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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)


aber ebenso bei Nacht wie bei Tage, ist ebenfalls ein Haupterforderniß zur Heilung der Heiserkeit. Kalte, rauhe und trockene Luft, zumal im Winter bei Ost- und Nordwind oder wenn der Heisere gar vorher warme Luft eingeathmet hatte, ist die größte Schädlichkeit für einen kranken Kehlkopf. Deshalb muß der Heisere im Winter im geheizten Zimmer schlafen und, müßte er durchaus in’s kalte Freie hinaus, dann jedenfalls einen Respirator (s. Gartenl. 1855. Nr. 8.) tragen. – Rein, d. h. frei von Staub jeder Art, Tabaksrauch, scharfen Dämpfen, reizenden Gasarten, muß die Luft, in welcher ein Heiserer athmet, stets sein, da jede unreine durch die Kehlkopfshöhle hindurchströmende Luft das Kehlkopfsleiden nicht nur unterhält, sondern fast immer noch steigert. – Bisweilen thut feuchtwarme (mit Wasserdämpfen geschwängerte) Luft bei Heiserkeit sehr gute Dienste.

Ad 3) Reizlose Speisen und Getränke sind deshalb vom Heiserkeitskranken zu genießen, weil diese bei ihrem Uebergange über den Kehlkopf auf dessen Leiden nicht störend einwirken, während dies reizende Stoffe (wie scharfe Gewürze, Spirituosen) zu thun vermögen. Zu diesen reizenden Stoffen, welche vermieden werden müssen, gehört aber auch die Kälte, und darum darf das Getränk immer nur verschlagen (abgeschreckt) genossen werden; am besten dient freilich warmer (nicht etwa heißer), schleimiger Trank; auch hat das Anfeuchten des Kehlkopfes mit rohem Ei oder Gummischleim sein Gutes. Selbst harte und trockene Nahrungsstoffe dürfen eigentlich beim kranken Kehlkopfe nicht vorbeipassiren, sondern müssen stets in der Mundhöhle ordentlich zerkaut und eingespeichelt werden, so daß man sie dann als weichen Brei verschluckt.

Wer sein Stimmorgan zum Sprechen oder Singen sehr nöthig hat, sollte die angegebenen diätetischen Regeln nicht blos bei krankhaftem Zustande seines Kehlkopfs gehörig befolgen, sondern zum Theil auch zur Vermeidung von Kehlkopfleiden beachten. Der Respirator ist für Solche ganz unentbehrlich; ihnen kann vorzüglich der Uebergang aus warmer in kalte Luft, und zwar besonders dann, wenn der Kehlkopf durch Singen oder angestrengtes Sprechen erhitzt ist, sehr gefährlich werden; ebenso hat auch das Trinken kalter Flüssigkeit nach Kehlkopfsanstrengung seine Gefahren. Daß Staub und Rauch die Stimme belegt, ist bekannt. Auch geben nicht selten Erkältungen der äußern Haut, namentlich der Füße, des Halses und Nackens, Veranlassung zur Heiserkeit (in Folge des Kehlkopfkatarrhes). Eine vorsichtige und allmähliche Gewöhnung des Halses, und überhaupt der äußern Haut, an kalte Luft und kaltes Wasser ist Jedem anzurathen, jedoch muß diese Gewöhnung ja recht vorsichtig und allmählich geschehen, wenn sie nicht anstatt Heil Unheil anrichten soll. – Der Abergläubische trägt Amulete von echt indigoblauer Seide, Bernsteinketten, Acajounüsse und andern Hokuspokus als Schutzmittel gegen Kehlkopfsleiden um den Hals. – Der homöopathisch gesinnte Kranke soll (nach Müller) wenn er bei seiner Heiserkeit eine verdrießliche und stille Gemüthsstimmung hat, Feldchamille einnehmen, Brechnuß aber dann, wenn seine Stimmung eine mürrische und zänkische ist.

