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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Ein Besuch in Pompeji.


Es war im Jahre 1748, als ein Landmann am Fuße des Vesuv beim Graben eines Brunnens auf die Ueberreste eines Hauses und, als der Schutt weggeräumt war, auf ein gemaltes Zimmer stieß und dadurch die erste Spur von Pompeji auffand. Ueber anderthalb Jahrtausende hatte die Erde geborgen gehalten, was einst dem Leben so schnell und entsetzlich geraubt worden war. Da gab sie es wieder von sich oder ließ es sich entreißen, um durch die Denkmäler des Todes und der Zerstörung der Wissenschaft und der Kunst neue Lebensfunken einzuhauchen. Schon früher hatte man bei Gelegenheit des Baues eines königlichen Palastes in Portici Herculanum entdeckt. Damals saß auf dem Throne der beiden Sicilien Carl III., der einzige der italienischen Bourbonen, den die Geschichte unter die Zahl der guten und weisen Fürsten eingeschrieben hat.


In den Straßen von Pompeji.


Er bewies für die neue Entdeckung ganz außerordentliches Interesse und befahl schleunigen Beginn der Ausgrabungen. Im Jahre 1755 war das Amphitheater bereits an’s Tageslicht gefördert, und so dauerten denn, freilich mit sehr wechselndem Geschick und sehr verschiedener Gunst oder Ungunst der jedesmaligen Regierung, die Arbeiten bis auf diesen Tag und haben seit dieser Zeit, also in einem Zeitraume von 113 Jahren, gerade ein Viertel der Stadt den wiß- und schaubegierigen Augen des modernen Geschlechts zu enthüllen vermocht.

Wir glauben unseren Lesern kein anschaulicheres Bild von Vergangenheit und Gegenwart des interessantesten und großartigsten Ueberrestes aus dem Alterthume geben zu können, als wenn wir die Schilderung des Augenzeugen aus jener Zeit der unsrigen vorausschicken. „Mehrere Tage vorher schon“ – so erzählt uns Plinius der Jüngere, der sich am 24. August des Jahres 79 nach Chr. Geb. mit seinem Onkel, dem bekannten Naturforscher, zu Misenä, dem damaligen Ankerplatze der römischen Flotte, befand – „hatten wir die Stöße eines Erdbebens verspürt. Wir waren wenig davon überrascht, weil das eine in Campanien sehr häufige Erscheinung ist. Diesmal jedoch wurden dieselben so heftig, daß sie nicht nur Alles auf das Stärkste erschütterten, sondern zu zerstören drohten. Obgleich es Morgen war, so herrschte doch nur ein außerordentlich schwaches und unzureichendes Licht. Alle Gebäude bebten, und obschon wir auf offenem Platze standen, mußten wir bei der Enge und Dichtheit der Straßen und der damit drohenden Gefahr die Stadt verlassen. Die Menge folgte uns in höchster Bestürzung, und, wie das den von Schrecken befallenen Gemüthern eigen ist, daß jeder fremde Rath ihnen mehr gilt als der eigene, so drängte man sich um uns und folgte uns auf unserm Wege. Als wir eine gute Strecke von den Häusern entfernt waren, standen wir still in der Mitte einer höchst gefährlichen und erschreckenden Scene. Die Wagen, welche wir heraus beordert hatten, rollten dergestalt hin und her, daß wir sie selbst mit Unterlegen von großen Steinen und auf ganz ebener Erde dennoch nicht zum Stillstehen bringen konnten. Die See schien in sich selbst zurückströmen zu wollen und durch das Erdbeben von ihren Ufern vertrieben zu werden. Das Ufer war ganz bedeutend ausgedehnt, und verschiedene Seethiere blieben auf der trockenen Erde liegen. Auf der andern Seite des Golfes erhob sich eine schreckliche schwarze Wolke, platzte unter Bildung einer schlangenartigen Flamme, stieß eine lange Masse von Feuer aus und war einem furchtbaren, ganz außergewöhnlichen Blitze zu vergleichen. Bald darnach schien die Wolke niederzusteigen und den ganzen Ocean zu bedecken, und in der That war von der Insel Capri und dem Vorgebirge Misenä nichts mehr zu sehen.

Meine Mutter beschwor mich, rasch zu entfliehen, was ich bei der Schnelligkeit meiner Jugend leicht hätte thun können. Sich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 773. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_773.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2022)