Seite:Die Gartenlaube (1862) 012.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

namentlich dadurch erwarb, daß er ihm von den europäischen Fürsten erzählte. Durch sein Erzählertalent gewann er sich sogar allmählich die Zuneigung des Volkes, das eine sehr lebhafte Phantasie besitzt und eine merkwürdige Vorliebe für Märchen und allerlei Wundergeschichten hat, deren sie selbst eine große Menge erfunden haben. Der Jude hatte nun in seiner Jugend „Tausend und eine Nacht“ gelesen und Einiges davon gemerkt. Großes Glück machte er namentlich mit der Erzählung von „Aladdin’s Wunderlampe“ und der Geschichte der „vierzig Diebe“. Der Häuptling ließ ihm ein Haus bauen, gab ihm Felder und Weiber und machte ihn zu einem seiner geheimen und vertrauten Räthe.

Die Frauen von Fidschi sind von mittlerer Größe und vortrefflich gewachsen, wenn auch nicht so graciös und so schön wie die von Taïti. Als junge Mädchen gehen sie ganz nackt; später legen sie einen schmalen Gürtel von Cocosnußfasern um die Hüften. Unter den Bewohnern der Inseln, die sich noch nicht zum Christenthume haben bekehren lassen, herrscht die Vielweiberei, und manche Häuptlinge haben eine sehr große Anzahl Frauen. Nur die Armen begnügen sich mit einer. Ihr Loos scheint indeß kein sehr drückendes zu sein, da sie sehr heiter sind und viel lachen. Freilich bestand noch 1856 an manchen Orten die Sitte, alle Frauen am Grabe des Mannes zu tödten.

Als die oben erwähnten englischen Commissarien bei dem zweiten Häuptlinge ankamen, mit dem sie unterhandeln sollten, bei dem bereits genannten Kuruduadua, wurden sie zu einem großen Nationalfeste eingeladen, das eben gefeiert werden sollte. Der älteste Sohn des Häuptlings war mannbar geworden und er sollte, dem Herkommen gemäß, zum ersten Male mit der Maro, dem schmalen Schurz um die Lenden, bekleidet werden. Zu dieser Ceremonie gehörten sonst grauenhafte Einzelnheiten. Man erschlug namentlich eine große Anzahl Schuldiger und Gefangener, die für diese Gelegenheit aufgespart worden waren, schichtete alle diese Leichen auf einen Haufen und legte oben darauf einen lebenden Sclaven. Der Jüngling, der unter die Zahl der Männer aufgenommen werden sollte, trennte sich dann von seinen Jugendgenossen, stieg auf diesen Leichenhaufen hinauf, stellte sich oben auf die Brust des noch lebenden Sclaven und schwang da eine Keule, während die Priester den Schutz der Götter für ihn anriefen und beteten, sie möchten ihn aus allen seinen Kämpfen siegreich hervorgehen lassen. Alles dies geschah unter dem Jubel der zahlreich Versammelten. Dann stiegen Brüder des Vaters zu dem Jünglinge hinauf, denn ihnen lag es ob, den Neffen mit dem Gürtel zu bekleiden, der aus schneeweißem Stoffe von etwa 6–8 Zoll Breite, aber vielleicht 200 Ellen Länge bestand.

Einer solchen Feierlichkeit sollten der englische Consul, Smythe und Seemann beiwohnen. Fünfhundert Unglückliche, die man zu dieser Metzelei bestimmt hatte, erwarteten mit Entsetzen ihr Schicksal, als die Europäer erschienen und den Häuptling ersuchten, ihnen das Amt zu übertragen, den Jüngling zu bekleiden. Kuruduadua schwankte, wie es schien, und zog sich dann zurück, um sich mit seinem Volke zu berathen. Als dies geschehen war, bewilligte er das Ansuchen, und nun traten die Engländer zu dem „Prinzen“, der völlig nackt, die Keule in der Hand, unter den Genossen stand, und umwickelten ihn mit dreißig Ellen weißen Kattuns, während die Priester und das Volk für ihn zu den Göttern beteten. Dann redete der Consul den jungen Mann an und forderte ihn auf, seinen Ruhm hinfort auf dem Wege der Civilisation zu suchen und ein Vorbild für sein Volk zu werden.

Damit und mit Nationalgesängen endigte die Scene, die, wie sich von selbst versteht, zwischen den Engländern und dem alten Häuptlinge im Voraus verabredet worden war und insofern von großer Wichtigkeit ist, als sie das Ende einer der blutigsten und grausamsten Gewohnheiten bezeichnet und fünfhundert Menschen das Leben erhielt. Das Volk nahm sie ziemlich gut auf, ja wurde dadurch gerührt. Der alte Kuruduadua selbst vergoß Thränen, als er erzählte, wie viel Blut geflossen sei, als man ihm den männlichen Gürtel umgelegt.

