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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Die Sempacher-Schlacht-Feier.

Unsere tapfern Vorfahren, die alten Schweizer, hatten seit dem Anfange ihrer mit Schweiß und Blut so schwer errungenen Freiheit und Unabhängigkeit die fromme Uebung angenommen, auf jeder geschichtlich denkwürdigen Stätte, wo eine verdienstliche, vaterländische That geschehen, eine Capelle zu erbauen. Es entsprach dieses ganz ihrem einfachen, aber tiefen Sinne lebendiger und kindlicher Gottesfurcht, in welchem sie vor Beginn der Schlacht den Lenker der Menschenschicksale um seinen Beistand anflehten, und dann nach erfochtenem Siege zu Dank und Ehren ihm ein Heiligthum erbauten, in welchem in Dankbarkeit und Liebe auch der gefallenen Väter und ihres Seelenheiles sollte gedacht werden. In diesem Sinne und Geiste beschloß die Bürgerschaft von Luzern gleich nach dem ruhmvoll ob Sempach über den Adel Oesterreichs errungenen Siege, auf der Wahlstatt vor dem Walde zu Ehren Sanct Jacobs des Aeltern eine Capelle zu erbauen, in welcher alljährlich auf Montag nach St. Ulrichstag eine „Schlacht-Jahrzeitfeier Gott zu Ehren, Lob und Dank, den Gefallenen aber zum Angedenken und Seelenheile“ sollte abgehalten werden. Bevor der erste Jahrestag der Schlacht wiedergekehrt war, wurde die Capelle am 5. Heumonat 1387 schon eingeweiht und die Feier der Kirchweihe auf den Sonntag vor der Schlacht-Jahrzeit mit pfarramtlichem Gottesdienste in der Schlachtcapelle festgesetzt.

An der Capelle.
Nach der Natur aufgenommen von Anton Büttler in Luzern.

Wie aus der Geschichte bekannt ist, wurden mit der Leiche des edelsinnigen Herzogs Leopold von Oesterreich diejenigen der gefallenen Edeln ihren Familien bereitwillig überlassen, welche dieselben theils nach Münster und Königsfelden, theils auch in besondere Familiengrüfte abführten. Wessen Leiche während den drei Tagen, welche die Eidgenossen alter germanischer Sitte gemäß, der allfälligen Wiederkehr des Feindes gewärtig, auf dem Schlachtfelde verharrten, nicht auf der Wahlstatt abgeholt wurde, ward vor dem Abzuge der Eidgenossen auf dem Schlachtfelde begraben. Dreiunddreißig Jahre nachher erhielt Rudolph von Hallwyl auf sein Gesuch die Erlaubniß, die Gebeine der auf dem Schlachtfelde Bestatteten zu sammeln und bei der damaligen Pfarrkirche von Sempach in „geweihte Erde“ zu legen. Seit dieser Zeit hat der Pfarrer von Eich die Verpflichtung, am Tage der Schlachtfeier eine Gedächtnißmesse für die bei der Kirche beerdigten Österreicher zu lesen und ihre Gräber zu besuchen. Aehnliche kirchliche Gedächtnißfeiern werden am gleichen Tage auch in der Stiftskirche im Hof zu Luzern, in Kriens und Münster abgehalten.

Seit Einweihung der Capelle auf dem Schlachtfelde war die Landesregierung für Erhaltung und Ausschmückung derselben und für kirchliche Hebung der Schlachtfeier selbst eifrig besorgt und zwar Alles auf Kosten des Staates. Priester, zur Feier der heiligen Meßopfer, wurden engagirt und neben der kirchlichen Feier auch die Armen nicht vergessen und mit derselben das Austheilen eines Almosens verbunden und zwar „jedem Mensch ein Brod bis auf zehn Gulden werth.“ Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Capelle wiederholt erneuert. Die gegenwärtige Gestalt erhielt dieselbe im Jahre 1825. Xaver Hecht malte ein großen Schlachtbild, die Auffrischung der Frescomalerei besorgte Meister Barrozi von Brisago.

Zur Besorgung der Capelle bestellte die Landesregierung einen „Schlachtbruder“ oder Sigrist, der zugleich Pächter des kleinen Staatsgütleins ist, auf dem dieselbe steht. Nach diesen geschichtlich nothwendigen Erörterungen gehen wir zur Schilderung der gegenwärtigen Schlacht-Jahrzeitfeier über.

Mitten im gesegneten Luzernergau liegt von immergrünen Wiesen und wogenden Saatfeldern lieblich umrahmt der schöne blaue Sempachersee und an demselben, von altersgrauen, epheuumrankten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 725. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_725.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)