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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

die sie bis Mitte des dreizehnten Jahrhunderts besaß. Da das Testament des letzten Herzogs von Meran nach dessen wahrscheinlich gewaltsamem Tode unterschlagen worden, so griff nach seinen Ländern, wer nur Macht hatte, und der mächtige Graf Otto der Gewaltige von Orlamünde, dessen Gattin eine Schwester des Herzogs war, nahm die Herrschaft Plassenburg und das meranische Vogtland, aber nach noch nicht vollen hundert Jahren ging Plassenburg an die Burggrafen von Nürnberg, die hohenzollersche Dynastie, über. Damit begann die zweite Glanzperiode der Plassenburg (1340). Im Jahre 1415 erwarb Burggraf Friedrich von Kaiser Sigismund die Mark Brandenburg und wurde Kurfürst, und in seinen Enkeln theilt sich das hohenzollernsche Haus in die kurfürstliche und markgräfliche; (fränkische) Linie. Der Stifter der letztem, welche 1603 ausstarb, war eben jener Markgraf Friedrich der Aeltere. Ein hochromantischer, überschwänglicher Charakter, wie das hohenzollernsche Haus deren mehrere aufzuweisen hat, überließ er sich gern allen möglichen prächtigen, ritterlichen Einfällen, selbst in den höhern Lebensjahren.

Die Laune des Schicksals hatte ihm in seinem ältesten Sohne, Kasimir, einem kalten grausamen, versteckten, dem seinigen entgegengesetzten Charakter, einen furchtbaren Gegner gegeben. Dieser verführte zwei seiner Brüder zu einer Verschwörung gegen den Vater, und nach einem prächtigen Fastnachtsbanket und Tanz im Schlosse 1515 überfielen die beiden Prinzen Kasimir und Johann den Vater im Bette, zwangen ihm mit dem Degen in der Faust ein Abdankungsdocument ab und sperrten ihn als wahnsinnig zwölf Jahre in einen Thurm. Und Niemand wehrte dem scheußlichen Verbrechen. Aber eine gerechte Nemesis waltete über der ruchlosen That. Ein Dichter könnte die poetische Gerechtigkeit in Bezug auf die Schuld dieses Hauses nicht schöner handhaben, als das Schicksal sie übte. Markgraf Georg, der zweite Sohn des gemißhandelten Vaters, hatte seine Zustimmung zu der That gegeben – er weilte am burgundischen Hofe und ging mit der schönen Maria, Erzherzogin von Oesterreich und Burgund, als sie die Gemahlin des jungen Königs Ludwigs II. von Ungarn wurde, nach Ungarn – und theilte sich dann mit Kasimir in die Herrschaft der fränkischen Lande. Und dieser Markgraf heißt wie zum Hohne „der Fromme“, blos weil er sich energisch für die Kirchenreformation erklärte, die ihm Zuwachs an Gut und Macht gewährte.

Kasimir starb 1527, 45 Jahre alt, an der Ruhr unter freiem Himmel als kaiserlicher General in Ungarn, und sein Vater wurde nun frei und regierte noch neun Jahre. Er war nie geisteskrank gewesen. Kasimir’s Sohn aber ist der wilde Parteigänger Markgraf Albrecht der Jüngere, Alcibiades genannt, der, seines Landes verlustig und geächtet, eine wüste Geißel Deutschlands, 1557 ohne Erben, noch nicht 36 Jahre alt, starb. Sein Andenken haftet wie ein Brandmal an dieser stolzen Burg, an diesem schönen Landstrich. Markgraf Johann starb in Spanien schon nach wenigen Jahren als Gemahl der Wittwe König Ferdinand’s des Katholischen von Aragonien, wahrscheinlich vergiftet, und mit Georg’s Sohn, dem Markgrafen Georg Friedrich, starb das Haus in Franken aus.

Der vierte Bruder, Albrecht, Hochmeister des deutschen Ordens, hatte sich allein der unkindlichen Gewaltthat widersetzt und, wiewohl vergeblich, wiederholt die Freilassung des Vaters verlangt. Und ihm, der sich auf Luther’s Rath zum erblichen Herzog in Preußen erklärte, verdankt die kurfürstliche Linie des Brandenburger Fürstenhauses die Erwerbung des Herzogthums Preußen und das spätere Königreich den Namen. Mit seinem blödsinnigen Sohne erlosch 1618 dieses Geschlecht.

Die fränkischen Lande fielen wie Preußen an das Kurhaus, und die beiden Söhne des Kurfürsten Johann Georg gründeten, Markgraf Christian die Baireuther, Markgraf Joachim Ernst die Ansbacher Linie.

Mit dem Glanz der Plassenburg war es aus. Zwar wurde sie nach ihrer Zerstörung durch die fränkischen Bundesstädte in der wüsten Fehde mit Markgraf Albrecht dem Jüngern, 1554, durch Markgraf Georg Friedrich mit den Entschädigungsgeldern der zu ihrem Schaden so rachsüchtigen Bundesstädte prächtiger wieder aufgebaut, und sein Nachfolger, Markgraf Christian, verschönerte sie durch Erbauung der hohen Bastei und anderweitig sehr, aber die Fürsten residirten nun in Baireuth; die stattliche Bergfeste war und blieb verlassen. Es war doch, als ob nach der Schandthat, welche die Söhne am Vater begangen, ein Fluch auf dem Geschlecht und ihrer Wohnstätte ruhte. Das verbrecherische Fürstengeschlecht erlosch, das Fürstenschloß, wo das Verbrechen begangen, wurde – ein Zuchthaus.

