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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)


Daß schon in früher Jugend seine Darstellungsgabe mit Griffel und Stift Befriedigung suchte, ist nichts Ungewöhnliches; seine Versuche hatten jedoch in seinem Familienkreise wohl kaum die entsprechende Beachtung gefunden. Da kamen einige seiner Skizzen und Zeichnungen nach der Natur einer menschenfreundlichen Dilettantin vor Augen, einer Frau Zoepritz (geb. v. Hartmann aus Stuttgart), die dem jungen Talent ihre Unterstützung anbot: der strebende Knabe sollte bei ihr Unterweisung im freien Handzeichnen genießen. Noch heute erzählt Böttcher mit Freude, wie jenes Anerbieten ihn in solche Aufregung versetzt habe, daß er dadurch mehrere Nächte um seinen Schlaf gekommen sei.

Gleichwohl stand es um seine Künstlerlaufbahn noch immer schlimm genug. Um seinen Eltern die schwere Sorgenlast zu erleichtern, nahm er nach seinem Austritt aus der Schule einen Schreiberdienst bei dem Gerichtsnotar in Heidenheim an; seine karge Einnahme vermehrte er durch Unterrichtertheilen im Französischen, das ihm von Haus aus geläufig war, und endlich malte er von ihm selbst erfundene Wappen für Jedermann, Stück für Stück zu sechs Kreuzer. Namentlich aus der letztern Einnahme erschwang er sich nach und nach ein Ersparniß von fast vierzig Gulden. Diese Summe in der Tasche und fünfzehn Jahre im Rücken, da war die Welt sein und er entschlossen, in ihr sein besonderes Glück zu suchen. Sein nächstes Ziel war Stuttgart, wohin die für ihn nur halb entschleierten Geheimnisse der Lithographie ihn lockten.

Trotz der Abmahnungen seines Vaters und der Frau Zoepritz führte er seinen Vorsatz aus. Durch die Empfehlungen des Geheimraths v. Hartmann, des Vaters seiner Wohlthäterin in Heidenheim, fand er Beschäftigung für die Georg Ebner’sche Kunst- und Verlagshandlung, er illuminirte, lithographirte, zeichnete Portraits, das Stück zu 24 Kreuzer, wie es eben kam, und besuchte nebenbei noch die Kunstschule. Hier übte er Hand und Auge nach der Antike und dem lebenden Modell und fand an dem Director Sammler, sowie an den Professoren Seibert humane Förderer seines Talents.

Das Jahr 1838 rief ihn in seine preußische Heimath zurück, um der Militärpflicht Genüge zu leisten. In Düsseldorf machte er sein Examen zum freiwilligen einjährigen Dienst, den er jedoch erst im Jahre 1841 anzutreten hatte. Die Zwischenzeit benutzte er zu lithographischen Arbeiten, sowie zum Portraitiren. Erst im Jahre 1844, beinahe sechsundzwanzig Jahre alt, bezog er die Akademie, mit dem Entschluß, sich fortan vorzugsweise dem Genre zu widmen, und er that dies mit raschem Erfolge. Den Anfänger, den wir damals 1844 in der zweiten Malclasse des Professors Theodor Hildebrandt sahen, finden wir schon 1847 als Schüler Schadow’s in der Meisterclasse. Er gehört nun längst zu den besten Künstlern der Düsseldorfer Schule.

Auch als Menschen hat ihn das Glück liebgewonnen; eine glückliche Ehe tritt ihm mit ihren reizenden Bildern entgegen, so oft er die eigenen auf der Staffelei verläßt. Auf diese letzteren werfen wir nun noch einen besondern Blick. Man erkennt in ihnen einen vorherrschend idyllischen Charakter, weil Böttcher seine Volksscenen meist in die freie Natur verlegt, und zwar am liebsten in die des Rheins und der Lahn, des Taunus und des Schwarzwalds. Seine ersten Bilder zeigen uns nur Gruppen von wenigen Figuren, wie „den Invaliden mit seinem Führer“ (Eigenthum des rheinischen Kunstvereins), „Kinder in einem Korbe“, eine „Heimkehr vom Felde“, „die Entlassung eines Gefangenen aus dem Kerker“ (der damaligen „socialen“ Richtung der Düsseldorfer Kunst zugehörig), „die Mutter mit dem Kinde, mit dem Hofhahn spielend“, „die Mutter an der Wiege des Säuglings“, „ein junges Ehepaar vor der Hausthür, mit seinem Knaben kosend“. „der Bursch am Fenster seiner Geliebten“, „Kinder, auf einem Schubkarren durch den Wald fahrend“, Alles zu Herzen sprechende Gegenstände. Gerade diese verleihen aber auch seinen späteren größeren und umfangreicheren Compositionen ihren fesselnden Reiz. Wir erinnern an „Rheinische Dorfjugend“, die in einem Bauerngehöfte „Fuhrmanns“ spielt, ferner die „Heimkehr vom Schulfeste“, den Schulmeister mit der Flöte an der Spitze, ein Bild voll volksthümlichen Humors, einen „Abend im Schwarzwald“, und auch sein „Abend nach der Schlacht“ (ein graubärtiger Krieger und die Marketenderin vor der Leiche eines jungen Gardisten, vom Mond beleuchtet) gehört hierher; ebenso der „Rheinische Erntezug“, der zuerst als Aquarell in dem bekannten Rheinlandsalbum für den Prinzen und die Prinzessin von Preußen erschien, „die Heuernte“, die auf der Brüsseler Ausstellung besonders hervorgehoben wurde, und „der Abend am Rhein“, der durch die Illustrirte Zeitung (Nr. 899) weitere Verbreitung fand.

