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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

in der Luft schwebend hängen bleibt; die übrigen drei und die Locomotive kommen in Stücken unten an. 13 Todte und gegen 100 fast ausschließlich schwer Verwundete sind das Resultat dieser neuen, ebenso unbegreiflichen als unverantwortlichen Fahrlässigkeit. Der Anblick soll fürchterlich, unbeschreiblich erschütternd gewesen sein und die Körper der Getödteten sich in einem so vollkommen unkenntlichen Zustande befinden, daß bis heute Vormittag noch nicht eine der Leichen mit Bestimmtheit recognoscirt war. Ein mir bekannter Engländer, Augenzeuge dieses letztern Unglücks, sagte mir, daß ein junges, elegant gekleidetes Mädchen, dessen Alter er auf 16–17 Jahre schätzte, der Länge des Körpers nach in zwei Hälften getheilt war. Die zahlreichen Verwundeten hat man einstweilen in den drei zunächst gelegenen Hospitälern untergebracht. Es hatte sich ein wahrhaft panischer Schrecken der hiesigen Bevölkerung schon in Folge des ersteren Falles bemächtigt; Beweis dafür ist, daß das an Sonn- und Montagen von Londoner Excursionisten wimmelnde Brighton am letzten Sonntag und Montag fast ausgestorben war. Allein dieses neue, so schnell auf das erste folgende Unglück hat dem Schrecken die Krone aufgesetzt. Die Versicherungs-Gesellschaften, von denen in Nr. 33, Jahrg. 1860 der Gartenl. gesprochen worden ist, werden jedenfalls in Folge dieser beiden Katastrophen brillante Geschäfte machen.

Ich lobe mir doch dafür die deutschen Eisenbahnen; man mag eifern gegen die Bevorzugung, welche den gedienten Soldaten bei Besetzung von Civil-Beamten-Posten von fast allen deutschen Regierungen gegeben wird; in Bezug auf deren Placirung bei dem Eisenbahn-Betriebs-Personale möge man sich zu dieser Bevorzugung gratuliren; sie trägt unendlich zu der bei weitem größeren Sicherheit bei, deren sich das Leben der Eisenbahn-Reisenden in Deutschland erfreut.

Th. K. in London.




Amerikanische Studien nach der Natur. Nr. 1. Das Dienstmädchen. Das Dienstmädchen in Amerika zerfällt in drei abgesonderte Species: das amerikanische, das irische und das deutsche.

Das amerikanische Dienstmädchen stellt sich, als Amerikanerin, mit jedem andern weiblichen Wesen dieses Continents auf gleiche Höhe, vermiethet sich deshalb nicht, sondern geht nur einen Contract ein und verfügt völlig selbständig über ihre Zeit, sobald sie mit der für sie bestimmten Arbeit zu Ende ist. Wo in Deutschland die Herrschaften Nachweise über gute Führung fordern, da verlangt sie Nachweise der verschiedensten Art, ehe sie „einen Platz“ annimmt – wie viel Kinder vorhanden sind, wie oft Gesellschaft im Hause gegeben wird, ob auch sämmtliche Zimmer und Treppen mit Teppichen belegt sind,[1] wie lange frühere Dienstmädchen in der Familie gewesen sind. Als erste Bedingungen aber stellt sie, daß sie einen oder den andern „Freund“, der sie besucht, im Besuchszimmer empfangen dürfe, und daß sie der Wäsche halber im Tragen und beliebigen Wechseln von weißem Unterzeuge nicht beschränkt sei. In ihrem ganzen Thun und Sein, selbst beim Fegen der Straße, strebt sie „Lady“ zu sein, und sollte sie auch nur zwei baumwollene Hemden besitzen,[2] so müssen sie doch mit Spitzen besetzt und einem wenigstens vergoldeten Knopfe versehen sein, sollte sie auch die zerrissene Ferse der Strümpfe unter die Fußsohle ziehen, so würde sie doch nur weiße tragen, und hat sie sich auch noch keinen Cent zurücklegen können, so ist sie doch im Stande, sobald sie zu irgend einer Gesellschaft oder Landpartie eingeladen wird, äußerlich völlig als „Lady“ aufzutreten. Das amerikanische Dienstmädchen hat durch den Segen der Freischulen meist eine allgemeine Schulbildung genossen, welche sie indessen durch eifriges allabendliches Lesen der städtischen Neuigkeiten und Mordgeschichten in der Zeitung gehoben zu haben meint; sie tritt deshalb auch mit großer Sicherheit in die Conversation ihrer Herrschaft ein und würde ein Zurückweisen ihrer Theilnahme als eine unerträgliche Verletzung ihrer Menschenrechte betrachten. Ist sie hübsch, was unter dieser Species meist der Fall ist, so findet sie es nur natürlich, einmal die gleiche Stellung, wie die ihrer jetzigen „Mistreß“ einzunehmen.

Das irische Dienstmädchen beschränkt sich vor Annahme eines „Platzes“ nur auf die Frage nach der Entfernung des Brunnens und des Holzgelasses, und ihre Hauptbedingungen sind: an jedem katholischen Fasttage freie Verfügung über die Butter und das Eingemachte; sowie neben den ihr gehörenden Abenden und Sonntagen Zeit für den Wochenbesuch der Kirche. Sie kann meist nicht lesen, sitzt aber dennoch an streng gebotenen Feiertagen, das Gebetbuch verkehrt in ihrer Hand, stundenlang in ihrer Kammer. Ihre beiden Hauptleidenschaften sind schreiender Putz und ein heimlicher Schluck Whiskey, welcher letzteren Neigung nur durch eine öftere Untersuchung ihres Bettes, das meist als Flaschenkeller dient, gesteuert werden kann. Sie ist selten recht reinlich, meist näschig und entweder von einer eigenthümlichen Beschränktheit, oder versteckt und unzugänglich. Nur in Ausnahmsfällen kann sie sich über drei oder vier Monate an einem Orte halten.

