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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

keine Pflege, keine Vorsorge des edlen Mannes, bei dem er wohnte, Sir George Smart, kein Zuspruch seiner deutschen Freunde, Fürstenau, Dr. Kind, Moscheles, Göschen etc., lindern konnte. Was half es ihm, daß die sonst so zurückhaltenden Engländer bei seinem Erscheinen in dem Theater sich jubelnd erhoben, ihn, Hüte und Tücher schwenkend, grüßten, daß ihm Ehren zu Theil wurden, wie nie einem Tondichter zuvor, daß der „Freischütz“ und der „Oberon“ unendlichen Erfolg hatten? - - Heim! heim! war seine Losung, fast sein einziger Gedanke! Kaum gönnte er sich noch Zeit, sein Concert zu geben, das ihm wenig eintrug, er gab die Rückreise nach Paris auf, kürzte seinen Aufenthalt ab: „Gott, Gott, nur erst im Wagen sitzen!“ war sein häufigster Ausruf. – Am 4. Juni Abends schied er von den Freunden, zum Tode krank, mit den Worten: „Wieder einen Tag dem Wiedersehen näher!“ begab sich ohne Hülfe in sein Zimmer, legte sich nieder – und schlief hinüber, wo alle Sehnsucht sich in seliges Wiedersehen in der ewigen Heimath wandelt. – Am 5. Juni fanden ihn die Freunde, nachdem sie spät am Tage sein Zimmer erbrochen hatten, wie ruhig schlummernd todt im Bett.[1] – Seine Leiche wurde in feierlichem Begängniß am 9. Juni 1826 in den Grüften der katholischen Moorfield-Capelle zu London beigesetzt.

Doch es war, als sei die Heimath-Sehnsucht des todten Meisters nicht mit ihm gestorben, als bewegte sie edle Herzen, die ihn ehrten, auch seine Asche dahin zu führen, wohin sein unsterbliches Theil längst zurückgekehrt war.

Deutsche Freunde traten im Jahre 1842 zu dem vermorschenden Sarge in Moorfield, der in den nächsten Jahren mit „an der Reihe war“, aus der Gruft „weggeräumt“ zu werden. Dr. Gumbihler forderte die Deutschen auf, die Asche eines ihrer populärsten Künstler nicht in alle Winde verstreuen zu lassen; Ferdinand Heine, der langjährige Freund Weber’s, aber rief: „Führt seine Asche nach dem Lande seiner Sehnsucht, zu den Seinen, in die Mitte des deutschen Volks zurück!“ Der Aufruf fand Anklang, der würdige alte Buchhändler Arnold legte Subscriptionsbogen aus, der Dresdner Gesangverein „Liedertafel“ gab, von seinem Liedermeister, Richard Wagner, angeregt, ein großes Concert zur Beschaffung von Mitteln für die „Translocation von Weber’s Asche“.

Diese Gesangsgesellschaft behielt fortan das Geschäftliche der Angelegenheit in Händen, sie wählte ein Comité, aus Richard Wagner, Hofrath Schulz, Professor Löwe, Anwalt Flemming, Ferdinand Heine, Tonkünstler Brauer und Banquier Lötze bestehend, das für diesen Zweck thätig sein sollte. Aufrufe an die Bühnen wurden erlassen, Vorstellungen zu geben. Die Bühnen zu Dresden und Berlin folgten dem Aufrufe und lieferten die Gesammterträge von zwei Vorstellungen in die Hände des Comité’s ab. Kein Abzug war von den Erträgnissen gemacht worden, außer dem Honorar, das sich Frau Jenny Lind-Goldschmidt für die Darstellung der Agathe hatte zahlen lassen.

Die so erzielten Summen reichten für den Zweck aus, und im Jahre 1844 begab sich Weber’s ältester Sohn nach London, um bei den die Auslieferung der Leiche und den Transport derselben betreffenden Geschäften, denen auch Weber’s zu London lebender Schüler Julius Benedikt und der preußische General-Consul Hebeler thätige Beihülfe liehen, mitzuwirken.

Inzwischen war nach Semper’s Zeichnung eine Gruft von einfach edler Form auf dem katholischen Kirchhofe zu Dresden erbaut worden. Weber sollte nicht der Erste sein, der sie bewohnte. Das jüngste Mitglied seiner Familie, sein Sohn Alexander, ein zu schönen Hoffnungen berechtigender Maler, schied aus der Fülle des Lebens, kaum zwanzig Jahre alt, um ihm auf dem dunklen Pfade voran zu gehen. Der einfache Leichenzug des Jünglings beschritt am 2. November 1844 denselben Weg, den am 15. December desselben Jahres der unermeßliche Conduct, der die Asche des Meisters zur letzten Ruhe führte, unter Gesang, Musik und Fackelglanz und der Theilnahme von vielen Tausenden durchmaß.