Die erste wichtige Folge des gewaltigen Stoßes, welchen das in seinem Staatsorganismus veraltete Königreich Preußen von der jugendlichen Macht des über Nacht zum Imperator gewordenen corsischen Soldaten im Herbst 1806 erhielt, war das Losreißen der fränkischen Fürstenthümer, die, von französischen Präfecten administrirt, vier gräßliche Jahre durchzumachen hatten. Die Plassenburg erlebte als Festung ihre letzte Katastrophe; an ein baierisch-französisches Belagerungscorps durch Capitulation übergeben, wurden auf Napoleon’s Befehl ihre Festungswerke demolirt (1806–1807), und sie stand nun mit dem Baireuther Lande unter dem wahrhaft entsetzlichen französischen Gouvernement, das dran und drauf war, das blühende Land in eine Wüste zu verwandeln. Der 30. Juni 1810 brachte das gedrangsalte Land endlich an die Krone Baiern, welche die Plassenburg zum Landeszuchthaus einrichten ließ.

Die demolirten Gräben und Wälle sind unter der baierischen Regierung zu Gartenanlagen geebnet worden, auch haben die Baulichkeiten manche Veränderung, ihrem jetzigen Zweck entsprechend, erfahren. Aber immer noch ist sie einer der reizendsten Landschaftspunkte des an Schönheit so reichen Oberfrankens.

Wir verließen die einst so stolze und nun so tief gedemüthigte Akropolis mit sehr gemischten Gefühlen.




Die deutsche Flottenmacht.

Seitdem der Krieg mit Dänemark uns wieder näher rückt, geht der Ruf nach einer Flotte durch alle Gauen des gemeinsamen Vaterlandes, und von Neuem beginnt das deutsche Volk in alter Opferbereitwilligkeit die Flottensammlungen. Das schmähliche Ende, welches die gleichen Anstrengungen vor kaum 10 Jahren nahmen, anstatt den Eifer zu lähmen, hat nur dazu geführt, die Energie der Bewegung zu verstärken und ihr zum Richtzeig zu dienen über den einzig praktischen Weg, den man einzuschlagen hat, um nicht nochmals gleichem Schicksal anheim zu fallen. Preußen ist es, so lange es an einer deutschen Centralgewalt gebricht, Preußen, dem die Flottengaben von allen Seiten zufließen, dem man die Schiffe anvertraut wissen will, welche aus den gesammelten Geldern erbaut werden sollen. Nur unter preußischer Flagge, das leuchtet Allen mehr und mehr ein, kann die Anerkennung der deutschen Flagge auf dem Meere erkämpft werden,[1] und in den Reihen der preußischen Marine mag wohl der Verlust im Kampfe, aber niemals der Auctionshammer die Ehrengabe der Nation bedrohen.

Unter allen den verschiedenen Sammlungen ist in jeder Beziehung die von dem deutschen Nationalverein in seiner letzten Generalversammlung durch Beschluß vom 24. August d. J. zu Heidelberg eingeleitete weitaus die bedeutendste. Im Gegensatz zu den Einzelsammlungen bringt der Nationalverein Plan und Zusammenhang in die Bewegung, erörtert Ziele und Mittel mit Rücksicht auf die Meinungen der Fachmänner, und kümmert sich namentlich um das von der preußischen Regierung selbst befolgte System der Küstenvertheidigung und das, was dieselbe bisher dafür geleistet hat. Den übrigen nicht selten phantastischen, auf eine völlige Verkennung der vorhandenen Kräfte und nächsten Aufgaben hinauslaufenden Projecten gegenüber, faßt er die Agitation in einen einzigen praktisch erreichbaren Zweck zusammen: den Bau von Dampfkanonenbooten, zum Schutz unserer Nord- und Ostseeküsten, und die Aushändigung der gesammelten Gelder zu diesem Zweck an das preußische Marineministerium.[2]

  1. Die Drohung einer namhaften europäischen Seemacht, als in einem unbedeutenden Gefecht in den schleswig-holsteinischen Gewässern drei Kriegsdampfer der damaligen deutschen Marine am 4. Juni 1849 Theil nahmen, „diese Schiffe im Mangel einer anerkannten Flagge als Seeräuber behandeln zu wollen,“ ist bekannt.
  2. Der Beschluß vom 24. August lautet: „Da zur Zeit eine deutsche Centralgewalt nicht vorhanden ist, wird die vom Nationalverein heute bewilligte Summe und werden ferner die gesammelten Bestände, sobald sie den Betrag von 10,000 Gulden erreicht haben, an das preußische Marine-Ministerium abgeliefert, mit der ausdrücklichen Bestimmung, die Gelder zum Baue der zum Schutze der deutschen Nord- und Ostseeküsten bestimmten Boote in den Reihen der preussischen Kriegsmarine zu verwenden.“
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 654. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_654.jpg&oldid=- (Version vom 21.10.2022)