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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

hervorgetreten und verbreitete ein zauberhaftes, träumerisches Licht über die gigantischen Creaturen hin. Mir verging die Lust, ein so großartiges, seltsames, lebendiges Naturgemälde zu stören, so daß ich meine mörderische Büchse fallen ließ und mich ganz der Betrachtung ergab. Aber als sie nach reichlicher Tränkung zurückzuziehen begannen und in ungewissem Mondlicht grau verschwammen, sprang ich auf, um wenigsten einen der Letzten abzufangen. Ich schoß und traf einen Mutter-Elephanten. Das Stürzen und Rauschen und Brausen und wuthschmetternde Trompeten, das folgte, war wahrhaft entsetzlich. Es war ein besonders grausames Chor, wie ich bald nachher beinahe auf Kosten meines Lebens erfuhr.

Eines Morgens befand ich mich in der Nähe eines Ortes, genannt Oromboto, wo Elephanten ganz besonders gern zum Trinken sich versammeln, obgleich nirgends Wasser zu sehen ist. Sie graben’s sich jedesmal mit ihren Rüsseln, mit denen sie es mehrere Fuß tief unter der Oberfläche zu riechen scheinen. Hier lauerte ich auf deren Ankunft und fand mit der Zeit eine Heerde von Mutter-Elephanten mit Jungen, wahrscheinlich alte Bekannte aus der Mondnacht. Ich hatte nicht Lust zu schießen, weil Mutter-Elephanten sehr gefährlich sind und auch wenig Elfenbein liefern, aber eine große Menge halbverhungerter Ovatdschimbas, die jämmerlich um Nahrung heulten, bewogen mich, einen Schuß zu versuchen.

So kroch ich leise bis auf dreißig Schritt an einen noblen Mutter-Elephanten heran und wartete auf eine gute Position. Während dieser Minuten waren mir unvermerkt vom Rücken her zwei andere nahe gekommen, der erstere 30 Schritt vor, die beiden anderen 15 Yards hinter mir. Das war eine Lebensfrage, die in zwei Secunden gegen mich entschieden worden wäre, wenn ich nicht im Augenblicke des Gewahrwerdens mit einem furchtbaren Satze über den nächsten Busch gesprungen und nach windesschneller Flucht vor den raschen Verfolgern hinter einem größeren Busche Schutz gesucht und mich platt auf den Boden hingeworfen hätte. Als ich wieder etwas aufsah, stand mir eine ganze Heerde auf der andern Seite des Busches wüthend gegenüber. Mit ihren kleinen, durchdringenden, unruhigen, drohenden Augen, ihren klappenden, schlaffen Ohren und hocherhobenen Rüsseln bildeten sie einen furchtbaren Feind für einen einzelnen Menschen. Aber nachdem sie eine Zeitlang gedroht und vergebens gesucht hatten, machten sie alle plötzlich Kehrt und gaben mir sofort meine ganze Jägerleidenschaft wieder. Ich richtete mich auf und schoß auf den Leit-Elephanten.

Das war eine unbesonnene Tollkühnheit. Schrill und Mark und Bein durchdringend trompetend waren sie im Nu herum und in voller Jagd auf mich los. Jetzt erfuhr ich, was es heißt, für sein Leben zu laufen. Ich behielt mit der Kraft der Eile Geistesgegenwart genug, immer hinter Büsche springend davonzulaufen, wobei mir meine schwere, gereifelte Büchse sehr hinderlich ward; aber obgleich ich meine Feinde dicht hinter mir stampfen und Zweige und Aeste krachend niederbrechen hörte, ich hielt sie nur fester und lief und lief und stürzte immer vorwärts, athemlos, sinnlos und von einem neuen Todesschrecken überfallen, als ich eine große Strecke offenes, baum- und buschloses Land vor mir sah. Hätten sie mich bis dahin verfolgt, es wäre mein Tod gewesen. Aber plötzlich merkte ich, daß sie sich durch dichteres Gebüsch hinter mir hatten aufhalten lassen, und dann, daß sie sich zurückzogen. Jetzt wieder Leben und einige Sicherheit fühlend bestieg ich einen hohen Ameisenhügel, um zu sehen, was sie eigentlich vorhätten. Nach einigem Suchen zwischen Walddickicht und Gebüsch entdeckte ich blos einen Elephanten unter einem Baume. In der Meinung, es könnte der von mir angeschossene sein, rückte ich vorsichtig näher, sah aber bald meinen Irrthum, nämlich fast noch die ganze Heerde. Und sie sahen so erbittert und boshaft aus, daß ich mich eilig wieder zurückzog. Dabei schienen sie mich zu bemerken oder zu wittern, denn sie stürzten plötzlich wieder vorwärts. Dann und wann hielten sie, gleichsam um zu recognosciren und in alle Winkel und Ecken zu blicken. Es gelang mir, mich in Sicherheit zu verkriechen und so, daß ich ihre Bewegungen genau beobachten konnte. Sobald sie an gewisse Stellen kamen, wahrscheinlich solche, wo ich und mein eingeborener Diener (der auf eigene Rechnung geflohen) gestanden, machten sie Halt und untersuchten den Boden umher mit dem größten Eifer. Dann ging’s eilig weiter mit aufgehobenen Rüsseln, klatschend an die Seiten schlagenden Ohren und mit raschem Hin- und Hergepeitsche der stumpfen, haarlosen Schweife. Als ich sie aus dem Gesicht verloren, athmete ich erst auf und wurde mir erst der Gefahr bewußt, der ich entkommen. Ich dankte meinem Schöpfer und beschloß, nie wieder Mutter-Elephanten mit Kälblein anzugreifen.“

