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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Die deutsche Expedition nach Mittelafrika und ihre Gegner.

Als vor nunmehr zwei Jahren die „Gartenlaubezuerst und gleichzeitig die Zeitschrift „Aus der Heimath“ die erste Anregung und namentlich die Gartenlaube die bestimmte Aufforderung brachte, zur Erforschung der Schicksale des muthigen Reisenden Eduard Vogel eine Expedition auszurüsten, bewies die rege, lebendige Theilnahme, welche sich überall zu erkennen gab, wie hoch sich das deutsche Bewußtsein gegen früher hin erhoben hatte. Das deutsche Volk zeigte sich seiner würdig. Es nahm mit einem Schritt eine Stellung ein, um welche alle Gutgesinnten die Engländer und Nordamerikaner mit Schmerz hatten beneiden müssen. Eine begeisternde Bewegung ging durch das deutsche Land. Es galt, nach unserem Franklin zu fragen; es galt die hierzu nöthigen Mittel zusammen zu bringen. Der edelsten Fürsten einer trat an die Spitze der Bewegung, und die Gaben flossen reichlich von allen Seiten her.

Das deutsche Volk wollte der Welt beweisen, daß es wohl das Eine zu würdigen weiß, durch welches es herrscht unter den gesitteten und gebildeten Menschen der Erde: – die deutsche Wissenschaft! – jene Wissenschaft, welche selbst unsere eitelsten und ruhmsüchtigsten Nachbarn nicht anzutasten wagen; jene Wissenschaft, welche die Ehre des deutschen Namens aufrecht halten mußte in Zeiten, wo diese Ehre verpfändet, fast vergessen schien. Deshalb rüstete man nicht einfach Boten aus, welche nur hingehen sollten, um nach Vogel zu fragen, sondern wählte eine jenes muthigen Vorkämpfers deutscher Wissenschaft würdige Gesandtschaft. Die Wahl war schwer. Es galt nicht bloß, Leute zu finden, deren Wissen und Wissensdrang mit freudigem Opfermuth sich paart, sondern wissenschaftliche Männer, von denen wenigstens einige auch Erfahrungen mitbrachten, welche durch keine Schätze aufgewogen werden können, – Männer, welche Afrika erprobt, welche die Tücke seines Klima’s und die Tücken seiner Eingebornen kennen gelernt und dadurch Mittel gefunden hatten, diesen beiden gewaltigen und noch hundert anderen Hindernissen zu begegnen. Man konnte keinen Besseren wählen, als Theodor v. Heuglin.

Dieser Reisende und Forscher hatte vorher acht Jahre lang in Afrika gelebt und als österreichischer Consulats-Beamter gerade diejenigen Länder und Völker kennen gelernt, um welche es sich für die Expedition zunächst handelt; er hatte schon hinreichende Proben seiner Befähigung gegeben: kurz, die Wahl mußte als eine durchaus glückliche betrachtet werden. Dies zeigte zunächst die Kreuzzeitung. Sie schleuderte gegen den Erwählten ihre Verdächtigungen und Schmähungen; – Beweis genug, daß ihr der Mann unliebsam war, welcher sich außerdem beliebt gemacht hatte.

Heuglin wählte sich Begleiter, wie sie ihm tauglich schienen. Er traf seine schwierige Wahl aus einer großen Anzahl opferfreudiger Männer, und bis jetzt steht so viel fest, daß seine Auswahl im Ganzen ebenfalls eine glückliche genannt werden muß.

Die deutsche Expedition verließ Europa im Anfange des verflossenen Jahres und ging zunächst nach Aegypten, um sich hier in Alexandrien und Kairo mit den noch nöthigen Reisebedürfnissen zu versehen und vor Allem die Schutz- und Geleitsbriefe zu erhalten, welche zu derartigen Reisen unerläßlich sind. Nur wer aus Erfahrung weiß, wie außerordentlich schwerfällig und zeitraubend alle Unterhandlungen mit Türken und Arabern sind, kann es begreiflich finden, daß die Expedition zu diesem Zweck einige Wochen in Aegypten verweilen mußte. Als man endlich fertig war und die nöthigen Leute angeworben hatte, traten die Reisenden ihren Weg an. Derselbe war ihnen durch den Ausschuß der Expedition in Gotha so genau als möglich vorgezeichnet. Man war überein gekommen, zunächst das rothe Meer als Straße zu benutzen und von Massaua aus nach Westen hin vorzudringen. Die Regenzeit sollte in den Gebirgsländern der Bogos abgewartet werden und zwar aus dem einfachen Grunde, um die Leute nicht gleich im Anfang des Unternehmens dem höllischen Klima des Ostsudahn aufzuopfern. Bei dem länger währenden Aufenthalt in den genannten Gebirgsländern handelte es sich um das Bestehen und Gedeihen des Unternehmens. Nur Heuglin und Munzinger konnten gewissermaßen als Eingebürgerte betrachtet werden; sie hatten die für alle Neulinge in den Tropen unheilschwangere Frühlingszeit bereits mehrmals durchlebt und kannten die Gefahren des Klima’s und die Art und Weise, vor ihnen sich möglichst zu schützen. Die übrigen Mitglieder würden wahrscheinlich nicht einmal Chartum erreicht haben, wenn man ohne Vorbereitung geradenwegs auf das Ziel losgegangen wäre. Gleich bei der Ankunft in Ostafrika erkrankten Einige der Reisegesellschaft, und Dies mahnte in eindringlicher Weise zur Vorsicht. Sie genasen, sobald die Expedition die ungesunden Tiefländer verlassen hatte und nach den reinen Höhen aufbrechen konnte. Die Zeit des Aufenthaltes in den Ländern der Bogos war übrigens keine Zeit des Müßigganges, kaum eine der Erholung; zu wirken und zu schaffen gab es genug: die bereits eingesandten, noch zu erwähnenden Arbeiten geben Zeugniß davon.

