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Bauernjunge eine besondere Aufmerksamkeit widmen zu müssen. Außer dem Dorfspitz, Hirtenhund und der Feldkatze stellt ihm das ganze Heer des haarigen und gefiederten Raubzeuges mit Leidenschaft nach, selbst Krähen und Elstern stoßen auf junge oder verwundete Kaninchen, wo sie ihrer ansichtig werden. Meister Reineke legt sich meistens an Hecken und Waldrändern in der Nähe der schmalen Pfädchen (Gänge, Wechsel), auf denen das Kanin Abends zur Weide rückt, in Hinterhalt und erwischt seine Beute im Sprunge. Dagegen nimmt er wenig Notiz von ihm, sobald es einmal im Freien angelangt oder seiner ansichtig geworden ist. Ebensowenig fällt es ihm ein, dem Kanin durch mühseliges Nachscharren in seine enge Behausung zu folgen, er müßte denn Schweiß oder einen Satz hülfloser Junger wittern. Bei hohem Schnee erhascht er indeß auch manches Kanin im freien Felde nach einer kurzen Hetze, sobald er ihm den Rückweg zum Bau abschneiden kann. Der eigentliche Todfeind des Kanins aber ist der Iltis, welcher vermöge seines schmächtigen Körperbaues befähigt ist, die innersten Schlupfwinkel eines Kaninbaues zu durchstöbern. Bei seiner Ankunft stürzt Jung und Alt in blinder Verwirrung durcheinander und in rasender Hast den Ausgängen zu.


Das Frettchen.


Der Jäger hat dieses eigenthümliche Verhalten beider Thierarten zu benutzen gewußt, indem er einen nahen Blutsverwandten des Iltis – das Frettchen – zähmte und zum Herausjagen der Kanin verwendet.

Das Frettchen (Mustela furo) verhält sich zum Iltis etwa wie die weiße Maus zu unsrer Hausmaus, denn es ist nichts weiter als ein Kakerlake vom Iltis, von dem es sich wesentlich nur durch seine schmutzig weiße oder isabellgelbe Farbe und das kürzere Haar unterscheidet. Das Auge ist matt rosenroth. Haut und Nägel horn- oder fleischfarbig. Wie der Iltis, so ist auch das Frettchen höchst ungeschickt im Klettern, dagegen Meister im Kriechen und Schlüpfen auf dem Boden und so geschmeidig in allen Bewegungen, daß ein Engländer meiner Bekanntschaft es als ein sehr biegsames Thier oder ein Thier ohne Knochen bezeichnete. Man hält das Frettchen in großen Drahtkäfigen oder dichten Kammern, und giebt ihm ein weich gefütterten Körbchen zur Schlafstelle, welches durch einen beutelartigen Ueberzug geschlossen werden kann, denn in diesem Körbchen wird es auch zur Jagd geführt. Das gewöhnliche Futter besteht in Weißbrod und Milch, zur Abwechslung erhält es dann und wann ein rohes Ei, einen frisch getödteten Vogel und während der Jagd die Augen der erlegten Kaninchen, nach denen es merkwürdiger Weise besonders lüstern ist. In Folge der vorherrschend vegetabilischen Fütterung ist seine Ausdünstung weniger penetrant, als dies beim Iltis unter Umständen der Fall sein kann, indessen immer unangenehm genug. An Dummdreistigkeit, Lichtscheu, Mordlust und Schlafsucht steht es dem Iltis wenig nach, und die Anhänglichkeit an seinen Wärter äußert sich höchstens dadurch, daß es denselben nur ausnahmsweise beißt. Aus letzterm Grunde, wie auch, um ihm das Ergreifen eines Kanins im Bau zu erschweren, pflegt man ihm in der Jugend die untern Fangzähne abzubrechen. Von einer Dressur ist nicht die Rede, das Frett durchkriecht aus angebornem Triebe, wie ein Dachshund, den Bau und kehrt aus Langeweile, Hunger oder Bequemlichkeitsliebe zu seinem gewohnten Körbchen zurück, ohne sich weiter um seinen Herrn zu bekümmern.

