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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

gab und somit einem Unternehmen gerecht zu werden wünscht, das bereits seit länger als zehn Jahren eine europäische Berühmtheit erlangt hat und seine Artikel nach den fernsten Theilen der Erde versendet.

Und, meine Herren und Damen, ein guter Bleistift ist wahrlich keine Kleinigkeit, so wie ein schlechter selbst den ruhigsten Menschen zur Verzweiflung bringen kann. Deshalb wird ihn nicht allein der zeichnende Künstler zu schätzen wissen, sondern auch der Geschäftsmann, wenn er die Course notirt, oder die Hausfrau, wenn sie ihre Ausgaben bucht. Und so der Eine wie der Andere kann es nicht vertragen, wenn der Bleistift knirscht und das Papier zerkratzt, und zuletzt die Spitze abbricht, was jedem feinfühlenden Wesen einen Stich in’s Herz geben muß. Aber ein wahres Gaudium ist es, wenn das schöne Blei vom glänzendsten Schwarz bis in die feinsten Silbertöne über die weiße Papierfläche fährt und weder den Zeichner noch den Schreiber in ihrem Gedankenfluge hindert, sondern demselben ganz gazellenfüßig vorauseilt. Wer das nicht begreift und einsieht und nachempfindet, der stehle sich weinend aus dem Bleistiftbunde, oder überschlage diese Seite. Denn wie man den Menschen in seinem Umgange zu erkennen pflegt, kann man vielleicht mit gleichem Recht den Menschen nach seinen Bleistiften beurtheilen und das Paradoxon aufstellen: Sage mir, mit welchem Bleistifte Du umgehst, und ich will Dir sagen, wer oder was Du bist. So wird der abstrakte Verstandesmensch einen harten Bleistift einem weichen vorziehen, wie umgekehrt eine weiche, empfindsame Natur den weichen einem harten. Der Geizhals hingegen wird jedesmal den billigsten Bleistift wählen, also den schlechten, gleichviel, ob er sich mit diesem Instrument sein ganzes Leben hindurch jämmerlich abarbeitet.

Selbst eine ernste Sache verträgt ein humoristisches Gewand und bewahrt uns oft vor falschem Pathos. In diesem Sinne wurde vorstehende Composition entworfen, die das hundertjährige Jubiläum gedachter Fabrik allegorisch behandelt und wozu wir einige begleitende Worte folgen lassen wollen.

Wohl noch zu größerm Ruhme, als die Ertheilung von Preis-Medaillen der Industrie-Ausstellungen fast aller Nationen, gereichten dem Chef der Fabrik, A. W. Faber, die Zeugnisse der ersten Autoritäten deutscher und ausländischer Kunst. Namen, wie Cornelius und Overbeck, Kaulbach, Bendemann, Lessing und Horace Vernet, gewiß über jedes Vorurtheil erhaben, sprechen sich in anerkennendster Weise über dessen Fabrikat aus, und namentlich der edle Bendemann behandelt das Thema mit besonderer Wärme und Liebenswürdigkeit, während er sagt: „Indem ich Ihre Faber-Polykrates-Bleistifte[1] entschieden allen übrigen, selbst den englischen vorziehe, habe ich mich mit einem gewissen Stolze von den letzteren emancipirt.“

Eingedenk des vortrefflichen Künstlers, der mit so patriotischem Interesse hier auftritt, schlug unserm Zeichner der Schalk in den Nacken, daß er auf seinem Bilde einige der Bendemann’schen Figuren (aus dem Dresdner Thronsaal) anbrachte: Moses in der Mitte, weiter unten Constantin, Lykurg und Solon, jeden mit seinem Wahlspruche, wenn auch, dem Zwecke entsprechend, etwas variirt.

Inmitten sitzt, nach rastloser Arbeit ruhend, die alte respektable Firma Faber, in der Person des Gründers der Fabrik. Statt eines Feldherrnstabes (obwohl er vollkommner Herr auf seinem Felde ist) hält er einen Bleistift in der Hand; auch ruht er nicht auf Lorberen, sondern auf seinen lieben Bleistiften. Von beiden Seiten strömen Glückwünschende heran mit allerlei Gaben, und anmuthige Frauengestalten, moderne und phantastische, reichen ihm die Kronen der Kunst und des Bürgerthums. Auch fehlt im Vorgrunde der Humor nicht, in Gestalt des kleinen Knaben mit einer Narrenkappe, der auf seinem Griffel wie auf einem Steckenpferde reitet. Links spitzt ein alter Dorfschullehrer mit wichtiger Miene einen schönen neuen Bleistift, und die Kinder sehen ihm andächtig zu. Der Schreibende auf der andern Seite, auf bequemem Lehnsessel am geschnitzten Pulte, deutet auf die beiden Faber’schen Häuser in Paris und New-York. Einen prächtigen Cedernstamm, denn dies edle Holz wird bekanntlich zu den bessern Bleistiften verwendet, tragen Gestalten, welche die vier Hauptsorten der Bleistifte repräsentiren. Auch des Bergmanns ist gedacht, denn der Graphit kommt aus der Erde und muß tausend und abertausendmal durchgeknetet werden, wie uns der kräftige Arbeiter zeigt. Ueber dem Ganzen aber thront, als nervus rerum, die Fabrik selbst (die im Umfang fast einer kleinen Stadt gleicht), und ihre Schlote dampfen lustig bei Tag und Nacht, wie es bei einer wackern Fabrik Sitte ist.

