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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

ist, und so lange nicht das Geheimniß entdeckt wird, den Charakter der Negerrace völlig zu ändern, wird auch die Sclaverei für die südliche Hälfte der Vereinigten Staaten ein nothwendiges Uebel bleiben. Die schwarze Race besteht so lange als die weiße und gelbe; während aber die beiden letzteren, die weiße voran, eine Culturstufe nach der andern erklommen, befinden sich die Negerreiche Afrika’s noch in demselben rohen, primitiven Zustande, in dem sie vor tausend Jahren waren, und es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß die niederen Negerarten da, wo sie durch das Zusammenleben mit den Weißen eine Art Civilisation angenommen haben, Schritt für Schritt zurücksinken, sobald sie sich selbst überlassen bleiben. Die Neger-Colonie Liberia in Afrika, die gegründet wurde, um nach und nach den befreiten Schwarzen in den Vereinigten Staaten ein passendes Vaterland zu schaffen, giebt schon jetzt, nach der verhältnißmäßig kurzen Zeit ihres Bestehens und trotz der Bemühungen der dortigen Missionaire, einen schlagenden Beleg dafür. Die freien Schwarzen in den nördlichen Staaten Amerika’s aber, einschließlich der beiden (englischen) Canada’s, werden als eins der größten Uebel betrachtet, sie bilden die arbeitsscheue, zum größten Theile bildungsunfähige Hefe der Bevölkerung, und einzelne, neu in die Union eingetretene Staaten haben die Niederlassung freier Schwarzen gesetzlich ganz verboten. Daß sich einzelne Ausnahmen unter den amerikanischen Negern finden, auf welche das allgemeine Urtheil keine Anwendung hat, darf gar nicht abgeleugnet werden; einzelne glücklichere Organisationen aber können natürlich nichts im Verhältniß zu der großen, allgemeinen Masse wiegen. –

Und nun zum weitern Verständniß noch einige Worte über den Einfluß, welchen die Sclaverei auf die politischen Verhältnisse der Vereinigten Staaten übt.

Schon zu Anfange dieser Zeilen wurde bemerkt, daß der Norden bei Beseitigung seiner Sclaven diese zum allergrößten Theile nach dem Süden verkaufte; hierzu möge gefügt werden, daß bei Beschlagnahme amerikanischer Schiffe, welche mit der verbotenen Einfuhr afrikanischer Neger sich abgaben, sich keines vorfand, welches nicht durch nördliche Rheder ausgerüstet worden wäre, und so darf von einem Widerwillen des Nordens, als Ganzes, gegen die Sclaverei durchaus nicht gesprochen werden. Es giebt allerdings dort eine kleine fanatische Partei, die sogenannten Abolitionisten, welche – wie in früheren Jahren unsere radicalen Socialisten die ganze Welt zum Heile der arbeitenden Classen umgewandelt wissen wollten – direct auf eine Emancipation der Neger los arbeiten möchten; sie haben indessen einen kaum merkbaren Einfluß. Was die eigentliche Oppositionspartei gegen den Süden, die Republikaner, nach ihrem Programme erstreben will, ist nur, die Sclaverei auf das bis jetzt eingenommene Gebiet zu beschränken, sie nicht auf neue, noch unbesiedelte Gebietstheile auszudehnen, und hierin muß jeder Vernünftige zu ihnen stehen. Bei alledem aber darf der deutsche Zuschauer amerikanischer Ereignisse nie vergessen, daß diese „Einschränkung der Sclaverei“ nur ein Parteigrundsatz ist, eine Frage, auf welcher die verschiedensten politischen Elemente zu einer Partei sich zu vereinigen vermochten, und nur ein Mittel, zur Herrschaft über die andern Parteien der Union zu gelangen, daß es in Amerika wohl herrsch- und habsüchtige Parteiführer, aber fast nirgends einen wahren Patrioten giebt, und daß die Sclavereifrage immer nur eine Angelegenheit der Politik, nie aber der Humanität und der Cultur bildet. Und wenn jetzt die Abolitionisten und mit ihnen ein Theil verzweifelnder Republikaner das Geschrei erheben, die Sclaven zu befreien und den Süden durch Erregung von Sclavenaufständen zu ruiniren und zu unterjochen, so mag der deutsche Leser auch sicher sein, daß nie im Ernste daran gedacht werden wird, denn der Haupthandel des Nordens beruht auf den Sclaverei-Erzeugnissen des Südens, die Fabriken des ersteren werden zum allergrößten Theile durch den Süden erhalten, Geschäft und „Geldmachen“ aber ist das erste und höchste Evangelium des nördlichen Amerikaners, und der Ruin des Südens, wenn wirklich die ziemlich unausführbare Drohung zur Wirklichkeit würde, müßte ebenso den Ruin der nördlichen Handels- und Fabrikbezirke zur unausbleiblichen Folge haben.




