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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Thier-Charaktere.
Nr. 3.     Affen.

Ich habe von meiner frühesten Kindheit an eine sehr große Vorliebe für Affen gehabt, und deßhalb habe ich mich bei meinem vieljährigen Aufenthalte und meinen Reisen in den Tropenländern vielfach mit ihnen beschäftigt und sie beobachtet, sowohl im Urwalde wie in meiner Wohnung. Ob sie Verstand und Vernunft, oder nur Instinct besitzen, will ich nicht untersuchen, sondern einfach erzählen, wie ich sie beobachtet habe und wie sie mich und die mich besuchenden Freunde ergötzten.

Ich war kaum einige Tage in San Jose, der Hauptstadt Costa-Rica’s, als mir ein kleiner schwarzer Affe mit weißem Kopfe und Gesichtchen zum Geschenk gemacht wurde. Der kleine Kerl hatte noch nicht viel gesehen von der Welt, von seiner Heimath, dem schönen Urwalde, denn er war kaum 8 Tage alt, und man hatte ihm die Mutter, die ihn in den Armen trug, erschossen, um ihn zu fangen. Er war furchtsam, verkroch sich, jammerte und machte ein so trübseliges Gesichtchen, als wenn er den ganzen Kummer seiner elternlosen Lage im tiefsten Herzen fühlte. Wie ein Kind hätschelte und pflegte ich ihn, und so dauerte es denn nicht lange, daß er sich nicht mehr fürchtete, zu mir herankam und sich gern auf meinen Schooß legte.

So wie sich sein Körper entwickelte, entwickelte sich auch sein neckischer Geist. Er wurde schon manchmal unartig, untersuchte Alles, zerbrach Kleinigkeiten und stahl, und als er fünf Monate alt war, konnte er vollständig als Repräsentant seiner Race gelten in allen leichtsinnigen und dummen Streichen.

Häufig hatte ich ihn in meiner Wohnstube, deren Thür direct auf die Straße ging, frei umherlaufen. Mir gegenüber wohnte eine Frau, die Eier, Früchte und Kuchen verkaufte. Der Tisch, auf dem diese Sachen lagen, stand in der Stube nahe an der Thür, so daß man von meiner Stube aus alle diese Herrlichkeiten liegen sah. Schon oft hatte er sehnsüchtig hinüber geäugelt und sich auch wohl bis an die Thür gewagt, um das Terrain zu recognosciren; immer aber kam er leer zurück, weil die Frau seitwärts am Tische saß. Eines Tages saß ich in der Thür und las, als er an mir vorbei huschte und wieder über die Straße zu der Thür lief. Vorsichtig stellte er sich an den Thürpfosten, legte die Händchen auf die Schwelle und lugte mit einem Auge in die Stube. Im selben Augenblicke war er auch auf dem Tische, griff mit jedem Händchen ein Ei und war mit einem Sprunge vom Tische auf der Straße. Durch den Sprung fiel er auf die Vorderbeine, und um sich zu stützen, damit er nicht auf die Nase falle, mußte er entweder beide Eier zerbrechen oder eins fallen lassen. Wohlweislich that er das Letztere, und kam mit dem einen Eie angelaufen, so rasch er nur konnte. Die Frau war natürlich nicht bei ihrem Tische.

Die Freude darüber, daß ihm dieser Streich gelungen, die er durch die drolligsten Capriolen kund gab, war unbeschreiblich. Von allen Seiten wurde das Ei berochen, beleckt und umgedreht; er suchte hineinzubeißen, allein das Mäulchen war zu klein. Endlich schlug er es auf den Boden, daß es zerbrach, und leckte es auf. Als er damit fertig war, lief er auf die Straße und leckte auch das zweite Ei auf, aber mit einer Hast und indem er jeden Augenblick nach dem gegenüber liegenden Orte des Diebstahls hinsah, daß es deutlich war, er fühlte eine schwere Schuld auf dem kleinen Gewissen, für die er jeden Augenblick Strafe erwarten konnte. Ich ging nun zu der Frau, die wieder an ihrem Tische saß, bezahlte die Eier und machte sie aufmerksam auf den Dieb; denn ich war sicher, daß er es nicht beim ersten Male bewenden lassen würde. Am nächsten Morgen nahm ich ihn wieder mit in die Stube. Kaum war die Thüre offen, so huschte er wieder über die Straße und lugte auf dieselbe Weise um die Ecke in die Stube, kam aber augenblicklich zurück. Die Frau saß auf ihrem Posten! Nach einer Viertelstunde ging er abermals, und so sechsmal vergeblich. Jetzt gab er es auf und beschäftigte sich bei mir in der Stube, als wenn er Alles vergessen hätte; nach einer Viertelstunde lief er plötzlich wieder hinüber, war mit einem Sprunge auf dem Tische und kam mit zwei Eiern wie das erste Mal zurück. Ich bezahlte wieder die Eier und bezahlte sie noch verschiedene Male, bis es mir zu arg wurde. Als er dann wieder eines Tages hinüber lief, prügelte ich ihn tüchtig durch. Von der Zeit an hatte das Stehlen ein Ende. Wie ein unartiges Kind hatte er die Lehre begriffen.

