Seite:Die Gartenlaube (1861) 558.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Pflanzentheilen, auch mit den eigenen Federn unordentlich ausgelegt. Die Vertiefung ist aber immer wohl geborgen, stets unter einem dichten Zweig angelegt, gewöhnlich unter dem dichtesten, niedrigsten Busche in der ganzen Umgebung. Hier findet man schon Ausgangs Mai, sicher Anfangs Juni neun bis zwölf, zuweilen aber auch fünfzehn, sechzehn birnförmige, glatte, glänzende Eier von okergelber Grundfarbe mit zahllosen leberbraunen oder rothbraunen Fleckchen, Pünktchen und Tüpfelchen bedeckt. Die vollkommen erd- oder besser pflanzenfarbige Henne brütet auf ihnen mit großer Hingebung, und der Hahn macht den treuen, guten Wächter. Mit wahrem Heldenmuth giebt er sich der augenscheinlichsten Todesgefahr preis, zeigt sich dem Jäger tolldreist und bemüht sich, durch lautes „gabâu, gabâu“ und Neigen des Leibes seine Herrschaftsrechte über das Stückchen Grund und Boden in der deutlichsten Weise kund zu geben, giebt sich den Anschein, als wolle er dem Jäger den Eintritt in sein Reich verwehren. Im Nothfall fliegt er weg, und die Henne bleibt immer ruhig sitzen, scheint sich gar nicht um die ihr drohende Gefahr zu kümmern.

Unter sich kämpfen selbst die brütenden Schneehühner noch, und die Norweger behaupten steif und fest, daß die Weibchen sich gegenseitig ihrer Eier berauben, wo es nur immer anginge, wie dies ja auch die nebeneinander brütenden Enten und manche Ammer-Arten zu thun pflegen. Auch jetzt noch ist immer die Mitternacht den Hühnern die liebste Tageszeit, zumal oben im Norden, wo die Sonne groß und herrlich am Himmel steht und ihren rothen Duft auf alle Berge legt. Nach zehn Uhr Abends beginnt eigentlich die wahre Lebendigkeit erst; das Männchen ruft, und andere antworten; es kommt wohl auch zu kleinen Kämpfen und Streitigkeiten, bis endlich jedes Weibchen mit sanftem „djake“ und „gu, gu, gurr“ den Gemahl nach Hause fordert. Geht Alles gut, so schlüpfen schon Ende Juni die Küchlein aus den Eiern. Vom Juli bis zum August sieht man dann die Eltern mit ihren ausgeschlüpften Jungen im Moore. Der Vater geht mit stolzen Schritten, hochgehobenen Hauptes voraus, beständig sichernd und bei Gefahr sein „gabâu, gabâu“ rufend. Die Mutter folgt lautlos mit der reizenden Kinderschaar. Bei wirklich drohender Gefahr giebt sie sich aber, wie unser Rebhuhn, dem Feinde preis, um ihre Brut zu retten. Sie hinkt, sie flattert, sie wankt vor dem Jäger ober vor dem Fuchs dahin, versucht alle Künste der Verstellung, lockt den bösen Feind weiter und weiter, rettet ihre kleine Schaar, schwirrt plötzlich auf und fliegt in großen Bogen nach dem ersten Orte zurück, wo sich die Kinderchen inzwischen wohlgeborgen hatten. Dann ruft sie leise gluckend nach ihnen, und da und dort wird’s lebendig: hinter dem Moosbusch hervor, zwischen dem Gestein heraus huscht und rennt es, und in wenigen Minuten ist die kleine Schaar wieder versammelt.

In der ersten Jugend haben die niedlichen Geschöpfe ein dunkles Kleid, welches einem Moosbündel des Morastes zum Verwechseln ähnlich sieht. Sie sind rasch und behend, wie alle wilden Küchlein, und laufen leicht und gewandt über Schlamm- und Wassergräben hinweg, die kleinen stumpfen Flügel zur Erlangung des Gleichgewichts benutzend. Schon in den ersten acht Tagen sprossen die Schwungfedern, und wenn die Küchlein zehn Tage alt sind, flattern sie bereits. Die ersten Schwingen sind braun und schwarz gewässert, denen unsrer jungen Rebhühner ganz ähnlich; aber schon in der ersten Mauser treten weiße an ihre Stelle, und bei den folgenden Federerneuerungen, welche mehrmals nöthig werden, weil die Schwingen für die größer und größer werdenden Thiere immer bald zu schwach sich zeigen, wachsen immer wieder weiße Schwungfedern nach.

Schon mit der kleinen Brut suchen die Eltern die Schlammmoore auf, und namentlich das Gebüsch der Saalweiden bietet ihnen jetzt eine willkommene Zufluchtsstätte. Sie verdienen um diese Zeit den Namen Morasthuhn in jeder Hinsicht; denn sie sind wahre Sumpfvögel geworden und scheinen sich auch auf dem flüssigsten Schlamme mit Leichtigkeit bewegen zu können. Ende August sind sie ganz erwachsen, und im September beginnt nun bereits die Mauser wieder. Im Winter beim hohen Schnee bleibt dann die ganze Familie noch zusammen; sobald aber gegen das Frühjahr hin die Liebe sich geltend macht, sprengen sich die Völker, und die jungen Hähne treten nun schon kühn als Bewerber der alten und jungen Hennen aus.