Eine der jüngsten seiner liebenswürdigen Gaben, den Knabenzwist, theilen wir als eine Probe von des Meisters Griffel hier mit. Wir haben Spielgenossen vor uns, die aus der Schule kommen. Dafür zeugt am Boden das Buch und die Schiefertafel mit dem Schwamm an der Schnur. Sie waren gut mit einander auf dem ganzen Wege, der Unfriede ist plötzlich ausgebrochen, und zwar augenscheinlich vor der Wohnung desjenigen der kleinen Helden, bei dem wir, wie der Thüringer Volkswitz sagt, den „großen Herrn“ hinten heraus hängen sehen. Er ist offenbar der Schwächere, aber er steht unter dem Schutze des Sultans, der in sichtlicher Freude am Scandal seine drohenden Blicke gegen den andern Knaben schießt. Dieser erscheint als ein entschlossener Bursche, der gewohnt ist, sich selbst zu helfen; dafür spricht wenigstens der Pflock, mit dem er sinnreich einen abgerissenen Knopf für den Hosenträger ersetzt hat. Auch läßt seine Haltung auf die Lust zum Angriff schließen, während der Andere mehr auf die Defensive angewiesen zu sein scheint. – Ständen sie auf der Mensur, es erwartete Jedermann jetzt das Commandowort: „Los!“ – Man möchte gar gern sehen, wie der Kampf beginnt und wie die Intervention des Sultans ausfällt; – aber unser Warten hilft nichts, es bleibt auch aus unserm Bilde bei der Kriegsbereitschaft, die Jungen beharren beim Princip der freien Faust, und der arme Sultan hat das Zusehen, wie wir.

F. H.


Aus den Zeiten der schweren Noth.

Nr. 5.
Buchhändler Palm.
Von Th. Oelckers.
(Schluß.)


Am 9. August traf Palm von München in Nürnberg ein. Mancher Warnungen ungeachtet hielt er sich für sicher. Aus den Zeitungen erfuhr er indeß die Verhaftung des Augsburger Buchhändlers und begab sich auf Zureden der Seinigen zu seinem Oheim und ehemaligen Lehrherrn nach Erlangen, welches damals noch preußisch war. Aber schon nach einigen Tagen trieb ihn die Sorge um seine Familie und um sein Geschäft nach Nürnberg zurück. Inzwischen hatte der dort commandirende französische General Frère von Paris den Befehl erhalten, Palm zu verhaften. Dieser fand jetzt für gut, sich in seinem Hause verborgen zu halten. Man bediente sich einer List, um zu erfahren, ob er anwesend sei. Es erschien in seinem Buchladen ein zerlumpt gekleideter Junge, der ein von etlichen angesehenen Bürgern unterzeichnetes Attest vorwies, auf Grund dessen er um Unterstützung für seine Mutter, eine arme Soldatenwittwe, bettelte. Er bat, Herrn Palm, von dem er schon früher beschenkt worden, persönlich sprechen zu dürfen. Der Commis ging mit dem Attest nach einem der oberen Zimmer des Hauses, wo sich sein Herr versteckt hielt, theilte diesem das Verlangen des Jungen mit, und arglos ließ Palm denselben kommen, sah sein Attest an und beschenkte ihn. Kaum war der Junge fort, als zwei französische Gensd’armen im Buchladen erschienen, welche der Bettler von Palm’s Anwesenheit unterrichtet hatte. Ohne sich mit Fragen aufzuhalten, verfügten sie sich sogleich in das ihnen schon bezeichnete zweite Stockwerk des Hauses und betraten Palm’s Zimmer mit der Aufforderung, sich anzukleiden und mit ihnen zum commandirenden General zu kommen.

Palm’s Verhaftung erregte ungeheueres Aufsehen in der Stadt.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 646. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_646.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)