Dies ist, in kurzen Worten ausgedrückt, die bisherige Geschichte der Expedition.

Wie es mit allen großartigen Unternehmungen zu gehen pflegt, so auch hier. Heuglin und seine Gefährten sind bereits vielfach angegriffen und verdächtigt worden. Persönliche Feinde des Ersteren haben von Aegypten her gewirkt und andere Feinde in Deutschland treulich geholfen. Man hat Heuglin der allerverschiedensten Dinge beschuldigt und ihm nicht nur Ehrlichkeit und Redlichkeit, sondern auch alle Befähigung zu seinem schwierigen Amte abgesprochen. Als nun vollends die Nachricht einlief, Heuglin beabsichtige, nicht auf geradem Weg nach Wara zu gehen, häuften sich die Angriffe, Schmähungen und Verdächtigungen; selbst unsere Gartenlaube, welche für Alles wacker ankämpft, was deutschen Ruhm befördern kann, lieh ihnen Raum und Stimme. Ich würde zur Entgegnung aller Beschuldigungen der deutschen Expedition niemals eine Feder angesetzt haben, hätte nicht ein Mann seinen Namen in die Wagschale geworfen, auf dessen Forschungen und Leistungen das ganze Deutschland stolz zu sein alle Ursache hat. Dieser Mann ist – vorausgesetzt, daß die erhaltenen, öffentlich umlaufenden Nachrichten der Wahrheit entsprechen, – kein geringerer als Dr. H. Barth, der berühmte Afrikareisende.

Wenn irgend Jemand Hochachtung hat vor Dr. Barth’s Reisen, Arbeiten, Forschungen, Erfolgen, so bin ich es. Um so schwerer wird es mir, ihm hier gegenüber zu treten. Aber hier gilt es der Sache, nicht Personen. Und Dr. Barth wird es mir gewiß verzeihen, wenn ich weder seine Ansicht, noch seine Handlungsweise hinsichtlich der deutschen Expedition gut heißen kann. Ich meine, daß alle Diejenigen, welche für das große Unternehmen Theilnahme zeigen, sich vereinigen und verbinden müßten, um den jetzt in Afrika weilenden Reisenden ihre so schwierige Aufgabe erleichtern, ihnen es möglich machen zu helfen, die Expedition zu Ruhm und Ehre des deutschen Namens zu Ende zu führen. Für Dr. Barth’s Leistungen bin ich mehr noch, als Andere, ein Bewunderer; in dieser Angelegenheit muß ich ihm Gegner sein. Gerade in diesem Falle beanspruche auch ich gehört zu werden; denn auch ich kenne die Länder, um welche es sich handelt; ich selbst habe in ihnen jahrelang gelebt und gearbeitet.

Dr. Barth hat meiner Ueberzeugung nach Unrecht gethan, jetzt schon die deutsche Expedition anzugreifen. Er mußte bedenken, daß seine Worte die von tausend Andern aufwiegen; er mußte die goldene Wahrheit im Auge behalten, daß bei allen derartigen Unternehmungen die Ergebnisse entscheidend sind; er mußte sich erinnern, daß er selbst rücksichtslos angegriffen wurde, als er, unfähig sich zu vertheidigen, in Afrika weilte und wirkte; er mußte endlich erwarten, daß Heuglin ebenso gut Vertheidiger finden würde, wie er sie fand in seinem treuen Freunde Petermann[1]. Wie glänzend hat dann Barth sich selbst gerechtfertigt! Wie verstummten seine Neider und Feinde, als er sein gewaltiges Werk veröffentlichte!

  1. Vergleiche: „A letter addressed to the President and Council of the Royal Geographical Society of London, by A. Petermann.“ das „Athenäum“ von 1850–55, das „Ausland“ Nr. 17 vom Jahre 1854 etc. – Petermann’s Streben und Wirken ist wenig gewürdigt worden. Er hat die Barth’schen Erfolge zu dem gemacht, was sie sind; er hat die Vogel’sche Reise ermöglicht und Barth durch sie Gelegenheit gegeben, von astronomisch bestimmten Gegenden zu sprechen. Einst hat dies Barth (Reisewerk, Vorrede p. IX und XVIII) dankend anerkannt; – im Ganzen ist dem unermüdlich thätigen Beförderer der Wissenschaft wenig gedankt worden. Ich thue es hiermit – hoffentlich zugleich im Namen aller meiner Leser. – Jetzt ist Petermann widerum der für die deutsche Expedition Arbeitende. So lange er mit dem Unternehmen zu thun hat, darf man sich darauf verlassen, daß Alles geschieht, und in der rechten Weise, was möglich ist, um dasselbe zum ruhmreichen Ende zu führen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_072.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)