auch sowohl der parlamentarischen Würde wie dem preußischen

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