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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Ein deutscher Volksmaler.

Schlage ’mal her!
Originalzeichnung von C. E. Böttcher.

Ein deutscher Volksmaler – so nennen wir unsern C. E. Böttcher. Nachdem durch Männer wie Salzmann, Gellert, R. Z. Becker, Zschokke, Hebel, Auerbach, A. Bernstein u. A. die Würde eines deutschen Volksschriftstellers auf eine hohe Stufe der Achtung im Volke erhoben ist, und besonders seitdem das „Volk“ selbst diesen einst durch die sogen. Leute „von Geburt“ so geschändeten Begriff wieder zu Ehren gebracht hat, wird auch die deutsche Künstlerwelt uns nicht mehr zürnen, wenn wir als den Nächsten an der Seite des Volksschriftstellers den Volksmaler erkennen. Beide, der Schriftsteller wie der bildende Künstler des Volks, arbeiten an derselben Aufgabe: dem Volke sein eigenes Bild vorzuführen, in der Gegenwart wie in der Vergangenheit, in seiner öffentlichen und geselligen Bewegung, wie in seinem Familienleben. Beider Streben ist, mit dem Griffel der Wahrheit dem Volke das Schöne, Edle, Gute in seinem eigenen Wesen vorzuzeichnen und in ihm den rechten Abscheu vor dem Gegentheil von dem Allen zu erregen. Beide verfolgten dasselbe Ziel, so lange auch Jeder seinen eigenen Weg ging; erst die Gegenwart hat ihnen jedoch eine gemeinsame Bahn angewiesen in der illustrirten Volksliteratur.

Es ist zwar nicht immer erforderlich, aber es ist häufig, daß diese schreibenden, dichtenden und bildenden Männer des Volks auch aus den Reihen desselben, ja selbst aus der Armuth stammen und durch eigene Kraft und etwas Glück die Höhe im Leben errungen haben, von der aus sie wieder zurückwirken auf die Schichten ihres Ursprungs. Letztere Schule ist offenbar eine gute, wenn auch eine harte, denn es ist doch wohl Etwas daran, daß derjenige, welcher selbst barfuß lief, am besten weiß, wie das thut und ist.

Aus dieser Schule ging auch Böttcher hervor. Sein Geburtsort ist das Dorf Imgenbroich auf der hohen Veen, im Regierungsbezirk Aachen, sein Geburtstag war der 9. December des Jahres 1818 und er selbst das zwölfte Kind seiner Eltern, die dann noch fünf Mal taufen lassen mußten. Für solch reichen Himmelssegen erwies sich jedoch ihr irdisches Gut als zu gering; die Tuchfabrik des Vaters konnte die steigenden Bedürfnisse der Familie nicht aufbringen, er verkaufte sein gesammtes Anwesen in Imgenbroich und zog nach Württemberg, wo ihn, bei Heidenheim die Leitung einer Fabrik übergeben wurde.

Hier führte die Kunst dem armen Knaben das erste Glück zu.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 645. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_645.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)