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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

könnten aber vermieden oder doch bald beseitigt werden, wenn man bei Zeilen eine richtige Behandlung des Gehirns einschlüge und wenn man vor allen Dingen das Arbeiten und Ruhen des Hirns gehörig regelte.

Bisweilen, besonders bei reizbarer Schwäche, arbeitet das Gehirn, und zwar durch die verschiedenartigsten Ursachen veranlaßt, auch noch im Schlafe fort, aber ohne Einfluß unseres Willens, und das Product dieses Arbeitens, welches sich auch auf die Sinnesorgane überträgt, ist der Traum. Natürlich nutzt auch diese Arbeit die Hirnmasse etwas ab, und deshalb kann ein Schlaf mit Träumen, zumal wenn diese sich längere Zeit fortspinnen und sehr erregend sind, niemals so erquickend sein und das Gehirn so restauriren, wie ein traumloser, tiefer und ruhiger Schlaf. Bei lebhaften Träumen drückt sich das Product der Hirnspinnerei, das Traumhirngespinnst, so tief in die Hirnmasse ein, daß dasselbe auch nach dem Erwachen noch in der Erinnerung haftet. Auch behalten wir einen Traum, der sich im unvollkommenen oder Halbschlafe bildete, bis zum Erwachen im Gedächtniß. Den Stoff zum Traume liefert stets das Gedächtniß, und die im Traume erzeugten Bilder kommen immer nur dadurch zu Stande, daß die durch unsere Sinneswerkzeuge früher von der Außenwelt in unser Gehirn eingeführten Eindrücke daselbst bleibende Bildchen erzeugten, deren geordnetere oder ungeordnetere Verknüpfung im Schlafe mehr oder weniger natürliche oder unnatürliche und verworrene Traumbilder erschafft. Blindgeborene werden nie vom Sehen, Taubstumme nie von Hörbarem träumen. Daß übrigens auch die Thiere, welche ein Gehirn besitzen, Träume haben müssen, und zwar nach dem verschiedenen Grade der Entwickelung ihres Gehirns den menschlichen Träumen mehr oder weniger ähnliche, versteht sich von selbst.

Das Gefühl von Schläfrigkeit geht in der Regel dem Schlafe voraus und giebt sich als Nachlassen der geistigen, Empfindungs-, Sinnes- und Muskelthätigkeit mit dem Gefühle von Abspannung und Mattigkeit, mit Gähnen und Dehnen zu erkennen. Auch zeigen sich unbestimmte Figuren, verwaschene oder leuchtende Punkte und Nebel vor dem geschlossenen Auge. Nicht alle Empfindungs- und Bewegungsthätigkeit erlischt gleichzeitig; die Geschmacks-, Geruchs- und Gesichtsnerven schlafen früher ein, als der Gehörnerv; die Muskeln des Rückens später als die der Gliedmaßen. Nach dem vollständigen Erlöschen der willkürlichen Bewegungsthätigkeit schließen sich die Augen, es sinkt der Körper zusammen, der Kopf neigt sich nach vorn, der Unterkiefer fällt herab, und neben der Unempfindlichkeit der Sinne und des Gemeingefühls hört das Bewußtsein auf. – Im Schlafe selbst gehen die dem Stoffwechsel (der Ernährung, dem Leben) dienenden, sogenannten vegetativen Processe ungestört, nur etwas langsamer und gleichmäßiger vor sich; das Herz schlägt ruhiger, die Athemzüge werden langsamer und tiefer, die Darmbewegungen und also auch die Verdauung geschehen regelmäßiger. Im Anfange pflegt der Schlaf am tiefsten und ruhigsten zu sein; je länger er währt, desto leiser wird derselbe und desto leichter geht er in ein Halbwachen über. Beim plötzlichen Erwachen dauert es einige Zeit, ehe man das völlige Bewußtsein wieder erlangt; beim allmählichen Erwachen wird zuerst das Gehör, dann das Auge und später erst die Bewegungskraft rege.

Die Kennzeichen eines gesunden Schlafes sind: daß er auf angemessene Veranlassung, auf vorangegangene, längere Zeit fortgesetzte Thätigkeit des Geistes, der Sinne und willkürlichen Bewegungsorgane eintrete; daß sich der Körper während desselben in einem Zustande vollkommener Ruhe befinde, eine ungezwungene, mit Erschlaffung der Muskeln verbundene Lage einnehme; daß dabei das Athmen ruhig und gleichmäßig, der Puls etwas langsamer, die Haut weich und mäßig feucht sei; daß er ununterbrochen fortdauere und nicht durch Träume oder lebhaftere unwillkürliche Bewegungen beunruhigt werde; daß die Sinne, namentlich das Gehör, ihre Empfänglichkeit für äußere Eindrücke möglichst vollständig verlieren, aber auch das Erwecken nicht zu schwierig sei; und endlich daß er nach entsprechender Dauer von selbst wieder mit dem Gefühl von Erquickung schwinde. – Ueber die naturgemäße Behandlung des Gehirns und das richtige Verhalten im Schlafe soll in einem spätern Aufsatze gehandelt werden.

