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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

muß zugegeben werden, daß mäßige Bettwärme, in welcher der ruhende Körper weder der Erhitzung, noch der weit schädlichern Erkältung ausgesetzt ist, ein angenehmes Dunkel, nicht aber absolute Finsterniß, ein hinreichend geräumiges und luftiges Zimmer, welches von den Ausdünstungen nicht so leicht verunreinigt werden kann, zu einem gedeihlichen Schlafe wesentlich beitragen, und daß zu weiche und zu warme Betten und völlige Finsterniß des Zimmers zur übermäßigen Verlängerung des Schlafes sehr leicht Veranlassung geben.

Bock.




Kleine amerikanische Sittenbilder.

1. Auch ein Spiritualist.

Es war zu der Zeit, als die Geisterklopferei in New-York ihre glänzendsten Blüthen trieb, als Mrs. Hatch, das berühmte Medium, mit ihren 17 Jahren, ihren durchsichtigen Zügen und blonden Locken selbst Männern der Wissenschaft den Kopf verdrehte, da hatte mich nach Dunkelwerden ein ausbrechendes Gewitter in eines der Trinklocale der Westseite getrieben. Um mich her saßen völlig unbekannte Gesichter, welche die gleiche Ursache hier zusammengewürfelt zu haben schien, und nur hier und da fiel eine Bemerkung über den immer fortströmenden Regen.

„Schlimmes Wetter für die große Versammlung der Spiritualisten,“ wurde endlich die Stimme eines jungen Mannes laut, der behaglich seinen kalten Grog schlürfte, „hätten übrigens durch ihre Geister erfahren können, wie es kommen würde!“

Einzelnes kurzes Lachen antwortete der Bemerkung und schien einen ältlichen Herrn mit kräftigen, markirten Zügen, welcher unmuthig den Blick nach der Straße gewandt hielt, zu reizen. „Man sollte seinen Witz nicht an Dingen auslassen, die man nicht kennt, junger Mann!“ sagte er, ernst den Kopf nach dem Erstern wendend.

„Ich halte nun aber den ganzen Humbug keiner größern Beachtung werth,“ erwiderte Jener, nachlässig seinem Glase zusprechend, „und ich denke, Sir, daß ich eben so gut meine Meinung haben darf, als Sie vielleicht die entgegengesetzte!“

Aus den Augen des alten Herrn schoß ein zorniger Strahl; in der nächsten Secunde aber zuckte nur noch ein verächtliches Lächeln um seine Lippen. „Das ist unsere heutige Jugend,“ versetzte er, „stets mit dem Munde voran, ohne nur das Geringste von einer Sache zu kennen!“

„Well, Sir,“ fuhr der Jüngere auf, „was soll ich von Ihrem Hokuspokus kennen lernen? Was mir Ihre Medien vorsprechen oder zu hören geben, und was der erste beste Taschenspieler vielleicht noch besser zu Stande brächte? Ich will Ihnen sagen, daß ich nicht eher an irgend eine dieser Faseleien glaube, ehe nicht meinen Augen an irgend einem mir beliebigen Orte einer dieser so bereitwilligen Geister vorgeführt wird, so daß ich ihn fühlen und mich mit ihm unterhalten kann.“

„Und was berechtigt Sie, wo von Geistern die Rede ist, derartige Forderungen aufzustellen?“ erwiderte der Andere, den Kopf hebend und mit einem seltsam durchdringenden Blicke den Zweifler ansehend.

„Ich fordere es ja nicht!“ erwiderte Jener mit einem sarkastischen Lächeln, „ich sage mir mir, daß, wenn Geister so materieller Natur sind, daß sie durch Klopfen, Bewegen von Gegenständen und dergleichen ihre Anwesenheit kund thun können, sie wohl auch im Stande sein müssen, sich unserm feinsten Sinne, dem Auge, bemerkbar zu machen.“

„Und Sie glauben wirklich soviel Muth zu haben, um einem Ihrer verstorbenen Lieben Auge in Auge entgegenzutreten?“ fragte der Aeltere mit einem so scharfen, eigenthümlichen Tone in der Stimme, daß es mich bei der Vorstellung von der Verwirklichung des Ausgesprochenen eiskalt überlief. Unter der übrigen Gesellschaft hatte das sich entwickelnde Gespräch, welches eine damals brennende Tagesfrage berührte, eine fast athemlose Aufmerksamkeit hervorgerufen, und selbst der Verkäufer hinter dem Schenktische stand mit gespitzten Ohren herübergebogen.

