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ihre Scansion beschäftigt. Es war während der Periode dieser mehr interessanten und gelehrten als nützlichen Beschäftigung, daß Carl Maria v. Weber, sein drittgeborner Sohn, zu Eutin am 18. Decbr. 1786 das Licht der Welt erblickte. Bei all’ dem rastlosen Treiben Franz Anton’s ging ein schönes Vermögen, der Rest einer großen Familienhabe, zu der früher die Herrschaften Pisamberg und Grumbach gehört hatten, verloren. Seinen drei Söhnen, Edmund, Fritz und Carl Maria, ließ er eine sehr gediegene musikalische Bildung geben. Der Erstere, ein Lieblingsschüler Joseph Haydn’s, war des kleinen Carl Maria erster Lehrer. Franz Anton hatte bei der Geburt seines jüngsten Sohnes, unter dem Eindrucke der Mirakel, die Mozart als Kind that, beschlossen, aus diesem Kleinen das Wunderkind zu ziehen, dessen Heranbildung er bei seinen älteren Söhnen versäumt hatte. Dem schwächlichen Knaben, der von seinem 4. Jahre an mit Musikunterricht geplagt wurde, behagte der Zwang sehr wenig, er war träg, ohne Lust, und die älteren Bruder erklärten ihn daher auch für talentlos; der Plan ward aufgegeben. Des Dranges und Zwanges ledig, entwickelte sich jedoch der Knabe nun, jener Erklärung gleichsam zum Spott, sehr schnell, glühender Eifer trat an die Stelle des Widerwillens gegen die Musik, und als der Vater einst den zehnjährigen Schüler an einer Messe componirend traf, ward der alte Plan emsig wieder aufgenommen und mit Franz Anton’s ganzer Intelligenz und musikalischer Kenntniß, ohne Mittel zu sparen, durchgeführt. Dabei aber wurden, um Abwechselung in den Unterricht zu bringen, besonders aber auch, um nebenbei ein anderes, vielleicht schlummerndes, bedeutendes Talent zu entdecken, fast alle anderen schönen Künste getrieben, und der Knabe malte, radirte, zeichnete und zwar alles mit Geschick, ohne indeß hervorragende Begabung zu zeigen. Franz Anton lebte im Jahre 1796 zu Hildburghausen, wo er den Unterricht seines Sohnes, den er, nachdem seine älteren Söhne fern von ihm angestellt waren, selbst besorgt hatte, dem trefflichen und vielseitigen J. Peter Heuschkel übertrug, der Weber nicht allein gründlichen Unterricht im Pianospiel ertheilte, sondern auch in den Anfangsgründen der Behandlung mehrerer Blasinstrumente unterwies. Dieser Unterricht trug treffliche Früchte in der wirkungsvollen Art, mit der Weber später die Blasinstrumente in seinen Orchesterwerken verwendete. Wohl mehr, um den berühmten Namen unter den Lehrern seines Sohnes aufführen zu können, als weil er wirklichen Nutzen von dem Unterrichte des sechszigjährigen Greises für den zwölfjährigen Knaben hoffte, brachte Franz Anton von Weber im Jahre 1798 Carl Maria zu Michael Haydn nach Salzburg, der dort Fürstlich Esterhazy’scher Concertmeister war. Die Bekanntschaft mit dem berühmten Musiker war das Beste bei dem Unterrichte, der schlaff gegeben und unlustig genommen wurde. In desto straffere Schule kam Carl Maria zu Ende desselben Jahres in München, wo Joh. Nep. Kalcher ihn, der schon brillant, aber als verzogenes Wunderkind, Clavier spielte, diese Kunst von Grund auf neu studiren ließ. „Das Fegefeuer des Kalcher’schen Unterrichts,“ pflegte Weber später oft zu sagen, „ist Ursache, daß ich sauber und correct spiele, der Art seines Lehrens aber verdanke ich, daß ich weiß, worauf es beim Clavierspielen und beim Componiren für’s Clavier ankommt, und vor Allem mein logisches, musikalisches Denken.“ Als Honig an den bittern Kelch der Kalcher’schen Instructionen, Lectionen und Exercitien wurde Weber der Gesangunterricht bei dem sanften und liebenswürdigen Evangelist Wallishauser gestrichen, durch den in Weber’s Seele der Keim des tiefen Gefühls für das gelegt wurde, was in der Menschenstimme Herzbewegendes wohnt. Es war die hohe Ausbildung dieses Gefühls, durch welches Weber’s Gesangspartieen, in Scherz und Ernst, so unmittelbar und mächtig an die Gemüther und Herzen greifen.

Es ist daher nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß derselbe gute Geist, der es wollte, daß der Freischütz die Welt umwandern, die „Aufforderung zum Tanz“, das Concertstück und die große Polonaise eine neue Aera der Claviercomposition heraufführen und „Leier und Schwert“ das deutsche Volk zum Kampfe treiben sollte, daß dieser es war, welcher Weber zu Wallishausen und Kalcher führte.