Schließlich soll hier noch auf eine ab und zu auftretende Heiserkeit aufmerksam gemacht werden, bei welcher die Stimme schwach, klanglos und ungleich, weniger metallisch, vorübergehend rauh, bald hoch und überschlagend, bald tief und monoton erscheint. Lautes und längeres Sprechen und Singen erzeugt Schmerzen und Trockenheitsgefühl in der Kehle, bisweilen auch Nöthe und Hitze des Ohres. Diese besonders bei Kanzelrednern und Schullehrern beobachtete Stimmverstimmung rührt von zu starker Anstrengung des Stimmorgans her und bedarf zu ihrer Heilung der allergrößten Ruhe des Kehlkopfes.

Bock.




Blätter und Blüthen.


Fingerzeig für künftige Nationalfeste. Voraussichtlich und hoffentlich sind die drei großen deutschen Nationalfeste des vergangenen Sommers: das Schützenfest zu Gotha, das Nürnberger Gesangsfest und das Turnfest zu Berlin, nur der glänzende Anfang einer größern Reihe ähnlicher erhebender Feierlichkeiten gewesen, und die Zukunft wird für eine würdige Nachfolge dieser Feste sorgen. Die Erfahrungen, welche auf den drei genannten Festen gemacht wurden, kommen den künftigen zu Gute, und wir möchten in dieser Hinsicht nach dem übereinstimmenden Urtheile so Vieler ganz besonders Nürnberg und die dort getroffenen Einrichtungen in wohl jeglicher Hinsicht als Muster empfehlen. Eine würdevolle Ausstattung eines solchen Festes ist von großem Einflusse auf alle Theilnehmer. Malerei und Dichtkunst müssen Hand in Hand gehen, um derartigen Festen die höhere Weihe zu geben, wie dies in letztgenannter Stadt der Fall war. Nürnberg benutzte diese Gelegenheit, um seinem gerechten Stolze auf eine große Vergangenheit Ausdruck durch Wort und Bild zu geben, und die Art und Weise, in welcher dies geschah, hat sicher alle Besucher mit Achtung und Ehrfurcht erfüllt. Es liegt hierin ein Fingerzeig, den andere Städte, welche künftig derartige große Feste veranstalten, nicht unbenützt vorübergehen lassen dürfen, und ganz besonders aus diesem Grunde kommen wir noch einmal auf denselben Gegenstand zurück. Zwar ist in diesen Blättern schon eine ausführliche Beschreibung des Nürnberger Gesangsfestes erschienen, dabei aber der Bilder und Festsprüche nur oberflächlich gedacht worden. Es war jedoch so Vorzügliches in Reim und Bild geboten, daß eine nachträgliche Erwähnung derselben gewiß nicht ungerechtfertigt erscheint, indem sie gleichzeitig ein Sporn zu würdiger Nacheiferung sein soll.

Zwei deutsche Kaiser, Friedrich III. und sein Sohn und Nachfolger Maximilian I., waren es, die eine große Anhänglichkeit für Nürnberg an den Tag legten und wiederholt ihren Aufenthalt dort nahmen. Zwar besuchten sowohl frühere als spätere kaiserliche Machthaber Nürnberg ebenfalls, aber da gerade die herrlichste Blüthezeit der Stadt in die Regierungsperiode der beiden oben genannten Kaiser fiel, so ist deren Vorliebe für die herrliche deutsche Reichsstadt wohl erklärlich. Friedrich III. zu Ehren veranstaltete Nürnberg ein glänzendes Turnier auf dem Herrenmarkte, und die schöne bildliche Darstellung desselben nahm jetzt am Rieter’schen Hause einen gewaltigen Raum ein. Kaiser Maximilian’s war am Scheuerl’schen Hause gedacht, wo er wiederholt wohnte. Der ritterliche, galante Herr zog die Wohnung im Hause des angesehenen Bürgers dem Aufenthalte in der gewaltigen Burg droben immer vor. Auf dem großen Bilde erscheint Maximilian als Hochzeitsgast im Scheuerl’schen Hause, wo der reiche Tucher sich mit des Hausherrn Schwägerin vermählt. Auch auf dieser Darstellung war der Glanz und Reichthum der Stadt zu jener Zeit gebührend hervorgehoben. Darunter standen die Verse:

Es ging hier, in der Scheuerl Bürgerhaus
Als Gast der Kaiser selber ein und aus,
Wollt’ er der Hofburg stolzes Prangen meiden.
Drum bleibet Nürnberg, das den Fürsten ehrt,
Doch auch was hält auf eignen Werth,
Sein Kaiserstüblein lieb für alle Zeiten.

