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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

und von den Gräbern seiner Väter hinweg, weit hinaus in die Wildniß des Westens getrieben, um dort dem Boden eine neue Heimath abzuringen. Indianerland ist Vereinigten-Staaten-Eigenthum, sagt das Gesetz, der Weiße mag nicht mit dem Indianer zusammenleben und hat ein Recht auf den Boden – darin lag die Rechtfertigung für die Maßregeln; aber die Ungerechtigkeit war zu stark, um nicht die öffentliche Meinung gegen sie aufzuregen. Dazu waren die Cherokees eifrige Christen, und die Kirche mußte sich ihrer annehmen. Sie erhielten das Bürgerrecht der Vereinigten Staaten, und das ihnen neu angewiesene Land war nun ihr persönliches unantastbares Eigenthum. Dennoch erkannten die Häuptlinge, durch den letzten Schlag gewarnt, daß sie, ohne völliges Aufgehen in den Weißen doch noch einmal von diesen erdrückt werden würden, und kaum war der neue Aufbau ihrer Häuser geschehen, ihre Habe untergebracht und ihre wieder bestellten Felder umzäunt, als auch von den Cherokees die regsten Versuche gemacht wurden, junge weiße Männer zur Niederlassung unter sich und zu Heirathen mit ihren Töchtern zu bewegen. Die Cherokee-Mädchen waren ihrer Grazie und Schönheit halber bekannt, die gebotenen Geschenke an Pferden, Vieh und Land für jeden jungen weißen Freier waren bedeutend, und bald war die Vermischung des „rothen und weißen Blutes“ im besten Gange. Heute sind die Cherokees ein völlig civilisirtes Volk mit Schulen und Kirchen, Gerichtshäusern und Buchdruckereien, auf den Pflanzungen arbeiten schwarze Sclaven, jede Art von Gewerbe und Handel ist vertreten, Theologie, Rechtskunde und Medicin zählen ihre im Osten gebildeten Jünger, und den geschmackvoll erbauten Häusern fehlen weder Teppiche. noch Piano noch modernes Silbergeschirr. Der Indianerstamm indessen wird bald völlig untergegangen sein, denn schon glaubt kein Mädchen eine gute Partie zu machen, wenn sie nicht einem Manne von unvermischtem „weißen Blute“ sich zu Eigen geben kann.

In der Nachbarschaft dieser Cherokees und nördlich den Missourifluß hinauf haben nun die Ueberbleibsel einer Anzahl anderer Stämme ihre angewiesenen Wohnsitze, die von einer Art äußerlicher Cultur sich bis zum Urzustande des Cooperschen Indianers abstufen, nur daß unter dem Einflusse des „Feuerwassers“ und der Laster der Civilisation sich wenig mehr von dem letzteren erhalten hat, als die äußere Gestalt, die in ihren Formen bei einzelnen Stämmen oft den begeisterndsten Vorwurf für den Maler bietet. Eigenthümlicherweise nimmt unter diesen, trotzdem verschiedene Stämme noch in Polygamie leben, die Fruchtbarkeit der Ehen von Jahr zu Jahr ab, und das endliche Verschwinden der Indianer scheint sich auch auf diesem Wege anzubahnen. Nur die wilden, ewig kriegführenden Geschlechter der Comanchen, Kiowahs und Apachen, die noch unberührt von dem Einflusse der Weißen die großen Prairien bis Mexico und Californien nomadisch bewohnen, haben sich in ihrer ursprünglichen Kraft und Wildheit erhalten und werden hier hausen, bis der unwiderstehlich vorrückende Fuß der Cultur auch sie ihrem Verhängniß verfallen läßt.