Unter dem Einflusse des Bewußtseins der neuen Kräfte konnte es nicht fehlen, daß sich Weber’s jugendliches Talent sofort in der Richtung zu bewegen begann, in die es sich unbewußt, als nach seinem Urziel, hingedrängt fühlte. Eine Oper, „die Macht der Liebe und des Weins“, entstand neben einer Symphonie, Sonate und Liedern, und er war im besten Zuge, eine Reihe unreifer dramatischer Werke zu liefern, als Franz Anton’s unruhiger Geist plötzlich in der neuen Erfindung Sennefelder’s, dem Steindruck, ein Mittel erblickte, seinen immer mehr hinsiechenden finanziellen Verhältnissen wieder aufzuhelfen. Er erinnerte sich des Geschickes, mit dem sein Sohn die Radirnadel geführt hatte, und es wurde beschlossen, Sennefelder sofort zu überflügeln. Es würde vielleicht Franz Anton nicht leicht geworden sein, seinen Sohn der neuen, und diesem gar nicht sehr nahe gehenden, Idee zu Liebe von der Kunst abwendig zu machen, wenn nicht ein wunderliches Ereigniß tiefen Eindruck auf Carl Maria’s lebhaften Geist, dem, bei aller Gläubigkeit und Klarheit, doch immer eine Hinneigung zu Aberglauben und Fatalität anhing, gemacht und so des Vaters Pläne unterstützt hätte.

Es brach nämlich im Hause Kalcher’s Feuer aus und zwar unerklärlicher Weise in dessen Musikzimmer. Nach dessen baldiger Dämpfung ergab es sich, daß Nichts dem Feuer zum Opfer geworden war, als ganz allein der Schrank, in dem sich Weber’s Compositionen befanden. Dem Knaben schien dies ein Fingerzeig des Himmels, ein Kunststreben zu verlassen, dessen Producte höhere Mächte so offenbar verfolgten. Er ging daher mit Lebhaftigkeit auf Franz Anton’s Pläne ein, und dieser war doppelt froh, zugleich eine gute Arbeitskraft zu gewinnen und den Sohn einem sonst seinem Wesen so fremden, mystischen Träumen zu entreißen, das ihn zu bemeistern begann.

Freiberg in Sachsen genoß damals durch seine berühmte Bergakademie, an der Abraham Werner, Lampadius und Andere fungirten, den Ruf, daß daselbst vor allen anderen Städten Deutschlands die mechanischen und chemischen Künste blühten, und Franz Anton v. Weber zog daher mit Carl Maria dahin, in der Hoffnung, dort die technischen Mittel für seine Unternehmungen besser als anderwärts zu finden. Es konnte aber nicht fehlen, daß den beiden Künstlerseelen die Beschäftigung mit der damals noch so unvollkommenen, so viel manuelle Fertigkeit und Geduld mit dem Kleinlichen und Aeußerlichen erfordernden Lithographie bald unerträglich fallen mußte, und in der That entstand, nachdem der Eindruck des Münchener Feuer-Omens verblaßt war, statt des projectirten Steindrucker Ateliers eine musikalische Gesellschaft, statt der Nachbildungen alter Bilder aber eine dreiactige Oper „das Waldmädchen“, und statt hinter der Druckerpresse erblicken wir den vierzehnjährigen Carl Maria bald am Dirigentenpulte der damals in Freiberg domicilirenden Ritter von Rainsberg’schen Schauspielertruppe, seine Oper dirigirend, über deren Werth oder Unwerth er mit den alten, contrapunkt- und ehrenfesten Musikern Freibergs, Stadtmusikus Siegert und Cantor Fischer, in einen wahrhaft burlesken Wochenblatt-Streit gerieth, bei dem von beiden Seiten mit pappenen Keulen und hölzernen Schwertern entsetzlich zugeschlagen wurde und Franz Anton die hagebüchenen Repliken seines Sohnes redigirte, die im Munde des kleinen Riesentödters drollig genug, aber nicht gerade erbaulich lassen. Schon damals aber hatte Weber die Volkspartei in Gestalt der Bergakademisten und Gymnasiasten für sich. Nichts destoweniger war der Streit Ursache, daß das Weber’sche Paar, Vater und Sohn, Freiberg verließen. Wir finden sie im Jahre darauf in Salzburg wieder. Carl Maria hat ein weit reiferes dramatisches Werk, die kleine Oper „Peter Schmoll und seine Nachbarn“ vollendet, die ihm ein höchst ehrendes Zeugniß seines Lehrers M. Haydn eintrug, ohne indeß vor dem Publicum irgend welches Glück zu machen. Zum Claviervirtuosen gereift, durchzog Weber mit seinem Vater zwei Jahre lang Deutschland, Concerte gebend und componirend, in wahrhaft aufreibender Unruhe. Wir sehen ihn in Augsburg, Braunschweig, Hamburg, seinem Geburtsorte Eutin und zuletzt im Jahre 1803 in Wien, wo Haydn und Vogler dem an seinem Schöpfertalente Verzagenden und seine Versplitterung Betrauernden wieder Halt gewährten und Muth einflößten. Der Letztere besonders war es, der darauf drang, daß Weber ein ganzes Jahr lang das Selbstproduciren aufgeben und nur dem Studium der Wissenschaft der Musik obliegend leben sollte, damit er nicht Gefahr liefe, den schönen Strom seiner Gaben im Sande der Modecomposition und des Virtuosenthums verlaufen zu lassen.

Seufzend, aber ernsten Willens, unterzog sich der an ein herumschweifendes Leben gewöhnte junge Künstler der harten, aber segensreichen Cur, und ein volles Jahr, vom Mai 1803 bis Mai 1804, saß er, eisernfleißig studirend, zu des gelehrten, aber

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_092.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)