Das Morasthuhn bildet in Norwegen eines der geschätztesten Jagdthiere. Seine große Häufigkeit gewährt dem nur einigermaßen geschickten Jäger eine ergiebige Ausbeute, und deshalb findet man auch viele Normannen mit vollstem Rechte der schönen Jagd leidenschaftlich ergeben. Auf dem Dovre-Fjeld lernte ich einen Engländer kennen, welcher bereits seit sechs Jahren in Norwegen wohnt und von einem der elendesten Moräste zu dem andern zieht. Das stehende Thema der Erzählung dieses Jägers war: „Vor sechs Jahren war ich hier und schoß in sechs Wochen 320 Hühner. Das folgende Jahr zog ich nach Jerkin; da schoß ich 240. Vor drei Jahren war ich in Kongsvold, da schoß ich aber blos 180. Das beste Jahr jedoch war voriges, da habe ich über 400 erlegt, und dieses Jahr läßt sich auch recht gut an.“ Leider muß ich dieser ganz hübsch klingenden Erzählung hinzufügen, daß die Engländer, wie überall, wo sie in der Fremde erscheinen, für die Landeseingebornen ein wahrer Gräuel und eine wahre Geißel sind. Bis nach den Lofoten hinauf tragen diese unglücklich Rastlosen ihre Angel und ihr Gewehr. Mitten unter den Mücken sitzen sie und fischen Lachse, und in den tollsten Morästen siedeln sie sich an und schießen Schneehühner. Die Zahl entscheidet: sie kennen keine Hegung und keine Schonung; sie schießen die Jungen nieder, wenn sie den Lerchen oder Wachteln gleich groß sind, und werfen sie weg, ihren Hunden zu, nachdem sie die Zahl der erlegten Stücke sich aufgeschrieben haben. Deshalb darf man es dem Normann nicht verdenken, wenn er jeden Fremden mit Mißtrauen ansieht und sich erst sehr sicher stellt, ehe er einem Jäger erlaubt, auf seinem Grund und Boden zu jagen. Er fürchtet mit Recht diese englischen Scheußlichkeiten. Der Normann erlegt blos die erwachsenen Schneehühner, im Herbst mit dem Gewehr, im Winter mit Netz und Schlinge. Aber nur die Wenigsten kennen die herrliche und rechtliche Jagd, welche mich der alte „Erik“ lehrte, und ich habe wieder einsehen lernen, daß der Reisende Glück haben muß, wenn er Etwas sehen, Etwas kennen lernen will.

Zum Schluß möchte ich eine Bemerkung hinwerfen: Ich bin fest überzeugt, daß sich das Morastschneehuhn in Deutschland einbürgern läßt, und daß also mit der Einführung des prächtigen Geschöpfes ein neues und vollkommen unschädliches Wildpret gewonnen werden könnte. Wie das anzufangen, darüber vielleicht später einmal an diesem Orte, – falls ich glauben darf, daß eine derartige Belehrung erwünscht sein sollte.




Schutzmittel gegen Krankheiten.
Unterziehjäckchen, wollene Strümpfe und Bauchbinde.

„Aber ich will mich nicht verweichlichen;“ – „was soll ich denn dann machen, wenn ich in’s Alter komme?“ – „nein, das kann ich nicht aushalten, das ist mir zu unbequem.“ Solche Reden muß der Arzt hören, wenn er eins oder das andere jener oben genannten heilsamen Kleidungsstücke zu tragen empfiehlt. Und so sprechen nicht etwa blos kerngesunde Menschen, nein, auch Solche, die aller Augenblicke den Pips haben, oder wohl gar schon an organischen Uebeln leiden.

Wie viel lebensgefährliche acute und chronische Leiden, ganz abgesehen von der Unzahl von Katarrhen, Rheumatismen und Brechdurchfällen, würden nicht aufkommen können, wenn man sich zur richtigen Zeit jener Schutzmittel bediente! Vorzugsweise sind es aber Herzkrankheiten und Lungenleiden, gegen welche dieselben zu schützen vermögen. Verf. fand unter der ihm zugänglichen nicht etwa geringen Masse von Kranken, die an der asiatischen Cholera litten, nicht einen einzigen, der eine Bauchbinde (aber auch bei Nacht) getragen hätte. Ja er selbst, Jahre lang ein Abhärtungs-Fanatiker, der aber trotz aller Abhärtung doch fortwährend schwächelte und kränkelte, am bösen Halse, an Husten und Heiserkeit litt, wurde, als er sich endlich in die Arme der Verweichlichung warf, kerngesund und konnte sich nun mit seinem lieben Jäckchen und wollenen Strümpfen ohne Nachtheil nicht unbedeutenden Strapazen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 558. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_558.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)