Einer der bedeutendsten Stämme am obern Missouri, der heute noch 20,000 Köpfe zählt, sind die Sioux oder auch Dacotahs, d. h. „Verbundene“, so genannt, weil der Stamm aus sieben verbündeten Stämmen besteht. Sie sind noch bis auf vielleicht 7000 Köpfe völlige Naturmenschen, die sich von der Jagd und dem Pelzhandel nähren, zur Zeit der Büffeljagd Streifzüge nach den großen Prairien machen und dort den Stämmen, in deren Gebiet sie gerathen, mörderische Gefechte liefern. Unter ihnen tritt dem Beobachter vor Allen ein Stammestheil, die Yanktonans, durch Zahl und körperliche Wohlgestalt entgegen, welcher einer der vorzüglichsten Lieferanten für das westamerikanische Pelzgeschäft ist. Jährlich fuhren, Anfangs der 50er Jahre, im Frühjahre die Dampfschiffe zweier Pelzhandel-Compagnien von St. Louis aus den Missouri hinauf, um für die Indianer Jagd- und andere Bedürfnisse zu bringen und dafür Felle einzutauschen – der Ankunftstag eines solchen Bootes war aber nicht nur der Zufuhr und der abzuschließenden Geschäfte halber für die Indianer wichtig, sondern für die Häuptlinge war er zugleich ein Festtag, an welchem sie auf dem Boote bewirthet und beschenkt wurden. Es war die „St. Ange“, welche im Jahre 1851 den Missouri herauf kam, und die „Chiefs“ der Yanktonans waren am Ufer versammelt, um beim Anlegen des gegen den Strom arbeitenden Dampfschiffes den ersten ceremoniellen Besuch zu machen und mit den weißen Männern die Friedenspfeife zu rauchen. (Diese Scene ist es, welche der bekannte Künstler nach der Natur festgehalten hat.) Auf einem ausgewaschenen Sandsteinfelsen hat sich der Träger derselben aufgestellt; dicht unter ihm steht eine Figur, welche sowohl den vielen Erinnerungszeichen der Heldenthaten nach, welche auf die als Mantel umgeworfene Bisonhaut gemalt sind, wie nach dem gewaltigen Haarbüschel, der möglicherweise durch angeklebtes fremdes Eigenthum verlängert ist, eine bedeutende Persönlichkeit sein muß. Die in Front befindlichen beiden jungen Häuptlinge sind für die bevorstehende Gelegenheit mit ihrem besten Schmucke angethan, und der im Hintergrunde sitzende alte Häuptling blickt mit dem Ernste, der ein Haupterforderniß seiner Stellung ist, den nahenden Fremden entgegen. Den steilaufsteigenden Hügel hat eine weniger courfähige Gesellschaft eingenommen, und oben wallt die amerikanische Sternenflagge, ein Geschenk der Pelzhändler an die Häupter der Indianer. Sie ist aufgepflanzt worden, um schon im Voraus den Nahenden ein Zeichen der guten Gesinnung seitens der Indianer zu geben und deren Gegenwart anzuzeigen.

Bald wird das Dampfboot heran sein; dann fällt die Landungsbrücke, und, von den beiden Agenten der Pelzcompagnie empfangen, schreiten die Indianer in ernstem, schweigendem Zuge, ihrem Range nach geordnet, hinüber, der Cajüte zu, wo bereits ein Kreis von Sitzen ihrer harrt. Schweigend lassen sie sich, zusammen mit ihren Wirthen, nieder, der älteste Häuptling nimmt die Friedenspfeife aus der Hand ihres Trägers, entzündet sie und giebt nach wenigen Zügen sie in die Hand des Nachbars, welcher demselben Beispiele folgt; in tiefer Stille wandert das Symbol der zu schließenden Freundschaft durch den Kreis, und mit einem „Ugh!“ giebt endlich der älteste Häuptling das Zeichen zum Beginn der Verhandlungen, die mit Auslieferung der erwarteten Geschenke ihren Anfang nehmen und dann in der durch fast sämmtliche Stämme verbreiteten Zeichensprache zum wirklichen Geschäfte, durch eine Bewirthung der braunen Naturkinder eingeleitet, übergehen.


Der erste deutsche Journalist.

Der „Gartenlaube“, dem verbreitetsten deutschen Blatte, kommt es gewiß vorzugsweise zu, an den viel zu wenig beachteten Mann zu erinnern, welcher die erste Zeitschrift in deutscher Sprache herausgab und dadurch der Begründer des jetzt wichtigsten und einflußreichsten Zweiges unserer Literatur wurde, – um so mehr, als er zu den ehrenhaftesten, freisinnigsten und geistvollsten Männern gehört, auf die Deutschland stolz zu sein Ursache hat, sein ganzes Leben lang unermüdet für Wahrheit, Recht und Aufklärung kämpfte, darum aber auch Leiden und Verfolgungen aller Art zu erdulden hatte, selbst aus seinem Vaterlande vertrieben wurde und sonach nicht bloß der erste deutsche Journalist sondern auch der erste Märtyrer der der deutschen Journalpresse ist.

Es war ein Leipziger, Christian Thomas (leider bekannter unter seinem latinisirten Namen Thomasius, obgleich er selbst, fern von aller Pedanterie, auf seinen deutschen Schriften und namentlich auf seiner Zeitschrift stets seinen guten deutschen Namen Thomas gebrauchte), der Sohn des Rectors der Thomasschule, Jakob Thomas, und am 12. Januar 1655 geboren. Nachdem er die Schule seines Vaters besucht hatte, studirte er in Leipzig Theologie ging dann aber nach Frankfurt a. O., um sich dem Studium der Jurisprudenz zu widmen, machte nach der damaligen Sitte eine Reise nach Holland und trat nach seiner Rückkehr in die Vaterstadt zunächst als Advocat auf, widmete sich aber bald der akademischen Laufbahn, auf der er allerdings großen Ruhm, aber auch Dornen vollauf finden sollte. Er ging nämlich nicht in dem bequemen Gleise des Herkommens fort, sondern dachte und forschte selbst und sprach die gefundenen Resultate ohne Scheu aus. Nur erzählt er, im Anfange habe er sich gefürchtet, mit Neuerungen aufzutreten, weil er gewähnt, er würde deshalb „der ewigen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_134.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)