Und wer in Zukunft einen guten Bleistift in die Hand nimmt, gedenke dabei des Meisters Faber und seiner Fabrik und des hundertjährigen Jubiläums. Und es wird ihm nicht übel anstehen, dabei sein Glas zu erheben und „Prosit!“ zu rufen – denn er trinkt es nicht allein zu Ehren der Faber’schen Fabrik – er bringt es deutschem Gewerbfleiß und wohlerworbenem Ruhme.




Das Schwimmende Land in Wakhusen.
Von J. G. Kohl.
(Schluß.)

Wakhusen ist wieder so ein Chaukendorf, wie Plinius es beschreibt, in dem, wie er sagt, die Häuser auf ihren künstlichen Sandhügeln den Anblick von Schiffen unter Segel gewähren, während sie bei niedrigem Wasser gestrandeten Fahrzeugen gleichen. Jedes Haus bildet für sich eine solche kleine Insel wie die St. Jürgener Kirchen-Insel, die ich beschrieb.

Ueber die Hauptsache, die mich hierher geführt hatte, nämlich über das „schwimmende Land“, erfuhr ich nun im Verlaufe meiner Spaziergänge und Unterredungen mit den Wakhusenern etwa Folgendes: Der ganze Untergrund, auf dem das Dorf, seine Häuser, seine Wiesen, seine Aecker ruhen, ist eine 25 bis 30 Fuß dicke Schicht von Torfmoor, die ihrerseits wieder in der Tiefe auf festem Sande liegt. Diese Torfmoor-Schicht, auf der Alles ruht, gewährt begreiflicher Weise eine sehr unsolide und zitterhafte Basis. Ueberall, wo man geht und steht, bebt der Boden ein wenig unter den Füßen. Wenn man in den Häusern ein mit Wasser gefülltes Glas auf den Tisch stellt, und draußen die Pferde trampeln oder auch nur ein Mensch fest auftritt, so schlägt das Wasser im Glase Wellen. Einige Scharfsichtige wollen denselben Effect auch schon dann wahrgenommen haben, wenn draußen die Hunde bellten. Um nun die Häuser ganz fest zu begründen, wäre natürlich das Beste, sie entweder, wie es bei Venedig geschehen ist, auf Pilotis zu bauen, die tief bis in den festen Sandgrund hinabreichten, oder auch den 20 bis 30 Fuß dicken Moorgrund ganz wegzugraben, das Loch mit Sand wieder hoch aufzufüllen und auf dem Gipfel dieses Hügels dann zu bauen. Aber man begreift leicht, daß das für die Wakhusener eine zu kostspielige Operation sein würde, besonders da ihre einstöckigen Häuser, wie die aller Niedersachsen, sehr breit, sehr lang und geräumig sind. An Pilotis können natürlich nur Leute wie die reichen Venetianer denken.

Aber auch der Sand ist hier, wie ich schon andeutete, eine große Rarität. Jede Ladung muß in Schiffen von entlegenen Dünen hergefahren werden. Und wenn sie einmal eine Schiffsladung Sand haben, so wissen sie in ihrer Ackerwirthschaft so viel Verwendung dafür, um einen nöthigen Communicationsweg festzumachen, um die Oberfläche eines Getreidefeldes zu verbessern, daß es als eine wahre Verschwendung und Riesenarbeit erschiene, ein 30 Fuß tiefes Loch von der Größe eines niedersächsischen Hauses damit auszufüllen. Zuweilen verfahren sie indeß wohl so, daß sie da, wo die Mauern des Hauses stehen sollen, einen tiefen Graben durch die ganze Moorschicht hin aushöhlen, diesen Graben voll Sand schlemmen und darauf dann die Mauern bauen. Gewöhnlich aber wird nur ein einige Fuß dicker Sandhügel, eine „Warf“, über dem Moor hin ausgebreitet, und die Häuser darauf errichtet.

Dies giebt anfänglich für eine neue Anlage einen ziemlich unsicheren Untergrund. Das Torfmoor ist der Zusammenpressung fähig. Der Sandhügel (die Warf) sinkt im Laufe der Jahre mit sammt dem Hause ein. Zuweilen sinkt er auf der einen Seite mehr ein, als auf der andern, und das Haus kommt dann mit der Zeit so schief und tief zu stehen, daß die Leute sich zum „Aufschrauben“ entschließen

  1. Die vorzüglichsten Bleistifte der Fabrik.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 678. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_678.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2022)