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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Theodor Körner’s Tod und Todesstätte.

In jedem Völkermorgenroth
Erglänzt sein Stern den Nationen.

Das ist die wahre Unsterblichkeit des Volkshelden. Ein solcher war auch Theodor Körner, der Jüngling, welcher – obwohl er weder Heere befehligt, noch Schlachten gewonnen – doch Tausende in den Kampf und zum Siege geführt hat. Wir legen heute einen Kranz der Erinnerung auf das Fleckchen Erde, wo er fiel.

Denkmal Theodor Körner’s bei Rosenberg, an der Stelle, wo er gefallen.

Ueber die Vorgänge, welche den Tod dieser Zierde der Lützow’schen Schaar herbeiführten, herrschte vom Anfang an selbst in den Berichten der Augenzeugen viel Widersprechendes. Erst durch die gründliche Forschung, welche Friedrich Brasch dem Gegenstande widmete und deren Ergebnisse er in einer besondern Schrift veröffentlichte, ist eine klare Darstellung des ganzen Verlaufs möglich geworden. Wir müssen jedoch einige Schritte in der Geschichte des Lützow’schen Corps selbst zurückgehen, um unserm Dichterhelden auf seinem letzten Ritte zu folgen.

Nach dem Abschluß des Waffenstillstandes von Pleißwitz (am 4. Junius 1813) führte bekanntlich der würtembergische General Graf v. Normann-Ehrenfels – der Name lebt für immer gebrandmarkt in der Geschichte fort – bei Kitzen unweit Leipzig den Racheplan des französischen Kaisers zur Vernichtung der Lützow’schen Reiterschaar aus. Dem Mann von deutschem Adel gelang im Dienste der gemeinsten Hinterlist und des schändlichsten Verraths ein für immer entehrender Sieg; die tapfere Schaar, die, auf den Waffenstillstand und die friedlichen Versicherungen des französischen Befehlshabers bauend, die Klingen in der Scheide, auf dem geraden Wege zu ihrem Hauptcorps begriffen war, wurde fast aufgerieben. Körner erhielt bei diesem Ueberfall als Lützow’s Adjutant und Parlamentär die erste Wunde, indem der Officier an der Spitze der Hauptcolonne der Gegner dem deutschen Parlamentär, statt der Antwort auf die Frage über die Bedeutung der feindlichen Bewegung, einen Hieb über den Kopf versetzte. Der schwer Verwundete fand erst in Leipzig, dann in Karlsbad und Berlin Heilung und Genesung. Während dieser Zeit hatte Lützow frische Kräfte an sich gezogen; so fand Körner seine schwarzen Reiter am rechten Elbufer oberhalb Hamburg wieder und ward wie ein aus der Unterwelt Zurückgekehrter von ihnen begrüßt.

Mit dem gesammten Lützow’schen Corps war indeß eine große Wandelung in seiner äußern Stellung vorgegangen. Der König von Preußen hatte während des Waffenstillstandes die Selbstständigkeit des Corps aufgehoben und es der unter dem Kronprinzen von Schweden stehenden Nordarmee zugetheilt, und zwar dem äußersten Flügel derselben unter Wallmoden. Dieser General stand dem auf Hamburg basirten Davoust gegenüber und wies das Corps schließlich dem Befehle Tettenborn’s zu, der es mit seinen 1350 Kosaken zu einem „Freikörper“ vereinigte. Als nach dem Ablaufe des Waffenstillstandes Davoust über Wittenberg nach Schwerin vorzudringen suchte, hielt sich Wallmoden ihm rechts zur Seite, bis der Kronprinz von Schweden ihm zur Verstärkung seiner rechten Flanke seine Stellung in Brandenburg an der Havel anwies. In Mecklenburg blieb gegen Davoust nur die Abtheilung Tettenborn und die Division Vegesak mit den Lützowern. Um dem Feinde diese Schwäche an Streitkraft zu verbergen, sollte derselbe durch alle mögliche Beunruhigung irre gemacht werden. Das war die Aufgabe Lützow’s, und sie veranlaßte seine Schaar zu den verschiedenartigsten und kühnsten Streifereien und führte das „lustige Reiterleben“ herbei, das Körner so herrlich besungen hat.

Zu einem solchen Streifzug gab eine Meldung des Oberjägers Natus Veranlassung. Nach derselben sollte sich eine starke Abtheilung Franzosen an der von Gadebusch nach Schwerin führenden Straße befinden, ein Theil derselben das Dorf Rosenow, ein anderer den Eulenkrug besetzt halten, ein kleinerer Trupp sich zwischen beiden umhertreiben. Um diesem Völkchen einen Besuch zu machen, brach der Major am 26. August Morgens 3 Uhr von Gottesgabe auf, sich der Gadebuscher Straße nähernd. Die Poststraße von Gadebusch nach Schwerin führte über Rosenow und Rosenberg und hatte zwischen diesen beiden letztern eine halbe Stunde von einander entfernten Orten auf der größern Hälfte freies Ackerfeld; näher nach Rosenberg hin jedoch befand sich auf der rechten Seite der Straße ein Tannenwald, an dessen Nordende die Straße entlang führte, und welcher noch jetzt durch die Größe und Schönheit seiner Bäume von dem spätern Anwuchs auf der rechten und linken nördlichen Seite deutlich zu unterscheiden ist. Letztere war damals freies Feld, nur das Grabenufer trug längs des Weges etwas Birkengebüsch. In jenem Tannenwalde nun hatte sich Lützow mit den Seinen verborgen, um von diesem Verstecke aus zu recognosciren. Hier im Walde war es, wo der Heldenjüngling, dem schon immer „seit der Weihe im Rogauer Gotteshause eine Todesahnung durch’s Herz zuckte,“ dieser Ahnung seinen letzten Ausdruck geben sollte.

„Und bringst Du mir,“ fragte sein Freund Förster, „heute kein neues Leid für unsere Feldcapelle?“

„Das Ding ist nicht fertig zu Papier gebracht,“ antwortete Körner, „aber schon zurecht gelegt; auch etwas Melodie summt mir im Kopfe herum; sobald der Tag graut, will ich’s aufschreiben, dann sollst Du es haben.“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 789. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_789.jpg&oldid=- (Version vom 13.12.2022)