Es wurde ihm nicht schwer, Wort zu halten, da sich stattliche männliche Elephanten und auch andere achtbare Feinde oft genug einfanden. Zum Beispiel Löwen. Zwar hat schon Livingstone diesem feigen Katzengeschlechte die ihm von Freiligrath unverdient zuerkannte Wüsten-Königskrone vom Kopfe geschlagen, und auch Anderson fand keine besondere Veranlassung, es zu ehren und zu fürchten, da ihm Löwen theils heil und mit ganzer Kraft, theils angeschossen davonliefen; aber alte, blos Menschen fressende Löwen sind ihm das Scheußlichste und Schauerlichste in der Wüste. „Stellt mich jedem beliebigen Feinde gegenüber,“ sagt er, „Mensch oder Thier, und ich nehme es mit ihm auf, wenigstens unter dem Lichte der Sonne. Aber ein versteckt lauernder, feig kriechender, nächtlicher Schleicher, dessen katzenartige Bewegung und Annäherung kein Ohr entdecken kann, dessen Muskelkraft die aller andern Thiere übertrifft, der im Stande ist, mitten durch Heerden Vieh hindurch zu schleichen, ohne sie zu berühren, nur um sich einen Menschen aus dem Schlafe zu holen – ist mehr, als der muthigste Jäger ruhig fürchten kann, wenn er sich in der Wildniß sein Lager zurecht macht, zumal wenn man Vorfälle, wie den folgenden, noch nicht vergessen.

Vorige Nacht führten zwei alte Löwen eine Schreckenstragödie in meinem Viehgehege auf. Der Himmel regnete in pechfinsterer Nacht herab, und in der Furcht, Löwen möchten eine solche Nacht zu einem Ueberfalle benutzen, hielt ich mich Stunden lang wach. Endlich übermüdet, tröstete ich mich damit, daß die Ochsen einen solchen Ueberfall laut genug ankündigen würden, und legte mich zum Schlafen zurecht. Kaum fühlte ich mich im Halbschlummer, als der furchtbarste Schrei, der in ein Todesröcheln auslief, mich wach rief. Ich werde diesen entsetzlichen Aufschrei, dieses rasch verstummende Todesröcheln nie vergessen. Zwei Löwen hatten sich in das Viehgehege eingeschlichen und einen Treiber aus seiner Hütte, wo er mit Weib und Kindern schlief, herausgerissen, um ihn in kurzer Entfernung von unserm Lager hörbar mit gierig wohlgefälligem Gebrülle zu zerreißen und zu verzehren. Das eine Ungeheuer hatte sich einen Weg durch die schwachen Pfähle und Wände erzwungen und den Unglücklichen mit einem Sprunge und Schlage seiner Vordertatzen, wobei er auch noch die Frau verwundet, ergriffen und davongeschleppt. Der Mann mochte sich an Pfähle der Hütte angeklammert haben, denn sie war ganz umgerissen und zum Theil weit mit fortgeschleppt worden. Die nächtliche Scene, welche jetzt folgte, kann sich Niemand denken. Das Geschrei der Frau und der Kinder, das tumultuarische Entsetzen der Thiere, das Gekrache und Gebrüll der beiden fressenden Löwen in der Nähe, fortwährendes Schießen von unserer Seite in die Nacht hinein, um weitere Ueberfälle abzuschrecken – das war mehr, als selbst ein in den Schrecken der Wildniß abgehärteter Nimrod mir ruhigem Blute erleben konnte.

Mit anbrechendem Tageslichte verfolgten wir die Spur der Löwen, nachdem wir 200 Yards von uns die Stelle gesehen, wo sie ihre Beute bis aus einige Knochen und Fetzen von Kleidungsstücken aufgefressen. Aber eine zwölf Meilen weite Verfolgung blieb ohne Erfolg. Die feigen Ungeheuer hatten sich sicher vor dem Tageslichte verkrochen, um in der Nacht wieder herbeizuschleichen und Gelegenheiten abzulauern. Die alten Menschenfresser von Löwen folgen immer in den Spuren, wo sie auf Menschenfleisch rechnen. Schon in der dritten Nacht nach der erwähnten Tragödie schlich sich ein solches Ungeheuer in das drei Tagereisen weiter aufgeschlagene Lager, um vor Ochsen und anderem Vieh vorbei ein neues Opfer zu holen, während Ochsen und Schafe in maßlosem Schrecken ihre Fesseln und Schranken durchbrachen und nach allen Seiten davon stürzten. Das Gekreische der Weiber und Kinder, das Brüllen der Männer und des Löwen, aufzischende und die Schreckensscene beleuchtende Feuerwerkskörper, das Büchsengeknalle, das Heulen, Brüllen, Blöken, Quieken, Lachen und Schreckensgetön anderer aufgescheuchten wilden Thiere aus der Nabe und Ferne gab eine Scene, gegen welche die großartigsten Wolfsschluchts- Freischütz-Schrecken zu einem lächerlichen Kinderspiel werden.“

„Gestern Abend um 11 Uhr,“ erzählt er an einer andern Stelle, „ward ich durch einen furchtbaren Aufschrei aus meinem Schlafe aufgeschreckt. Ich dachte sogleich an die zwei Löwen, die uns wie geheime Spione und gedungene Mörder zu folgen pflegten und uns schon öfter unbequem geworden waren. Mit Büchse

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 682. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_682.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2022)