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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

No. 36.   1861.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.


Wöchentlich bis 2 Bogen.    Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Friedrich Oetker.


Währt sie stets noch unvergessen,
Ungesühnt, die alte Schuld,
Zeiht noch stets die Mahnung Hessen
Uns der schimpflichsten Geduld:
Strahlt aus Finsterniß und Schande
Fleckenlos ein Name doch,
Groß die Schmach im deutschen Lande,
Größer seine Ehre noch!

Friedrich Oetker, Mann des Rechtes,
Des Gesetzes treue Hut,
Mit dem stumpfen Sinn des Knechtes,
Mit des Büttels Uebermuth
Hast Du kühn den Kampf begonnen,
Deine Waffe nur das Wort,
Fruchtlos ist manch Jahr verronnen,
Fruchtlos währt Dein Kämpfen fort.

Nicht um Gold und Ruhmeszierde,
Nicht um Lohn von dieser Welt,
Nie war niedrige Begierde
Deinem Streiten zugesellt,
Wie der Blitz aus finstrer Wolke
Leuchtend züngelt reinen Lichts,
Zeigst den Weg Du Deinem Volke,
Doch Du suchst am Boden nichts.

Für das Recht hast Du gestritten,
Das verstrickt in Banden liegt,
Für das Recht hast Du gelitten,
Unbeirrt und unbesiegt;
Was auch Mächtige versprochen,
Blieb allein das Recht Dein Hort,
Niemals ward Dein Muth gebrochen,
Und Du brachest nie Dein Wort!

Friedrich Oetker, reinen Glanzes
Strahlst, ein Stern, Du durch die Zeit,
Jede Blüthe Deines Kranzes
Hegt die Frucht der Ewigkeit,
Nimmer kann Dein Schwert zerbrechen,
Fällst Du selbst auch im Gefecht,
Mag Gewalt Dein Urtheil sprechen,
Die Geschichte nur spricht Recht!

Ruhm ist nicht bei allen Siegen,
Widerlegt nicht, wer gebeugt,
Auch ein mannhaft Unterliegen
Für des Streiters Sache zeugt,
Und bis einst in Schlachtgewittern
Rettend der Befreier naht,
Still auch hinter Kerkergittern
Reift der Zukunft gold’ne Saat.

Friedrich Oetker, Schweres tragen,
Müssen wir noch immerdar,
Dämmernd kaum beginnt’s zu tagen,
Doch die Sonne ahnt der Aar;
Und ob wir mit bangen Nöthen
Seufzen noch im finstern Bann,
Zeigt der Freiheit Morgenröthe
Uns doch schon Dein Name an!

Albert Traeger.


Des Kaufmanns Ehrenschild.
Von Dr. J. D. H. Temme.

Wir hatten jeden Sonnabend einen Club, in welchem Kaufleute, Beamte und Officiere sich einfanden. Es war in einer reichen Handelsstadt und die Kaufleute überwiegend. Unter ihnen hatte ich einen mir besonders nahestehenden Freund. Er war älter als ich, aber wir hatten uns bei manchen Gelegenheiten kennen gelernt, und es hatte sich dadurch ein gegenseitiges inniges Vertrauen zwischen uns gebildet.

Freiherr von Holberg war sein Name, Friedrich Holberg seine kaufmännische Firma. Er war früher ein armer Officier gewesen, hatte die Feldzüge von 1813 bis 1815 mitgemacht, sich Ehren und Orden erworben, dann, da er arm und in seinem Regimente ein schlechtes Avancement war, seinen Abschied genommen und sein Glück als Kaufmann versucht. Er hatte es gefunden, zuerst in Amerika; seit Jahren war er schon nach Europa zurückgekehrt und gehörte zu den reichsten Handelsherren der Stadt, zu den gewissenhaftesten und geachtetsten. Er war Mitglied unseres Sonnabendclubs, den er regelmäßig besuchte.

Eines Abends im Sommer fand er sich später als gewöhnlich ein. Als er erschien, bemerkte ich eine Aufregung an ihm, die er, wenigstens vor mir, der ich ihn genau kannte, vergeblich zu verbergen suchte. Ich glaubte schon seit einiger Zeit eine Veränderung an ihm wahrgenommen zu haben, er war stiller als sonst, nicht immer von gleicher, unbefangener Laune, es schien ihn etwas zu drücken. Seine Augen hatten mich bald nach seinem Eintreten gesucht. Nach wenigen Minuten trat er auf mich zu, begann ein gleichgültiges Gespräch und führte mich in diesem wie absichtslos aus der Nähe der übrigen Gesellschaft. Das Sommerlocal der Gesellschaft war in einem großen Garten vor der Stadt.

Wir waren in eine Laube eingetreten, in der wir von den Anderen nicht gesehen werden konnten. Sein Wesen war auf einmal ein anderes geworden. Er warf den Zwang von sich ab, den er sich angethan hatte, sich zu verbergen, aber nur halb, nicht einmal halb; wie schwer mußte der Druck sein, der auf ihm lastete!

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 561. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_561.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)