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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Ballon verwendet zu werden u. s. w. Nehmen wir an, daß jeder Ballon 400 Kubikfuß Wasser verdränge, so trägt jeder eine Last von circa 200 Centner, und vertheilen wir auf ein Schiff von 200 Fuß Länge links und rechts je 20 Kameele, so heben diese 40 Stück eine Last von circa 8000 Centner.

Von dem Moment, wo die Last des Schiffes sammt Ladung, so weit es überspecifisch schwer wurde, von den Hebekameelen übernommen ist, beginnt das Hinter- oder Vordertheil sich vom Grund abzuheben, die Adhäsion ist aufgehoben, und endlich steigt das ganze Schiff sammt den Kameelen langsam gegen die Oberfläche der See empor. Weil aber die Luft in den Kameelen zusammengepreßt eingeschlossen ist, die Wassersäulenschwere aber während des Aussteigens fortwährend abnimmt, so dient die untere Oeffnung in den Ballons zum Abfluß der überflüssigen Masse Luft; – diese steigt nun unbelastet voraus und bildet eine sprudelnde Stelle. Da jedes Kameel Gleiches wirkt, so gelangt das Schiff nach wenigen Minuten an das Niveau, wie Fig. 1 (Mitte) zeigt. Ist das Schiff so weit gehoben, so werden die Reserve-Ballons, je zwei verbunden, unter dem nun hohlliegenden Kiel des Schiffs durchgeführt und aufgepumpt. Dies geht jetzt sehr rasch vor sich, weil kein Druck mehr entgegen steht, und so wird denn nach wenigen Stunden Arbeit das Schiff auch horizontal und hoch über das Niveau gehoben. Hier wird es endlich ausgepumpt und sammt Ladung geborgen, d. h. entweder von einem Dampfer in das Schlepp genommen oder nach Umständen reparirt und unter eigenem Segel an den Bestimmungsort gebracht.

Ein wesentlicher Vortheil dieser Bauer’schen selbstregulirenden Hebekameele ist, daß sie gleich Säcken leicht verpackt in einem Schiff transportirt werden können, daß sie im Gebrauch von Wind und Wellen keinen Schaden nehmen, als leicht handlicher Körper vom Taucher an jede Stelle zu führen sind und sich an die Form jedes zu hebenden Körpers anschmiegen.

Dies dürfte genügen, um auch dem Laien einen klaren Einblick in Bauer’s Hebemanier zu eröffnen.

Unser zweites Bild zeigt die Erfindung in ihrer ersten, gerade wegen der hier zu überwindenden Schwierigkeiten für die Richtigkeit der Lösung der großen Aufgabe glänzend zeugenden Anwendung.

Am 11. März 1861 war auf dem Bodensee, auf der Schweizer Seite, der baierische Postdampfer „Ludwig“ durch den Dampfer „Zürich“ in der Dunkelheit und bei starkem Nebel in den Grund gebohrt worden. Bauer übernahm den Auftrag, das 120 Fuß lange Schiff aus einer Tiefe von 65 Fuß zu heben, und zwar unter für ihn sehr ungünstigen Bedingungen. Er hatte nämlich vergeblich gehofft, daß der baierische Staat sich seiner Erfindung annehme, daß er ihm die Mittel zur Herstellung des Apparats biete. Wie warm im baierischen Landtage auch der Abgeordnete Dr. Krumbach dafür gesprochen, wie angelegentlich die Akademie der Wissenschaften in München[1] die Erfindung empfohlen, – es fehlten die Fonds für sie. Die ganze Summe, welche Herrn Bauer, gegen Hinterlegung einer Caution von 1000 Gulden, für die Hebung des Schiffs geboten war, reichte jedoch nicht einmal hin zur Herstellung der Hebekameele, geschweige zur Erbauung seiner Taucherkammer. Statt dieser mußte er den Helmtaucher anwenden, der ihn von Wind und Wetter abhängig machte. An die Stelle seiner Ballons setzte er große Fässer. Diese mußten mit Wasser gefüllt in die Tiefe gezogen und an das Schiff befestigt werden. Um 2500 Centner Tragkraft zu gewinnen, bedurfte es natürlich vieler Fässer, und von den vielen herbeigeschafften zeigten sich nur wenige, trotz der mächtigen Beschläge von Eisen, stark genug für seinen Zweck. Endlich stand ihm, nachdem die nöthige Zahl von Fässern durch die Taucher an das Schiff befestigt war, nicht eine Luftpumpe zu Gebote, sondern mit gewöhnlichen Feuerlöschschlauchspritzen mußte er das Wasser aus den Fässern in der Tiefe heraustreiben, um so mühevoll und mit großem Zeitverlust die einfache Hebekraft zu gewinnen, welche mit seinem Apparate so leicht und rasch herzustellen gewesen wäre.