Das deutsche Dienstmädchen giebt in Amerika den schlagendsten Beweis von der Gelehrigkeit und schnellen Auffassungsgabe ihrer Race. Sie darf nur drei Tage in ihrem ersten Dienste sein, so ist sie schon über die Gewohnheiten und Traditionen der Heimath hinweg, hat völlig den Satz begriffen: daß man in Amerika nicht Alles zu thun braucht, was die Herrschaft verlangt, und sieht am Sonntag ohne Gewissensscrupel die Hausfrau Köchin und Kindermädchen [WS 1] machen. Trotzdem ist das, was sie als Grundanlage mit herüber gebracht, Treue und leicht zu gewinnende Anhänglichkeit, die Gewohnheit scharfen Arbeitens und ein instinctmäßiges Respectsgefühl gegen die Brodherrschaft, noch nicht völlig auszurotten gewesen, und deutsche Dienstmädchen sind deshalb trotz ihrer anfänglichen Schwerfälligkeit in Erlernung der englischen Sprache ein so gesuchter Artikel unter den Amerikanern, daß ihnen ein Lohn von 120 Dollars jährlich gern bezahlt wird. Das deutsche Dienstmädchen heirathet meist schnell aus ihrem Dienste weg, und unter der länger angesessenen deutschen Bürger-Aristokratie giebt es sogar verhältnißmäßig wenige Frauen, welche nach ihrem Eintritt in das neue Land nicht zuerst gedient hätten.

O. R.




Beitrag zu den eisernen Vogelnestern in Nr. 28 der Gartenlaube. Die von der literar.-philosoph. Gesellschaft zu Sheffield ausgegangene Mittheilung in Betreff der eisernen Vogelnester ist dem Unterzeichneten nicht so ganz befremdend vorgekommen. Ihm ist bekannt, wie es hierorts auf dem Lande Brauch ist, den Nestern, in welchen Hühner, Enten, Gänse etc. brüten sollen, einige Stücke altes Eisen unterzulegen. Man ist dann sicher, daß das Hämmern und Pochen, z. B. bei dem Schärfen der Sensen, dem in dem Ei sich entwickelnden zarten Leben dieser Thiere nicht schadet, auch wenn es in ziemlicher Nähe vorkommen sollte. Offenbar wird die durch das Hämmern verursachte Erschütterung durch das untergelegte Eisen neutralisirt. Das Befremdende liegt für ihn nur darin, daß es nach jener Mittheilung den Anschein gewinnt, als ob jene Thiere, durch ihren Instinct geleitet, selbst das Mittel ausfindig gemacht, die durch das Hämmern in der Schmiede für ihre Jungen so gefährlichen Erschütterungen für dieselben unschädlich zu machen. Gewiß eine Erscheinung, welche für den Freund der Natur von hohem Interesse sein muß. Es möchte daher, um hierüber Gewißheit zu erhalten, recht wünschenswerth sein, wenn jene literar.-philosoph. Gesellschaft sich wollte berufen fühlen, weitere Beobachtungen zu veranlassen, und Erkundigungen darüber einzuziehen, ob nicht jene Tauben von Neuem bemüht sein werden, ihre Nester mit Nägeln auszufüttern, und ob, im Fall ihnen dies gewehrt würde, sie im Ausbrüten ihrer Jungen noch eben so glücklich sein werden als vordem. Es wäre somit hierin eine treffliche Gelegenheit geboten, über den wunderbaren Instinct der Thiere mehr Licht zu verbreiten.

F.



Berth. Auerbach’s
Volkskalender für 1862.
Mit Bildern nach Originalzeichnungen
von
Kaulbach, Paul Thumann und Ed. Ille.
Preis 12¼ Ngr.

Auerbach’s Volkskalender nimmt auch in diesem Jahre unter allen Kalendern den ersten Rang ein. Er bringt von Männern der Wissenschaft eine der Blüthe und Bildung Deutschlands würdige Nahrung. Die künstlerischen Illustrationen gereichen dem Büchlein eben so sehr zur Zierde, als sie angenehme Unterhaltung bieten. Er enthält diesmal:

Ein Kalendarium mit 12 Monatsbildern von Kaulbach. – Die Frau des Geschworenen. Eine Erzählung von B. Auerbach, mit 12 Bildern von Paul Thumann. – Der Prellschuß von B. Auerbach. – Der letzte Hofmops. Eine humoristische Erzählung von M. v. N., mit 15 Zeichnungen von Ed. Ille in München. – Ein mitteldeutsches Waldrevier (Sonst und Jetzt). Von B Sigismund. Fleischspeise und Kraftbrühe von Rudolf Virchow in Berlin. – Flotte und Flagge. Von K. Andree. – Verlorene Dinge. Von A. Bernstein (Redacteur der Berliner Volkszeitung). – Lege deine Sorgen ab. Eine Mahnung zur Versicherung vom Geheimrath Ernst Engel (Director des königl. Statist. Bureau’s in Berlin). – Der hundertjährige Geburtslag eines echten Deutschen. – Ein Brief vom ersten deutschen Schützenfest.

Verlagsbuchhandlung von Ernst Keil in Leipzig.


Nicht zu übersehen!

Mit nächster Nummer schließt das dritte Quartal, und ersuchen wir die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Ernst Keil.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Original: Kindermächen
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_608.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)
  1. Amerikanischer Styl in jedem bessern Hause und das Scheuern völlig ersparend.
  2. In Amerika wird regelmäßig wöchentlich gewaschen.