Eines Morgens fand ich, wie dieses häufig passirte, in meinem Morgenschuh einen Scorpion. Der Stich dieser ekelhaften Thiere ist dort, wo ich wohnte, auf einer Höhe von 5000 Fuß in der Cordillere, nicht tödtlich, sondern verursacht nur Geschwulst, Schmerz und ausnahmsweise Krämpfe. Deshalb durfte ich wohl den Versuch machen, denselben in die Nähe des Affen zu bringen, um zu sehen, ob er wohl die gefährliche Waffe desselben kenne und wie er sich davor hüten würde, wenn er ihn fangen und fressen wollte. Ich nahm ihn mit der Pincette auf und brachte ihn zum Affen hinaus. Er bewegte sich heftig, um sich frei zu machen, und so hielt ich ihn dem Affen hin.

Der Affe besah ihn sich von allen Seiten, streckte zögernd das Pfötchen aus, um ihn zu greifen, zog es aber jedesmal wieder zurück. Es war deutlich, daß er ein großes Verlangen hatte nach dem leckern Bissen, daß er aber auch die Gefahr kannte, die ihm bei einem unvorsichtigen Griffe drohte. Ich setzte nun den Scorpion auf die Erde. So wie er frei war, legte er augenblicklich den Schwanz auf den Rücken, um zum Hauen gerüstet zu sein im Falle eines Angriffs, und fing eiligst an zu laufen. Augenblicklich wurde der Affe ganz lebendig, sprang und lief um denselben herum, streckte das Pfötchen aus um ihn zu greifen, zog es aber jedesmal wieder zurück, weil er den rechten Griff nicht machen konnte. Bei diesem Manöver drohte der Scorpion aus dem Bereiche des Affen zu kommen, weil letzterer angebunden war. Als er dieses merkte, schlug er ihn rasch und mit ungeheurer Behendigkeit vor den Kopf, daß er eine ganze Strecke rückwärts flog. Dieses wiederholte sich wohl eine Viertelstunde lang, bis der Scorpion endlich, wahrscheinlich von den Schlägen betäubt, stillstand, jedoch immer mit dem zum Schlagen bereiten Schwanze. Diesen Augenblick der Ruhe schien der Affe erwartet zu haben, denn im Nu war er hinter ihm, ergriff den Scorpion beim Schwanze so, daß das letzte Glied mit dem Stachel ihm aus der Hand stand, warf ihn sich in’s Maul, biß ab uns warf den Schwanz fort. Alles dieses war das Werk eines Augenblicks, und seine Hast zeigte deutlich, wie sehr er die Gefahr kannte.

Am ersten Tage, als ich ihn bei mir in der Stube frei herumlaufen ließ, saß er vor mir auf dem Tische und untersuchte emsig Alles, was er dort vorfand. Endlich fiel ihm auch ein Schächtelchen mit Streichzündhölzern in die Finger. Es dauerte nicht lange, so hatte er es geöffnet, roch hinein und schüttelte den Inhalt auf den Tisch. Ich nahm nun eins, riß es über den Deckel, daß es sich entzündete, und hielt es ihm hin. Voll Verwunderung riß er die kleinen Aeugelchen auf und sah starr in die helle Flamme. Ich zündete nun ein zweites und drittes an und hielt sie ihm wieder hin. Endlich streckte er zögernd das Pfötchen darnach aus, nahm es, hielt es sich vor das Gesichtchen und schaute verwundert in die Flamme. Plötzlich kam ihm die Flamme an die Fingerchen, und im Nu hatte er es fortgeworfen. Ich machte nun die Schachtel zu und stellte sie vor mir hin. Nach seiner hastigen Manier glaubte ich, daß er sich augenblicklich darüber hermachen würde. Dieses geschah jedoch nicht. Er setzte sich daneben, besah und beroch es von allen Seiten, ohne es anzufassen; dann kam er zu mir, schmiegte sich an mich und ließ seine leise bittenden Töne hören, als wenn er voll Verwunderung sei und fragen wollte: Was ist denn das? Dann ging er wieder zu der Schachtel, drehte sie nach allen Seiten um und versuchte sie zu öffnen. Es dauerte nicht lange, so war ihm dieses gelungen, und ich glaubte nun, er würde hastig hineingreifen. Allein er that es nicht! Er schien ängstlich und unsicher, hüpfte drum herum und kam endlich wieder zu mir mit seinen bittenden Tönen. Ich zündete nun wieder eins auf dem Deckel an, und hielt es ihm hin. Als es ausgebrannt war, nahm er sich eins, riß es über den Deckel, der vor ihm stand, und warf ihn dabei um. Rasch drehte er ihn wieder um, die Streichseite nach oben und fing wieder an zu reißen. Durch Zufall hatte er das Hölzchen verkehrt in der Hand. Ich drehte es ihm um, und augenblicklich fing er wieder an zu reißen, bis es zündete. Jetzt erst schien er zu sich selbst zu kommen. Sein ganzes Wesen zeigte die größte Freude und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_087.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)