Will man mit dem Frett auf einem Kaninbau operiren, so werden zunächst alle kleinen Nebenröhren aufgesucht und verstopft, woraus man die gangbarsten Hauptröhren mit kleinen, glockenförmigen Garnen (Kaninhauben), die sich hinter dem einspringenden Kanin wie ein Strickbeutel zusammenschnüren, überdeckt. [1] Da nun aber nur ein Kaninchen zur Zeit gefangen werden kann und nicht selten mehrere hintereinander aus ein und derselben Röhre flüchten, so pflegt man einige Schützen um den Bau aufzustellen, welche die dem Garn entronnenen Kanin niederdonnern oder auch – vorbeischießen. Zu diesem Zweck formirt die Jagdgesellschaft einen Kreis um den Bau und jedes Mitglied verpflichtet sich, nicht früher zu schießen, bis das Kanin die Schützenlinie passirt ist. Derjenige, welcher das Frettchen beaufsichtigt, wird im Centrum des Kreises postirt, wo er sämmtliche Röhren übersehen kann; er führt kein Gewehr, denn er hat außer der Ueberwachung des Frettchens noch das Auslösen der gefangenen Kaninchen zu übernehmen, welches niemals Sache der Schützen sein darf. In dieser Weise wird man gewiß die bei derartigen Jagden so leicht entstehenden Unglücksfälle am einfachsten vermeiden.

Die Röhren sind nunmehr mit den Garnen belegt, das Frettchen durchschleicht mordlustig die innersten Tiefen des Baues, während die Schützen in erwartungsvoller Spannung der Dinge harren, die da kommen werden. Nach einer Weile glaubt der Jagdhüter, welcher horchend mit dem Ohr am Boden liegt, ein Geräusch in der Unterwelt zu vernehmen und benachrichtigt den nächsten Schützen durch einen bedeutungsvollen Wink. Jetzt hört man das heftige, warnende Klopfen eines Kanins und bald darauf ein dumpfes Gepolter und Gedränge, worauf abermals tiefe Stille folgt. Hui! – da fährt plötzlich ein alter Rammler aus der Hauptröhre und mit solcher Vehemenz in das tückische Garn, daß er mit demselben hoch empor schnellt, so weit es die Länge der Zugschnur erlaubt. Der Arme zappelt gewaltig, allein seine Anstrengungen dienen nur dazu, das Garn noch enger zusammenzuschnüren, und so liegt er bald, jeder Bewegung unfähig, am Boden, ein regungsloser, runder Ballen. – Ein zweites Kanin erscheint jetzt in der freigewordenen Röhre, es fährt mit einem Hakensprung quer über seinen gefangenen Cameraden hinweg, allein kaum hat es den Kreis der Schützen passirt, so krachen a tempo mehrere Schüsse, und tödtlich getroffen taumelt es radschlagend den Hügel hinab, bald den Rücken, bald den blendendweißen Bauch emporkehrend.

Jetzt wird es auch an den übrigen Röhren lebendig, hier und dort schnellt ein vom Garn umstricktes Kanin zappelnd empor, der Jagdhüter hat alle Hände voll zu thun, die Gefangnen auszulösen, in einen Sack zu stecken und die Garne rasch wieder aufzustellen. Dazwischen kracht es nach allen Seiten, und ein alter steifer Hühnerhund entwickelt eine merkwürdige Thätigkeit im Apportiren der Todten und Blessirten. Endlich verstummt die Kanonade, der Bau ist leer, und nun kommt auch unser Frettchen wieder zum Vorschein

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 700. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_700.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2022)
  1. Ein Dutzend dieser Hauben ist meistens ausreichend. Jede Haube hat bei 2 Fuß Länge etwa 3 Fuß im Umfange und wird aus feinem Bindfaden in einzölligen Maschen glockenförmig gestrickt. Die 5–6 Fuß lange Zugschnure wird durch die Maschen der obern Einfassung ringsum gezogen. Beim Aufstellen der Garne ist zu beachten. daß dieselben nicht zu straff über den Röhren ausgespannt werden und keine Lücke zwischen dem untern Rand und dem Boden sichtbar ist. Um das Garn in seiner Stellung zu erhalten, steckt man einige Heftel rings um den Rand und drückt diese locker in’s Erdreich. Dagegen wird die Zugschnur fest um den nächsten Ast, Wurzel oder dergl. geschlungen.