Bock.




Das Pariser Annoncen- und Reclamenwesen.

Unter den Mitteln und Wegen, die von den Pariser Künstlern und Gewerbtreibenden als Brücke zur Oeffentlichkeit benutzt werden, stehen die Anzeigen und die auf Bestellung gefertigten Empfehlungen (Reclamen) obenan. Obgleich die eigentliche Reclame beim Pubiicum so ziemlich in Mißcredit gekommen, werden doch noch fortwährend bedeutende Summen dafür verausgabt, und von den sogenannten „sechs großen Pariser Journalen“ (Siècle, Patrie, Presse, Journal des Debats, Constitutionnel, Pays) erscheint wohl keine Nummer, die nicht mindestens ein halbes Dutzend solcher bezahlter unter dem Titel Faits divers (Verschiedenes) erscheinender Feuilletonartikel enthielte. Diese Art von Reclame hatte deshalb lange Zeit und hat in der Provinz auch jetzt noch eine gewisse Bedeutung, weil das Publicum den Zusammenhang dieser Empfehlungen nicht kannte und solche, weil sie eben im redaetionellen Theile des Blattes abgedruckt standen, aus der Ueberzeugung der Redaction hervorgegangen glaubte.

Um sich einen Begriff von dem Umfange der Geschäfte, zu denen Anzeigen und Reklamen Anlaß geben, machen zu können, muß man wissen, daß eine einzige Annoncenseite in einem größeren Pariser Journale dem Eigenthümer jährlich 2–300,000 Francs an Pacht einbringt, und daß trotz dieser enormen Pachtsumme dem Pächter einer solchen Seite noch genug übrig bleibt, um auf einem großen Fuße zu leben. Der Beweis ist leicht beizubringen.

Die Annoncenseite in einem der genannten Journale enthält sechs Spalten à 216 Petitzeilen, also im Ganzen 1296 Petitzeilen, welche, die Zeile zu 1 Frc. (dem Tarifpreise) gerechnet, eine ebenso große Summe von Francs abwerfen. Nehmen wir nun an, daß das Journal an den drei Hauptfesttagen im Jahre (Weihnacht, Ostern und Pfingsten) nicht erscheint, so haben wir jene Summe mit 362 zu multipliciren und erhalten ein Resultat von 469,152 Francs, so daß dem Pächter, nach Abzug der Pachtsumme, der Maklergebühren, Bureaumiethe u. s. w, noch 150,000 Francs übrig bleiben.

Oft aber geschieht es auch, daß die Annoncen außer der vierten noch den größten Theil der dritten Blattseite beanspruchen, wodurch, dieser Ueberschuß im Durchschnitt nur zu einer Drittelseite angeschlagen, ein Plus von 156,384 Francs, im Ganzen pro größeres Journal für die Anzeigen eine Summe von 625,536 Francs herauskommt.

Die zwischen der Annonce und der Reclame die Mitte haltenden, d. h. „unter dem Strich stehenden“[1] Inserate produciren sich nicht in so großer Anzahl wie erstere, werden dafür aber auch 11/2mal besser bezahlt und können auf circa 100 Zeilen pro Nummer veranschlagt werden, was 100 X 362 = 36,200 Zeilen zu 21/2 Francs = 90,500 Francs ergiebt.

Die eigentliche Reclame unter den Faits divers (Verschiedenes) wird mit 4 Francs die Zeile bezahlt und ergiebt pro Journal und pro Jahr (die Nummer zu 60 Zeilen gerechnet) ein Minimum von 80,880 Francs.

Demnach bringt ein solches großes Journal seinem Eigenthümer jährlich ein:

a) an Anzeigen, 4te Seite 469,152 Francs;
b) an Anzeigen, 3te Seite 156,384 Francs;
c) an Reclamen unter dem Strich 90,500 Francs;
d) an Faits divers (eigentlichen Reclamen) 86,880 Francs.
Zusammen 802,910 Francs.

Diese gewiß gering angeschlagenen Sätze ergäben für die sechs großen Journale zusammen schon 4,817,496 Francs. Allein es ist erwiesen, daß das Siècle für sich allein jährlich nahezu 900,000 Francs an Anzeigegeldern einnimmt, und bringen wir nun erst noch die vielen kleineren Special- und sonstigen Journale, sowie die amtlichen Intelligenzblätter in Anschlag, so hält es nicht schwer, nachzuweisen, daß in Paris jährlich circa 15–20 Millionen Francs für Anzeigen und Reclamen in Fluß kommen.

Deshalb können auch alle Geschäfte, die in Paris mit dem der „Insertion“ in Verbindung stehen, als mehr oder minder lucrativ betrachtet werden. Der Pariser Annoncier (mit andern Worten,

der Mann, welcher ein Geschäft daraus macht, zum Inseriren

  1. d. h. gleich nach den von der Redaction vertretenen politischen Mittheilungen und von diesen durch einen Querstrich getrennt.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 745. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_745.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2022)