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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

erhaltenen Flüssigkeit nahezu aus ein Drittel Gummi und zwei Drittel Traubenzucker bestehen und daß diese selbst bei weiterer gehöriger Behandlung ein Getränk giebt, das allen Anforderungen entspricht, die an ein gutes baierisches Lagerbier zu stellen sind.

Aber nicht alle chemischen Erfahrungen werden in der Technik zum allgemeinen Besten benutzt, sondern viele derselben auch von Einzelnen im Eigeninteresse zum Nachtheil der Mitmenschen und des Gemeinwohles ausgebeutet. Die Veränderungen in der Methode der Bereitung der Lagerbiere in vielen Brauereien, wie sie seit einer Reihe von Jahren wahrnehmbar sind, geben dafür ein auffallendes Beispiel und rechtfertigen, wenn auch nicht in der vollen Ausdehnung, eine neuerdings in einem Correspondenzartikel der Madeburger Zeitung gelegentlich der Besprechung in den bayrischen Kammerverhandlungen über die Beibehaltung oder Aufhebung der Biertaxe gemachte Bemerkung, dahin lautend: „in Baiern sei allgemeine Ansicht, daß seit der Zeit, wo die Brauer Chemie treiben, kein gutes Bier mehr gebrauet werde.“ Die Entdeckung des Diastas im Malz und die, daß es nur bei einer begrenzten Temperatur das Stärkemehl in Traubenzucker verwandele, und die Erfahrung, daß die im Malz enthaltene Menge desselben im Stande ist, die zehnmal größere Quantität Stärkemehls, als im Malz enthalten, in Traubenzucker zu verwandeln, wurden von vielen Brauern Baierns und anderer Länder benutzt, um mit einem geringeren Aufwand von (bekanntlich der Besteuerung unterliegendem) Malz ein gleich weingeistreiches oder aus der herkömmlich gebräuchlichen Quantität Malzes und Wassers ein weingeistreicheres, deßhalb dauerhafteres, anscheinend kräftigeres Bier zu erzielen. Denn es wird nicht allein jetzt häufig das Einmaischen so geleitet, daß eine möglichst geringe Menge von Gummi entsteht, sondern auch nicht selten, besonders bei hohen Gerstenpreisen, weniger Malz genommen und dagegen das Minus von diesem durch Zusatz von Stärkemehl oder stärkemehlhaltigen Pflanzentheilen verschiedener Art ausgeglichen, letztere Nachhülfe übt aber einen wesentlichen Einfluß auf die Menge der mineralischen Bestandtheile des Bieres aus. Diese sind, weil sie aus phosphorsauren und anderen Salzen bestehen, die zur Bildung der Knochensubstanz und zur normalen Zusammensetzung gewisser thierischer Flüssigkeiten und Secretionen dienen, gewiß von hoher Bedeutung auf die allgemeinere Nahrungsfähigkeit des Bieres; ihr Gehalt muß in diesem geringer werden, wenn bei seiner Bereitung statt einer Quantität Malzes ein entsprechendes Verhältniß von Stärkemehl verwendet worden, und ein so dargestelltes Bier kann, selbst wenn bei der Einmaischung die gehörige Rücksicht auf die Bildung von Gummi genommen worden ist, nicht in dem Maße den allgemeinen Nahrungszwecken entsprechen, wie ein aus der gehörigen Quantität Malzes bereitetes Bier.

Ueber die übrigen Operationen beim Brauen der Lagerbiere können wir uns kürzer auslassen. Nachdem die Bildung des Gummi’s und Zuckers in dem Maischgut beendigt ist, wird die Flüssigkeit, entweder nach Beseitigung der Malzhülsen oder auch mit diesen, längere Zeit im Kochen erhalten. Dadurch bezweckt man eines Theiles das Verdunsten des überschüssigen Wassers, anderen Theiles aber das Unlöslichwerden und Gerinnen der aus dem Malz ausgezogenen kleber- und eiweißartigen Stoffe. Die von diesen Stoffen und den Hülsen durch Seihen geschiedene Flüssigkeit heißt die Würze und besitzt einen angenehm süßen, malzartigen Geschmack. Um nun aus ihr ein haltbares und wohlschmeckendes Bier zu erhalten, wird sie entweder siedend heiß auf eine bestimmte Quantität Hopfens gegossen oder auch damit kürzere oder längere Zeit gekocht. Der Hopfen enthält an ausziehbaren Theilen Gerbstoff, einen harzartigen Bitterstoff, ein flüchtiges aromatisches Oel und einen schwach narkotischen Stoff; ersterer befördert die Klärung der Würze, der Bitterstoff und das ätherische Oel bedingen den bitter-aromatischen Geschmack und eine begrenzte Haltbarkeit des Bieres, und durch letzteren erhält es eine sehr schwache narkotische Wirkung. Da, wo die Würze mit dem Hopfen gekocht wird, geht ein Theil des ätherischen Oeles durch Verdunstung verloren, so wie auch durch die atmosphärischen Einflüsse eine Zersetzung des narkotischen Stoffes erfolgt, so daß dadurch die reizenden Wirkungen des Bieres zum Theil, die narkotischen fast gänzlich oder durchaus verschwinden.