Noch mehr als durch Pracht und Reichthum glänzte Nürnberg im Mittelalter durch seine Künstler und Gelehrten, und dieser herrlichen Männer durch Bild und Reim zu gedenken, war bei dem Feste das edle Bestreben des neuen Nürnberg gewesen.

Albrecht Dürer’s Geburtshaus und auch das Haus, wo der edle Künstler später wohnte, waren durch tiefempfundene Bilder geziert. Jenes zeigte den Genius der Kunst, wie er dem Neugeborenen den Weihefuß auf die Stirn drückt, das letztere den frommen Künstler in seinem späteren Wirken mit dem Spruch darunter:

Von diesem schlichten Bürgerhaus
Ging einstens eine Leuchte aus,
Die spendete reinen göttlichen Schein
Weit über alle Lande hinein;
Das Licht strahlt hell und wird nimmer getrübt,
So lang eine Kunst, eine deutsche, es giebt.

Des unsterblichen Volksdichters Hans Sachs war an dessen Wohnhause nicht minder würdig gedacht. Das Bild zeigte ihn uns in seiner Werkstatt dichtend und von Thalia, der Muse, umschwebt, wahrend auf der andern Seite der Schalksnarr stand, dem Sachs in seinen spätern Jahren, durch dessen Schwänke und Erzählungen unwiderstehlich angezogen, lange Zeit folgte. Unter dem Bilde war zu lesen:

Die Ihr vor meinem Hause steht,
Laßt Euch, bevor Ihr fürbaß geht,
Noch sagen einen guten Spruch:
Singen ist fein, doch nicht genug.
Müßt treulich, was die Meister sagen,
Auch heim in Stadt und Häuser tragen,
Daß Fried’ und Einigkeit erwachs’
Durch’s deutsche Land: das wünscht Hans Sachs.

Die Häuser der altberühmten Künstler Adam Krafft, Peter Vischer und Veit Stoß waren ebenfalls in gleich würdiger Art verziert, und daß man bei dieser Gelegenheit auch des Ortes gedachte, wo vor alten Zeiten die Meistersänger Nürnbergs zusammenkamen, war vorauszusehen. Am Katharinensaale, dem ehemaligen Versammlungsorte der edlen Zunft, war das Bild eines Meistersängers angebracht mit der Inschrift:

Ihr Sänger einer neuen Zeit,
Wir grüßen Euch mit Freudigkeit.
Und weil Ihr auch zur Zunft gehört,
Seid doppelt drum von uns geehrt.
Wir kehren im Geiste bei Euch ein
Und wollen gute Merker sein.

Draußen in der Festhalle wurde freilich nicht nach Art der alten Meistersänger in der Rosmarin-Weis, in der geblümten Paradies-, Gelblöwen- haut-, scharf Meisterwurz-Weis und wie die Weisen alle heißen mögen, gesungen, dafür erklangen aber Lieder voll inniger Vaterlandsliebe und Kraft vom Gemerke[1] herab, so daß Ihr wohl leicht den Sängern der Neuzeit Euern ersten Preis, den König-David-Gewinn, zugesprochen hättet, wenn es Euch vergönnt gewesen wäre, die gewaltigen Tonmassen daherbrausen zu hören.

Dem edlen Pirkheimer und dem gelahrten Behaim war an deren einstigen

  1. Gemerke hieß das Gerüste, worauf die Meistersänger standen, und Merker nannte man die Vorsteher der edlen Zunft.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 671. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_671.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2022)