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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Markgrafen Albrecht dem Jüngern, Alcibiades, so ist es doch heute noch Verkünder der alten Fürstenherrlichkeit.

Diese geschichtlichen Erinnerungen waren wohl geeignet, meine heitere Stimmung zu verstärken, da ich mich so gern dankbar derer erinnere, von welchen die guten Gaben kommen, die mich erfreuen. Ohnedies habe ich von Jugend auf einen stillen sympathetischen Zug zu diesen kleinen fürstlichen Häusern gehabt, die in ihrer Nähe Gesittung und Wohlstand wachriefen, wie ein Springbrunnen Gras, Blumen, Gesträuch und Bäume. Die alten Markgrafen von Kulmbach segnend, betraten wir die prächtige Landstraße, die sich in Schneckenlinie den schön geformten Berg emporzieht, auf dessen Gipfel die imposante Plassenburg als reiche Mauerkrone ruht, die uns schon längst in den Maingrund hinabgeleuchtet. In

Die Plassenburg.

der That ist ihr erster Anblick schon überraschend, ehrfurchtgebietend, fürstlich.

„Ja!“ rief mein Freund, „wenn auch eine fürstliche Wittwe, ist und bleibt sie doch eine adelstolze Fürstin, eine Verkünderin deutschen Fürstenlebens der Vorzeit, und auch sie ist eine würdige Stufe des preußischen Königsthrones, wie die Burg Hohenzollern und die Burg in Nürnberg.“

„Um so mehr hätte man sie mit Pietät behandeln sollen,“ nahm Frau Sophie das Wort, „um so billigere Scheu hätte man tragen sollen, die edle Fürstenwittwe zu mißhandeln, die ehrwürdige Thronstufe zu entweihen.“

Ich sah sie fragend an.

„Sie wissen wohl noch nicht, daß die Plassenburg jetzt Landeszuchthaus ist, in welchem die schlimmsten Verbrecher ihre Strafe verbüßen? Auf der Thronstufe des preußischen Königshauses spalten Züchtlinge Holz. Ist das nicht die ärgste Profanation des stolzen Residenzschlosses vom brandenburgischen Franken?“

„Der Gegensatz zwischen den letzten fürstlichen Bewohnern des Schlosses und den jetzigen ist allerdings stark und grell,“ entgegnen ich, „aber die Weltgeschichte liebt solche Contraste, um uns den wahren Werth der menschlichen Dinge zu Gemüth zu führen.“

„Wenn die Regierenden selbst so wenig Pietät für die Stammsitze ausgestorbener Fürstenhäuser zeigen, was soll man vom Volke verlangen? Muß man nicht unwillkürlich daran denken: was werden in ein- oder zweihundert Jahren die heutigen Residenzschlösser sein?“

„Spinnfabriken, werthe Frau!“

„O, gehen Sie doch mit Ihrer Prosa! Soll denn alle Poesie aus dem Leben unsrer Nachkommen schwinden? Der Anfang ist allerdings dazu gemacht.“

„Nicht doch! Die Poesie stirbt nie; denn ihre Quelle, das Volksleben, versiecht nicht. Ich werde mir z. B. meine poetische Stimmung durchaus nicht von den Züchtlingen der Plassenburg stören lassen, und da der Himmel den Poeten in dieser Richtung gnädig zu sein pflegt, so empfange ich vielleicht gerade von den Züchtlingen poetische Anregung.“ In der That fiel mir beim Anblick der stolzen Bergfeste über unsern Häuptern, des schmucken Städtchens unter unsern Füßen und der reichgeschmückten, vom Strom durchzogenen Thalau – ich weiß nicht wie – Goethe’s Zueignung zu seinen Gedichten ein:

„Aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit,
Der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit.“

Wir waren oben, wir wußten nicht wie, und kehrten gleich in das erste Haus der Festung, das Wirthshaus, ein. Ein frischer Trunk des berühmten Kulmbacher Biers schmeckte auf die Anstrengung des Bergsteigens vorzüglich gut. Ein Soldat von der zunächst gelegenen Hauptwache führte uns in die „alte“ oder „obere Burg“ zu dem Director der Strafanstalt, dessen Erlaubniß zur Besichtigung der Localitäten einzuholen ist. Wir passirten zunächst den geräumigen untern Hof, der mir schon wegen seiner Baulichkeiten imponirte. Am meisten fällt eine kühn emporragende Bastei mit einem auf den Hof mündenden verzierten Portal in die Augen. Ueber dem Portale sieht man die etwas histrionisch gehaltene Reiterstatue des Markgrafen Christian – Sohn des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg und Stifter der neuen Baireuther Linie – mit einer lateinischen und einer deutschen versificirten Unterschrift in demselben Geschmack. Dieser Fürst erbaute die hohe

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 652. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_652.jpg&oldid=- (Version vom 21.10.2022)