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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

solchen Bahn, die Hindernisse, welche bald offene Stellen, bald mit zerbrechlichem Blättereis bedeckte Flächen, bald dicht beschneite Strecken, bald gletscherähnliche Schollenmassen und überglaste Wehre bieten, so daß der Schlittschuhläufer öfter mehrere hundert Schritte weit aus dem Festlande vorwärts stapfen muß – kurz, gerade die Schwierigkeiten einer solchen Flußbahn machen die Fahrt, besonders wenn sie in Gesellschaft unternommen wird, zu einem ergötzlichen Abenteuer. –

Doch wozu – wird man fragen – soll dieser Katalog der Freuden auf dem Eise dienen?

Geneigter Leser, wenn Du selbst die edle Kunst liebst und ausübst, kann Dir alle Schilderung der köstlichsten Winterfreuden nichts Neues bringen und Dich höchstens an angenehm verlebte Stunden erinnern.

Aber wie Viele giebt es nicht, welche den Schlittschuhlauf nie versucht haben und ihn als eitles Spiel der Jugend verachten! In Mittel- und Süddeutschland ist die nicht genug zu empfehlende Kunst lange nicht so nach Gebühr verbreitet, wie in Holland und England. Unter hundert Dörfern meiner Heimath, die einen fahrbaren Fluß oder Teich besitzen, sind kaum drei oder vier, in denen ein Erwachsener Schlittschuhe anlegt, ja auch die jugendlichen Einwohner solcher Orte sind der gesundesten und ergötzlichsten Winterbewegung völlig unkundig. Es scheint fast, als ob in Thüringen noch die Regel eines im 17. Jahrhunderte erlassenen Schulgesetzes fortwirke, welche lautet: „Das kalte Baden und Schwimmen, ingleichen das Eißgehen und Gländern ist, als der Gesundheit schädlich und zuweilen Lebensgefahr nach sich ziehend, denen Schulkindern verbotten.“ Aber nicht nur in den Dörfern, auch in den Städten wird viel zu wenig Schlittschuh gelaufen. An Knaben fehlt es zwar in größeren Städten nicht auf dem Eise; aber die Männer, die leider auch das Ballspiel aufgegeben haben, benutzen die unschätzbare Erholung gar zu wenig. Fast betrachten es viele ältere Herren für ebenso natürlich und schicklich, in gesetzten Jahren die Schlittschuhe am Nagel hängen zu lassen, wie es rathsam und anständig erscheint, das Tanzen aufzugeben, sobald die Dreißiger passirt sind.

Dies ist aber ein völlig grundloses und recht nachtheiliges Vorurtheil, das unser alter Arndt – gesegnet sei sein Andenken! – durch die That widerlegt hat. Fragt nur einen solchen Kernmann um seine Meinung, und er wird gewiß den Schlittschuhlauf als das würdigste Männer-Vergnügen preisen und empfehlen.

Wollt ihr euere versessenen Leiber recken und strecken und frisch mit Saft und Kraft erfüllen – so ungefähr würde er sprechen – wollt ihr des Leibes und Geistes Gesundheit und Frische hegen und Pflegen, ei, dann lernt und übet die edle Kunst Thialf’s, auf die unser Nord wenigstens ebenso stolz sein kann, wie der Italiener und Spanier auf ihre Tarantellas und Fandangos!

Und zumal ihr,

„die ihr den Wasserkothurn
zu beseelen wißt und flüchtiger tanzt,“

kommt, wenn auch graue Haare sich unter den dunkeln eingeschlichen und selbst wenn das Haupt winterlichst aussieht, kommt auf die Eisbahn, die im bescheidenen Maßstabe fast jeder deutsche Winter bietet! Fahrt und führt auch eure Kinder in die köstliche Kunst ein! Bescheert Knaben und Mädchen Schlittschuhe und schult sie, wie der Vogel seine Jungen fliegen lehrt, im sausenden Eistanze!

Und ihr, würdige Vorstände der Städte und Dörfer, denen das Gedeihen der Jugend am Herzen liegt, schenkt neben den Eisenbahnen auch der Eisbahn geneigte Rücksicht! Verbietet nicht das Fahren auf Teichen, weil es den Fischen schade, denn die stört der Tänzer aus dem Krystalldache so wenig, wie der Wasserläufer im Sommer! Sorget vielmehr dafür, der Bevölkerung eine sichere und gute Schlittschuhbahn zu verschaffen! Ist kein Fluß und kein Teich in der Flur, laßt ein Becken ausgraben, das der Jugend zum Winterturnplatze diene, oder laßt einen Bach stauen, daß er eine ebene Wiese überschwemme und zur Eisbahn verglase! Ihr Alle, die ihr frische, muthige Knaben und mannhafte Jünglinge zu erziehen wünscht, begünstigt und fördert den Schlittschuhlauf, die wohlfeilste, gesundeste und schönste Bewegung! – Eine Anregung zu versuchen zur Förderung dieser edeln Leibesübung, welcher ich selbst für Kräftigung des Körpers und Erheiterung des Gemüths so viel Dank schulde – dies, geneigter Leser, war der Zweck, der mir vorschwebte, als ich mich auf der Eisbahn entschloß, diese Zeilen zu schreiben. Mögen sie nicht ohne Erfolg bleiben!