Blätter und Blüthen.

Aus Jahn’s Leben. Die Tage, in denen die deutschen Turner sich in Berlin zusammenfanden, um dort den Grundstein für ein Denkmal des Begründers der deutschen Turnkunst zu legen, sind vorbei. Vieles ist in jenen Tagen über Jahn gesprochen, viele einzelne Züge aus seinem Leben sind erzählt worden, denn Allen war daran gelegen, das Bild dieses Mannes in ganzer Frische zu erfassen. Zwei Züge dürften vielleicht nicht unter den erzählten sein, wir theilen sie deshalb aus dem Munde zweier Augenzeugen hier mit.

Jahn gehörte bekanntlich zu den wärmsten Anhängern des Lützow’schen Corps, hatte er doch vorzugsweise zur Gründung desselben mit beigetragen, und treu hielt er mit ihm aus. Er war Hauptmann in demselben, und durch seine Ruhe und Entschlossenheit in Gefahren, durch seinen offnen, geraden Sinn hatte er sich die Liebe aller seiner Cameraden erworben.

Das Treffen an der Göhrde am 16. September 1813, die einzige Begebenheit, die aus den beschränkten Dimensionen des niederelbischen Krieges heraustrat und unmittelbar von einem wichtigen Erfolge begleitet war, wird mit Recht als der Glanzpunkt in der Geschichte des Lützow’schen Corps angesehen, denn 500 Mann Fußvolk und 500 Reiter unter Lützow’s Führung nahmen daran Theil, und ihnen blieb das Verdienst, durch ihre Entschlossenheit, durch ihre oft an Verwegenheit grenzende Tapferkeit den Kampf zum siegreichen Ausgange geführt zu haben. Freilich hatten die Lützower von allen Truppen, die an dem Kampfe Theil genommen, den schwersten Verlust, die meisten Todten und Verwundeten. Lützow selbst war im Schenkel und Unterleib schwer verwundet, mehrere der älteren und ersten Officiere waren theils getödtet, theils verwundet. Nur einige junge Officiere standen nach dem Kampfe an der Göhrde an der Spitze der Lützower, welche am Gefechte Theil genommen hatten. Diese Abtheilung wurde einstweilen mit dem Reich’schen Corps unter dem Major Reich vereint, mit welchem zugleich sie auch verproviantirt wurde.

Eifersüchtig auf den Ruhm, den die Lützower in dem Kampfe sich erworben, vernachlässigte der Major Reich sie absichtlich, und während seine Leute von Allem vollauf hatten, fehlte es den Lützowern nach dem heißen, mühevollen Tage an den nothwendigsten Bedürfnissen. Unwillen brach in ihren Reihen aus. Verschiedene andere kleine Unbilligkeiten von Seiten des Majors waren hinzugekommen, um ihn bei den Lützowern verhaßt zu machen. Lauter und lauter machte sich die Erbitterung unter ihnen geltend. Da ließ der Major sie und auch sein Corps antreten und hinaus aus dem Lager auf einen freien Platz marschiren. Beide Corps stellte er einander gegenüber auf, ritt dann vor die Lützower und ließ sie mit harten Worten an. Unruhe entstand in ihren Reihen. „Ruhig!“ rief der Major. „Noch ein Zeichen des Unwillens und Ungehorsams gebt, und ich lasse den zehnten Mann von Euch erschießen! Bei meiner Ehre!“