Die erste Arbeit Bauer’s bestand in der Einübung von Tauchern, für die er einen besondern Anzug erfunden hat, sowie in der Untersuchung des Schiffs. Von acht Tauchern stellten sich, nach langem, mühevollem Unterrichten und Prüfen, nur drei als tauglich und später als sehr tüchtig heraus. – Zur ersten Untersuchung des gesunkenen Schiffes folgen uns unsere Leser einen Augenblick in das nasse Grab so vieler Unglücklichen. In unheimlicher Dämmerung lag das Schiff mit gebrochenem Schlot und mit dem Hintertheil tief eingesunken. Auf dem Verdeck stand ruhig die Ladung, angebundene Thiere, Pferde und Ochsen, schwammen auf dem Schiff und an den Seiten desselben; endlich drang man zu den Cajütenfenstern hinan; ein Blick hinein erfüllte Alle mit Grauen. Da lagen die Armen, die ein schrecklicher Augenblick vom Leben getrennt, auf dem Boden umher, Männer und Frauen, starr und unbewegt, wie in einem großen geschlossenen Sarge. Als aber die Taucher zur andern Seite des Schiffs kamen, erschütterte sie ein entsetzlicher Anblick: ein Frauenantlitz sah mit weitoffenen Augen zum aufgerissenen Cajütensenster heraus, wie noch jetzt nach Hülfe flehend; so war die Unglückliche im Tode erstarrt. – Wie viel solcher Bilder mag das Meer verhüllen, und was werden unsere Taucher noch in der Tiefe entdecken!

Trotz all der kläglichen Aushülfsmittel für seinen Apparat ging Bauer mit seinen Tauchern rüstig an die Arbeit, und bald gelang es ihm, mit 27 Fässern das Schiff aus dem Lehmgrund, in den es tief eingesunken war, heraus zu fördern, die Adhäsion vollständig zu brechen, mit weiteren 10 Fässern hob er das Hintertheil 5 Fuß vom Grunde empor, und am 29. Mai (1861) stand das Schiff bereits so hoch, daß fünf große Tragfässer auf dem Niveau schwammen und der gehobene Dampfer in allen Theilen sichtbar war. Da kam, statt des erwarteten und verheißenen Schleppdampfers, der den so nahe an der Oberfläche schwebenden „Ludwig“ in einen sichern Hafen führen sollte – ein furchtbares Gewitter mit hochbewegter See, die Wellen schlugen die tragenden Fässer an einander, zertrümmerten sie, und der „Ludwig“ sank nach denselben Gesetzen, die ihn gehoben hatten, wieder in die alte Tiefe hinab. Noch zweimal, am 7. und 23. Juni, erfolgte die Hebung, und auch diese beiden Male mißglückte die Bergung des gehobenen Schiffs durch die Verwahrlosung der Schleppfahrzeuge. – Wir bekräftigen dies durch folgendes von dreißig der angesehensten Männer aus den Hunderten von Zuschauern des Hebeactes unterschriebene Zeugniß:

„Dem Wunsche des Herrn Submarine-Ingenieur Wilh. Bauer entsprechend, bestätigen die Unterzeichneten wahrheitsgemäß, daß sie Augenzeugen waren, als Herr W. Bauer aus München das in Folge Zusammenstoßes auf dem Bodensee mit dem Dampfboet „Zürich“ in die Tiefe von 65 Fuß gesunkene Postdampfschiff „Ludwig“ mittelst Fässern, welche an dem gesunkenen Schiffskörper durch Taucher direct befestiget und mittelst Feuerspritzen (an Stelle von Luftpumpen) vom Niveau aus mit Luft gefüllt werden, am 7. Juni 1861 in horizontale Lage bis nahe an die Oberfläche des Wassers hob, sodaß circa 12 Fässer an der Oberfläche des Sees schwammen und die Ladung des Schiffes, sowie einzelne Theile des Schiffskörpers gesehen und behandelt werden konnten.

Sie bestätigen ferner, daß der „Ludwig“ mit den an dem Schiffskörper befestigten circa 50 Tragfässern durch das Dampfschiff „Stadt Lindau“ von der Hebungsstelle circa 800 Schritte gegen das Land bugsirt wurde, somit die Hebung und Transportabilität in anschaulichster Weise sich praktisch bewährte, und nehmen deshalb keinen Anstand zu bezeugen, daß Herr Bauer eine Hebemanier durchführte, welche keinen Zweifel darüber läßt, daß Schiffe jeder Größe ohne Schadennahme durch diesen Hebeproceß sammt Ladung gehoben und geborgen werden können.

Rorschach, 22. August 1861.

(Folgen die Unterschriften.)

Die Echtheit der vorstehenden Unterschriften beurkundet Rorschach, den 30. August 1861.

Der Bezirksamtmann Boppart.“

So steht es in diesem Augenblick noch um diese deutsche Erfindung. Sie muß sich von braven Schweizerbürgern gegen einen deutschen Dampfschifffahrts-Verwaltungsrath bezeugen lassen, daß sie der höchsten Beachtung werth ist. Soll sie wirklich erst in fremde, in die Hände des Auslandes übergehen, um von dorther, z. B. als etwas Englisches und nur darum Gutes, nach Deutschland zurückzukehren? Ist es nothwendig, unsere Landsleute erst an König und Bauer und das Schicksal ihrer Erfindung der Schnellpresse zu erinnern, um ihnen mehr Gerechtigkeit gegen deutsche Erfinder einzuflößen? –

  1. Das Gutachten der Akademie, sowie mehrere andere, namentlich vom Wiener Ingenieurvereine, über die vorliegende Erfindung, sammt Bauer’s englischem Patente können denjenigen, welche für die Sache wirken wollen, in Redaction der Gartenl. vorgelegt oder sollen später, im Fall es für zweckmäßig erachtet wird, durch den Druck veröffentlicht werden.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_059.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)