Zur Berathung über die Abtretung der Inseln an Großbritannien waren die mächtigsten Häuptlinge und reichsten Grundbesitzer zusammengekommen, und zwar bei hellem Tag auf einem freien Platze im Schatten von Palmen und Orangen. Bei Beginn der Berathung setzten sich Alle, die Frauen und Kinder aber zogen sich ehrerbietig zurück. Ein gar seltsames Schauspiel gewährte diese Versammlung nackter Männer, deren Gesicht alle Schattirungen von Schwarz bis Rothgelb zeigte und in den mannigfaltigsten Mustern tätowirt war, wie der ganze Körper, den nur der schmale Lendenschurz bedeckte, während die Arme und den Hals Schnüre von Muscheln, Schwein- und Menschenzähnen schmückten, das Haar aber in der wunderlichsten, wohl auch zierlichsten Weise aufgebaut war. Kuruduadua saß etwas erhöht neben seinen Brüdern und Räthen, unter denen sich Danford, jener Jude, befand. Einen besonderen Platz erhielten die Fremden, die erzählen, daß diese „Wilden“ sehr tüchtige Redner sind und niemals unparlamentarisch sich benehmen. Jeder sprach nur, wenn ihm das Wort gegeben war, dann aber mit Ruhe, laut, schmucklos, zur Sache und mit entsprechenden Gesten, während alle Anderen ruhig zuhörten und nur in Pausen ihren Beifall zu erkennen gaben.

Die feierliche Versammlung endigte mit einem Festmahle, und die Frauen wurden zur Rückkehr eingeladen. Da erschien zunächst eine Reihe von einhundert und sechszig Jungfrauen, deren ganze Bekleidung in einem schmalen bunten Gürtel, gelb, weiß oder roth, bestand. Jede trug ein Körbchen mit gebratenen Taros. Ehe sie vor die versammelten Männer kamen, stellten sie sich in Gruppen zusammen, je nach den Farben ihrer Gürtel. So übergaben sie die Körbchen jungen Männern, welche Alles auf einen Haufen schütteten. In der Ordnung, wie sie gekommen, entfernten sich die Mädchen wieder, die jungen Männer aber holten sieben gebratene Schweine herbei, die sie auf die Taros legten. Dann ging es an die Vertheilung dieser Speisen, und das Festmahl begann. Es war das erste, bei dem kein Menschenfleisch genossen wurde, das hinfort überhaupt, wie man versprochen hat, nicht mehr gegessen werden soll. Ob man das Versprechen halten wird, steht dahin, indeß dürfte die Rückkehr zu dieser Rohheit schwer sein, da die Missionäre, geschützt durch die Regierung Großbritanniens, sie nicht dulden und auch die Insulaner allmählich zu der Ueberzeugung kommen, daß die schrecklichen Hautkrankheiten, die unter ihnen wüthen, hauptsächlich von dem Genusse des Menschenfleisches herrühren.

Die Zahl der Bewohner des Fidschi-Archipels schätzt man auf 150,000, und alle Reisende, die ihn besuchten, rühmen die herrlichen Wälder und das Klima der Inseln, da die Hitze durch die Berge, die sie schmücken, und durch die Seeluft gemildert wird. Sonst waren sie außerordentlich reich an Sandelholz, das ein sehr gewinnreicher Handelsartikel hätte werden können, aber die kostbaren Wälder sind durch Schiffe aus China und Australien arg geplündert und so verwüstet worden, daß sie auf lange Zeit für erschöpft gelten. Der Boden ist überall üppig fruchtbar und meist auch bereits gut bebaut. Er trägt namentlich Cocos- und Sagopalmen. Daß Baumwolle mit Vortheil gebaut werden kann, haben wir bereits angeführt, und England wird sicher nicht verfehlen, seine neue Colonie nach allen Seiten hin auszubeuten.

D.     




Reisen und Reisende in der Schweiz.

Von E. Kossak.
Der gemeine Meilen- oder Stundenfresser – Das Mitglied des Alpenclubs – Der falsche Clubbist – Die Inseparables – Der Sonntagsfußgänger – Der deutsche Professor – Der reitende Tourist – Der „Gorilla“ der touristischen Menschheit – Der deutsche Reisende.

Die Luft ist rein und von milder Wärme, in einer Höhe von 7000 Fuß beginnen die Blumen und Gräser aus der dünnen Erdkrume zu sprießen, weiterhin, wo sich Felsen von 9000 Fuß Höhe und darüber trotzig aus einem wildverworrenen Schrattenselde erheben, schmelzen an der Abdachung nach dem Gletscher hin die letzten Schneeflecken und bilden allerlei kleine Rinnsale, die in wilder Eile, aber lautlos zu Thale stürzen. Dort, wo die Arvenwaldung beginnt und eine grüne Schlucht sich öffnet, steht eine Sennhütte, aber weder der Senn, noch sein Vieh sind sichtbar, und nur der blaue kerzengerade aufsteigende Rauch verkündet, daß der Bewohner

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_012.jpg&oldid=- (Version vom 29.4.2020)