Manche der tapfern Lützower erbleichten vor stiller Wuth, andere stießen gewaltsam die Kolben auf die Erde, andere griffen unwillkürlich an das Schloß, und es zuckte in ihrer Hand loszudrücken und den Major zu erschießen. Die Erbitterung war auf’s Höchste gestiegen; offener Aufruhr und dann ein heftiger Kampf unter Waffengefährten war kaum noch zu vermeiden. Die jungen Officiere sprachen vergebens beruhigende Worte. Da sprengte ein Mann auf kleinem schwarzen Pferde über das Feld daher, er schien zu errathen, daß etwas Wichtiges vorging, denn die unruhige Haltung der Lützower konnte ihm nicht verborgen bleiben. Schon aus der Ferne rief er ihnen ein lautes „Guten Morgen, Cameraden!“ zu, welches die Soldaten mit einem lauten Hurrah und „Guten Morgen, Herr Hauptmann!“ erwiderten. Es war Jahn.

„Was giebt es?“ fragte er sie. Einige der Offieiere traten zu ihm und erzählten ihm Alles. Seine Augen leuchteten, und er warf auf den Major einen erbitterten Blick. Ruhig ritt er vor die Front seiner Leute und rief: „Achtung! das Corps hat mich zu seinem Führer erwählt, so lange der Major durch die Wunde verhindert ist Euch zu führen. Mir habt Ihr jetzt zu folgen und zu gehorchen – ruhig deshalb, Euch soll Euer Recht werden!“ Die Soldaten begrüßten ihn mit einem lauten Hurrah.

Dann wandte er sich an den überraschten Major Reich: „Herr Major,“ rief er, so daß alle seine Soldaten es hörten, „ich danke Ihnen für die Pflege und die Sorgfalt, welche Sie den Lützowern haben zu Theil werden lassen, ich danke Ihnen für Ihre freundliche Gesinnung und Aeußerung, den zehnten Mann erschießen lassen zu wollen, weil die Leute ihr Recht verlangten – ich danke Ihnen – dem General werde ich Bericht darüber erstatten!“

Der Major bebte vor innerster Erbitterung. Jahn wandte sich von ihm ab und zu seinen Soldaten. „Bataillon, rechts schwenkt!“ commandirte er und marschirte mit ihnen ab. – –

Im Jahre 1838 befand er sich mit seiner Frau und seinem Freunde, dem jetzigen Prediger Marschalt – dem er drei Jahre zuvor die „Denknisse eines Deutschen“ oder „Fahrten des Alten im Bart“ in die Feder dictirt hatte, und nicht, wie von Vielen angenommen wird, Karl Schöppach, der nur nach Jahn’s Anleitung die Vorrede dazu geschrieben – auf einer Reise in Thüringen. Zwölf Stunden von Freiburg entfernt, bemerkte ihn ein zufällig dort anwesender Freiburger und lief ihm mit der Botschaft entgegen: „Haben Sie das Unglück schon gehört? Ihr Haus ist niedergebrannt!“

Unwillkürlich trat Jahn erschreckt einen Schritt zurück. „Was macht die alte Großmutter und die Tante? Sind sie gerettet?“ rief er. Als er die Versicherung erhalten, daß Beide wohl und munter seien, trat er zu seiner Frau, welche über diese unerwartete Kunde fast in Ohnmacht gefallen war, und rief: „Frau, die Großmutter und die Tante leben und sind gesund – nun laß den Bettel brennen!“

Er hatte seine völlige Fassung und Ruhe wieder, aber dennoch trieb es ihn heim, um, wie er sagte, „die Todtenwacht auf der Brandstätte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 623. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_623.jpg&oldid=- (Version vom 15.10.2022)