Der gute kräftige Hopfen, als ein zu Zeiten sehr theueres Biermaterial, wird nicht selten durch verlegene oder an und für sich schwache Waare oder andere bitter-aromatische Pflanzenkörper (Enzianwurzel, Galgant, Koriander, Cardamomen, Fichtensprossen, Bitterklee, Wermuth, Aloë u. s. w.) oder durch ein Kunstproduct (Pikrinsäure) ersetzt. Ist ein derartiges Surrogat bei dem hohen Preis, der für die Lagerbiere gezahlt wird, nicht zu entschuldigen und gegen das Publicum ein Vergehen, so ist noch weniger der in einigen Brauereien gemuthmaßte Zusatz von scharf narkotischen Stoffen (Kokkelskörnern, Krähenaugen) zu entschuldigen und beim Nachweis als ein Verbrechen gegen das allgemeine Volkswohl nicht hart genug zu bestrafen.

Die Schlußoperation bei der Brauerei der Lager- und aller übrigen Biere ist die Gährung. Die gehopfte Würze wird zur möglichsten Abhaltung atmosphärischer, in der Wärme gesteigerter Einflüsse so rasch wie möglich abgekühlt, was auf dem Kühlschiff geschieht, und, wenn bei Erzielung von Lagerbieren die Temperatur auf 7 bis 10° C. gesunken ist, auf die in gleich kühlen Räumen aufgestellten Gahrbottiche gebracht, wo man sie mit der zur vollständigen Ausgährung nöthigen Menge Hefen vermischt und das Ganze sich überläßt. Die Biergährung ist eine weinige Gährung und besteht in der durch die Hefen veranlaßten Zerlegung des gelösten Traubenzuckers in Weingeist und Kohlensäure. Der Weingeist löst sich gänzlich in der Flüssigkeit, während die Kohlensäure wegen ihrer luftförmigen Beschaffenheit zum größten Theil entweicht; sie bedingt das Aufsteigen von Luftblasen, welche anfänglich Hefen und andere trübende Theile mit in die Höhe reißen und diese auf der Oberfläche als einen mannigfaltig gestalteten Schaum schwimmend erhalten, bis dieser bei langsamer vor sich gehender Gährung wieder zu Boden sinkt und die sog. Unterhefe darstellt. Ist die Gährung anscheinend beendigt, so kommt das gegohrne Gut auf in kühlen Kellern befindliche große Lagerfässer, wo die sog. Nachgährung und die vollständige Klärung des Bieres vor sich geht und dasselbe nach einigen Monaten für den Genuß und zum Versandt reif ist.

Möge sich nach diesen Erläuterungen und Erfahrungen, die zum Theil auf eigene Anschauungen der Art der Lagerbierbereitung in vielen Brauereien verschiedener Länder und auf die Prüfung ihrer Fabrikate durch den Geschmackssinn und die mit ihrem Genuß verbundenen Folgen begründet sind, jeder Trinker des Lagerbieres seine Folgerungen machen und danach prüfen, welche Art derselben seinem Gesundheitszustand zuträglich ist oder nicht. Mögen aber auch die Brauereibesitzer, welche eins der lohnendsten Geschäfte betreiben, ihren wahren mit dem Interesse des Publicums zusammenfallenden Vortheil bedenken und demselben nur ein gutes, den allgemeineren Nahrungszwecken entsprechendes und deßhalb kräftigendes Bier bieten, welches getrunken und empfohlen werden kann. Mögen endlich diejenigen Brauer, welche Biere mit scharf narkotischen Stoffen verfertigen, ihr Gewissen durch Aufgebung dieses schändlichen Zusatzes erleichtern, wenn dieses überhaupt noch möglich ist, und bedenken, daß endlich doch der Tag der harten Verantwortung kommen muß, wenn sie ihr verbrecherisches Verfahren nicht aufgeben.




Das wilde Kanin und sein Todfeind.

Das wilde Kanin erreicht bekanntlich kaum die Größe seines zahmen Collegen, von dem es sich wesentlich nur durch sein derberes Naturell und die unveränderliche, hasenähnliche Färbung unterscheitet. Setzt man zahme Kanin im Freien aus, so verwildern diese unter günstigen Umständen rasch und sind nach Verlauf einiger Generationen der wilden Race wieder völlig gleich.

Da das wilde Kanin die bekannte Färbung des Ober- und Unterkörpers, selbst die schwarz-weiße Zeichnung des kurzen Schwänzchens (Blume) mit dem Hasen gemein hat, so ist es gar nichts Seltenes, daß ein halbwüchsiger Hase von Jagddilettanten für ein altes Kanin angesehen und todtgeschossen wird. Bei einiger Uebung erkennt man indeß ein Kanin selbst in voller Flucht leicht an der grauern Farbe, an den kurzen Löffeln und besonders an seiner eigenthümlich hastigen und niedern Gangart, welche durch seinen gedrungenern Körperban und die Kürze der Hinterläufe bedingt ist. Wesentliche Unterscheidungszeichen sind außerdem: der Mangel des

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 698. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_698.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2022)