Aus der Fremde.
Grauenhafter Ausgang einer Entdeckungsreise.

Die Erforschung des Unbekannten, namentlich des Räthselhaften und Geheimnißvollen, hat für fast alle Menschen einen mächtigen Reiz. Dieser steigert sich tausendfältig, wenn sich von der Lösung des Räthsels Förderung der Wissenschaft und dadurch Nutzen für die Menschheit erwarten läßt; ersteigert sich in diesem Falle so hoch, daß ihm kühne Männer ohne Zögern Gesundheit und Leben zum Opfer bringen. Zeugniß dafür giebt seit vielen Jahren die lange Reihe muthiger Reisender aus allen civilisirten Nationen, die das geheimnißvolle Innere Afrikas aufzuschließen versuchten, das zum Theil heute noch ein ungelöstes Räthsel ist, wie Viele auch bereits ihr Leben dabei verloren; Zeugniß giebt ferner das Streben, das Innere Australiens kennen zu lernen, dem seit etwa dreißig Jahren ebenfalls bereits zahlreiche Opfer gefallen sind, z. B. unser sächsischer Landsmann Leichardt, und das in der allerneuesten Zeit zu der wahrhaft grauenvollen Tragödie, von der wir hier erzählen wollen, Veranlassung gegeben hat.

Seit längerer Zeit hatte man in Melbourne die großartigsten Vorbereitungen zu einer Erforschungsreise in das Innere des Landes gemacht. Ein einziger Privatmann gab eintausend Pfd. Sterl. zu diesem Zwecke her; fernere 2000 Pfd. Sterl. brachte man in anderer Weise zusammen, und die Regierung der Colonie wendete 4000 Pfd. auf, um aus Indien Kameele kommen zu lassen, weil man sich von der Benutzung dieser Thiere in den „Wüsten“ des Innern viel versprach. Als Alles bereit war, wählte man als Führer der Expedition einen mit dem Lande bekannten energischen und muthigen Mann, den Irländer O’Hara Burke, der nach militairischen Studien in England und Belgien eine Zeitlang als Husaren-Rittmeister in der österreichischen Armee gedient hatte, dann nach Australien gereist und Inspector der berittenen Polizei von Victoria geworden war, seinen Posten aber verließ, als er von dem Ausbruch des Krimkrieges hörte, um an demselben Theil zu nehmen, nach Beendigung der Belagerung von Sebastopol ankam und nach Australien zurückkehrte, wo er in sein früheres Amt wieder eintrat. Beigegeben wurden ihm zu der Reise Landells, welcher die Kameele aus Indien herbeigeholt hatte, ein erst 27 Jahre alter, wissenschaftlich sehr gebildeter Engländer Wills von der Sternwarte in Melbourne und zwei junge Deutsche, Dr. Becker als Zoolog und Zeichner und Dr. Beckler als Botaniker und Arzt. Außer diesen bestand die Expedition aus 25–30 Personen, 25 Kameelen und eben so vielen Pferden.

Nach langem Zweifel über den Ausgangspunkt der Reise entschloß man sich, von Melbourne nordwärts nach dem Cooper’s Creek, im Sommer (dem europäischen Winter) 1860–61 weiter nach der Nordküste, dem Meerbusen von Carpentaria, zu gehen und in solcher Weise zum ersten Male das ganze Land zu durchziehen. Am 20. August 1860 erfolgte der Aufbruch, aber man brauchte fast zwei Monate, um nach Menindie am Darling zu kommen, weil namentlich die Kameele häufig störrig oder wild waren und viel Aufenthalt verursachten. Auch veruneinigten sich die Reisenden sehr bald, so daß Landells und Beckler nach Melbourne zurückkehrten. In Menindie ließ Burke ein Depot zurück, und mit 12 Mann, 16 Kameelen und 20 Pferden erreichte er am 11. Novbr. den Coopersfluß. Hier befahl er Brahe, mit Lebensmitteln, Leuten und Kameelen drei Monate oder auch länger, wie es die Umstände gestatteten, auf ihn zu warten, er selbst aber unternahm mit Wills, King und Gray, 6 Kameelen, einem Pferd und Lebensmitteln auf drei Monate am 16. December die eigentliche Erforschungsreise, um die es sich handelte. Eine Woche nach der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_124.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)