Nachdem dies Ziel erreicht war, der theure Todte in der Heimath schlief, fanden sich noch überschießende Mittel vor. Da tauchte der Gedanke auf, sie als Anfang eines Fonds zu betrachten, der zur Errichtung eines Monuments für C. M. v. Weber zusammen zu bringen sein würde. Das Comité entwickelte nun neue Thätigkeit. Neue Aufrufe zu Concerten und Vorstellungen wurden an die Gesangvereine und Theater, zu Beitragen an das Publicum erlassen. Doch fast ohne alles Resultat. Die Theater, die Hunderttausende mit Weber’s Opern erworben, die Gesangvereine, die seine Lieder und Chöre in allen Theilen der Welt gesungen hatten, ließen Nichts von sich vernehmen, als es einmal ein kleines Opfer zu seiner Ehre zu bringen galt. Kein Hoftheater regte sich, und nur die kleine Nürnberger Bühne, unter des wackern Röder Leitung, steuerte einen Abendertrag, während das Hamburger Stadttheater die erhöhte Stimmung bei festlicher Ausschiffung der von England angekommenen Leiche Weber’s benutzt und eine sehr einträgliche Vorstellung für – Rechnung der Theaterverwaltung gegeben hatte. Im Jahre 1849 trat Meyerbeer als auswärtiges Mitglied mit in das Comité, in welchem zugleich Wagner, nach seiner Flucht von Dresden, durch Reissiger ersetzt worden war, ohne daß jedoch durch diese neuen Kräfte dem Comité auch neue Hülfsquellen zugeführt worden wären.

Ohne die Beiträge einiger Fürsten hätte damals aller weitere Zufluß zu den Mitteln des Comité aufgehört. Vom deutschen Volke, das Weber liebt, vom deutschen Publicum, das sich durch seine Werke ergötzen läßt, sind nicht hundert Thaler an Beiträgen in die Fonds zur Errichtung eines Denkmals für ihn geflossen!

Nichts desto weniger schritt das Comité muthig vorwärts. Schnorr von Carolsfeld wurde, als es sich nun um die Herstellung des Monuments handelte, als große künstlerische Autorität in das Comité gewählt, und mit glücklichem Griffe und unter seinem erleuchteten Rathe wurde Rietschel die Ausführung der Bildsäule übertragen.

Während das herrliche Werk unter den Händen des großen Meisters entstand, nahm der pecuniäre Theil des Unternehmens unangenehme Formen an. Alle Beiträge hatten aufgehört, und ohne die edle Thätigkeit einer berühmten deutschen Frau wäre möglicherweise das Ganze entweder ganz unvollendet geblieben oder doch erst spät zu Stande gekommen.

Frau Bürde-Ney bestimmte den Ertrag eines großen, in Hamburg von ihr gegebenen Concerts für das Denkmal. Das Haus war brechend voll, aber die Rechnungen, welche die Mitwirkenden, der Localbesitzer etc. machten, ganz überaus hoch. Es blieb also nur ein so geringer Reingewinn übrig, daß es dem Takte der trefflichen Künstlerin widerstrebte, ihn zu dem von ihr so hoch gehaltenen Zwecke zu spenden. Sie fügte zu dem Opfer ein neues in Gestalt des vollen Honorars einer Gastdarstellung in Berlin.

Dies gab den Impuls zu neuen Bestrebungen. Die Theater zu Berlin und Dresden veranstalteten festliche Vorstellungen, Dawison, der stets gern sein großes Talent mit in die Wagschale wirft, wenn es der Ehre der Kunst und der Künstler gilt, hielt eine seiner Meistervorlesungen, die Frau von Bock (Schröder-Devrient) sang, ihrem alten Meister und Lehrer zu Ehren, eines ihrer letzten Lieder, und das Collegium der Dresdner Stadtverordneten spendete, mit nicht genug anzuerkennendem würdigem Sinne, die Summe von 1000 Thalern, als Beitrag zu den Kosten der Herstellung des Monuments.

So sah sich das Comité, dessen Vorsitz, nach des Hofrath Schulz Tode, der treffliche Aesthetiker, Professor Hettner, eingenommen hatte, bald im Besitze aller erforderlichen Mittel. Der Guß wurde auf dem Lauchhammer mit gewohnter Meisterschaft vollendet, Schlesien sendete einen seiner reinsten Granite zum Postamente, und so konnte das schöne Werk, nachdem die meisten der Mitglieder des Comité’s (die Herren Heine, Löwe, Flemming, Brauer, Lötze) durch 20 volle Jahre nach dem vorgesetzten Ziele mit wahrhaft rührender Ausdauer gestrebt hatten, am 11. Oct. 1860 enthüllt werden.

Das schöne Standbild (das unsere Abbildung giebt) ist eines der wenigen, die in Deutschland bisher den Helden deutschen Geistesringens gesetzt worden sind, und ehrt in gleicher Weise den Meister, den es darstellt, wie den, der es bildete, und die Männer,

denen es sein Dasein dankt.

  1. Im Sommer dieses Jahres erscheint eine ausführliche Biographie C. M. von Weber’s von dessen Sohne, dem Verfasser obiger Skizze. Dieses Werk, zu dem eine ungemein große Menge ungedruckten und andern Personen völlig unzugänglichen Materials benutzt worden ist, verspricht interessante Mittheilungen über Lebens- und Musikverhältnisse verschiedener Hauptstädte etc. zu bringen. Verknüpft wird damit eine neue Ausgabe von Weber’s hinterlassenen Schriften werden.
    D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_119.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)