„Muth?“ lächelte der Andere in seiner frühern Weise. „Muth genug! Mir fehlt aber das Nöthigste zu dergleichen Dingen – der Glaube, Sir!“

„Gut, Sir!“ erwiderte der Alte, sich mit finster zusammengezogenen Brauen und einem wahrhaft gebieterischen Ernste erhebend, „Sie sollen glauben lernen, und um jedem Verdachte einer Charlatanerie von vorn herein zu begegnen, lege ich hier hundert Dollars ein, die ich verlieren will, wenn ich Ihnen nicht, sobald Sie es nur verlangen, den Geist irgend eines Ihrer abgeschiedenen Freunde vorführe, ohne Rücksicht darauf, wie lange er todt sein mag, worauf Sie, nachdem Sie ihn erkannt, ihm erlauben werden, seine Kippen gegen die Ihrigen zu drücken!“ Er hatte, während er dies langsam und jedes Wort betonend sprach, seine Geldtasche gezogen und eine Hundertdollars-Note auf den Tisch gelegt. „Machen Sie jetzt Ihren Gegen-Einsatz, Sir!“ fuhr er in voller Bestimmtheit fort, „und ich will Ihr Geld nicht eher beanspruchen, als bis Sie sich selbst für völlig überzeugt und überwunden erklären!“

Der junge Mann warf nur einen halben Blick auf die Banknote. „Nun ja,“ lachte er auf, „Sie konnten jedenfalls voraussetzen, daß ein junger Advocat nicht mit Hundertdollars-Noten in der Tasche Abends zum Trinken geht – ich wünschte wohl, Ihren Einsatz annehmen zu können, indessen werden wir unter diesen Umständen Ihrer interessanten Lection entsagen müssen!“

„Ich bin bereit gewesen, Sie zu überzeugen,“ erwiderte der Alte mit einem Zuge voll ausgeprägter Verachtung, „und so lassen Sie in Zukunft wenigstens den beleidigenden Witz aus Ihren Besprechungen.“ Er wollte wieder nach seiner Banknote greifen, als einer der Beisitzenden sich mit einem „Halt, Sir!“ erhob. „Ich bin bereit, einen Theil des Einsatzes für den jungen Gentleman auf mich zu nehmen, wenn von anderen Seiten –“ sagte er; er bedurfte aber der Vollendung des Satzes nicht. Als habe sich in seinen Worten nur ein Gedanke der übrigen Anwesenden ausgesprochen, war in der nächsten Minute der Betrag zusammmengebracht und dem jungen Manne übergeben. „Verwahren Sie selbst das Geld, bis Sie Ihrer Ueberzeugung sicher sind,“ rief der Aufforderer mit einem finstern Lächeln, als Jener ihm die Banknoten darbot; dann übergab er seine eigene Banknote mit den Worten: „Halten Sie dies in Besitz, bis ich es unter Zustimmung der übrigen Gentlemen wieder zurückfordere!“ dem Verkäufer und wandte sich an seinen Gegner zurück. „Ich bin bereit, Sir,“ sagte er mit einer Art starrem Ernste, „und erwarte nur Ihre Bestimmungen!“

Der Mann schien sich so jedes Vortheils zu begeben, und sein Wesen zeigte eine so eigemhümliche Hoheit und Sicherheit, daß wir Uebrigen in vollster Spannung die weiteren Ereignisse erwarteten. Den jungen Advocaten schien aber selbst jetzt noch der Geist des Unglaubens nicht verlassen zu haben. „Sie haben nicht vergessen, Sir,“ sagte er mit einem leichten Spott in den Mundwinkeln, „daß ich selbst zu entscheiden habe, ob ich überführt sein werde oder nicht?“ und als ihm ein langsames Kopfneigen des Andern geantwortet, erhob er sich rasch, als belustige ihn schon im Voraus das zu erwartende Fiasco. „Hier im offenen Locale läßt sich keinenfalls etwas vornehmen,“ wandte er sich nach dem Verkäufer, „haben Sie nicht nebenan ein anderes Zimmer?“

„Es sind hier noch zwei, die augenblicklich ohne Gäste sind!“ erwiderte der Befragte, eifrig eine Thür öffnend und in dem sich zeigenden Raume eine Gasflamme entzündend. Ein zweites kleineres Zimmer, das dem dort befindlichen Schreibpulte nach zu Comptoirzwecken benutzt zu werden schien, that sich daneben auf, und als wir dieses durchwandert, schien der junge Mann, nach einem aufmerksam prüfenden Blicke ringsum, zufrieden gestellt. Er verschloß die Thür nach dem vordern Locale und wandte sich dann mit einem sarkastischen: „Well, Sir, wir sind bereit!“ nach dem Alten. Dieser stellte bedächtig einen kleinen Tisch in die Mitte des hintern Zimmers, nahm Tintefaß und Feder vom Schreibepulte und legte Beides nebst einem aus seinem Notizbuche gerissenen Papierblatte darauf nieder.

„Ich werde mitten unter diesen Herren im andern Zimmer bleiben und fordere von Ihnen nichts als die Ehrlichkeit, welche zur Gewinnung einer jeden Ueberzeugung nothwendig ist,“ sagte er feierlich. „Haben Sie nun wirklich den Muth, hier im dunkeln Raume das Entgegentreten eines abgeschiedenen Geistes zu erwarten,


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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 825. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_825.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2022)