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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Das erste deutsche Schützenfest.

Das erste deutsche Schützenfest in Gotha ist vorüber, das Werk der Zerstörung an allen Bühnen und Buden, die zum Feste mühsam aufgebaut worden waren, ist vollbracht, die Fahnen und Bögen, durch welche die Gäste geehrt wurden, sind verschwunden. Aber noch lange wird das Fest in der Erinnerung eines Jeden, der ihm beiwohnte, in den Wirkungen leben, die daraus hervorgehen müssen.

Schon der Ort selbst, wo ein volksthümliches Fest gefeiert wird, macht einen festlichen Eindruck, seine Luft ist Festluft, die Gesichter der Menschen sind Festgesichter. So war’s auch in Gotha, wo vom 7. bis 11. Juli d. J. mit dem Schützenfest zugleich ein allgemeines thüringer Turnfest gefeiert wurde. Vom Eisenbahnhof am einen Ende bis zum Schießplatz am anderen Ende der Stadt, von Straße zu Straße zeigte sich Haus für Haus mit Gewinden und Kränzen von Laub, Nadelreisig, Blumen geschmückt; Fahnen, Wimpel, Flaggen jeder Größe und Gestalt wehten von allen Häusern, meistens zwischen kleineren Fahnen in von Landesfarben, Grün und Weiß, oder in dem thüringischen Roth und Weiß eine gewaltige schwarz-roth-goldene; oft sah man die Farben Schleswig-Holsteins; ein Nordamerikaner hatte das Sternenbanner aufgezogen. Hohe Bögen mit Reisig und Fahnen und einem „Gut Heil!“ oder „Willkommen!“ waren an den Eingängen der Hauptstraßen angebracht, einige darunter mahnten zur Einigkeit, andere wiesen in scheibenförmigen Tafeln auf das „eine Ziel“ der Schützen hin. So hatten nicht blos Privatleute geschmückt, sondern auch die Stadt und die Staatsbehörden, alle öffentlichen Gebäude ohne Ausnahme trugen ein Festgewand und bewiesen wohlthuend, wie einträchtig im Ländchen Gotha Behörden und Bürger zusammenwirken. Vor allem prangte das Rathhaus, das Hauptbureau für die Einquartierung, im Schmucke grüner Guirlanden, zahlloser Fähnchen und großer Flaggen.

Es versteht sich von selbst, daß der Festplatz hinter der Stadt nicht zurückblieb. Die „Alt-Schützen-Gesellschaft“ hatte ihre große Besitzung am nördlichen Ende der Stadt dem Feste gewidmet; diese Gesellschaft umfaßt die Schützen Gotha’s, die meisten der ungefähr 90 Unternehmer des Festes gehörten ihr an, und nicht blos die Schützen, sondern fast alle Mitglieder der Gesellschaft hatten sich eifig des Festes angenommen. Der große Platz vor dem Schießhause war in zwei Hälften abgetheilt, und von diesen nur die obere zum Festraume gezogen. Im unteren Raume befanden sich eine Halle für ein Musikcorps, drei Eß- und Trinkbuden und verschiedene Kuchen- und Schaubuden, bestimmt, die Masse des Publicums einigermaßen vom Festraume abzuleiten. Dieser war durch eine Barriere abgegrenzt. Auf deren Mitte stieg ein mächtiger Bogen empor, der auf beiden Seiten die Wappen deutscher Staaten enthielt und auf hohen Masten ihre Flaggen, über allen, zwischen der schwarz-weißen und der schwarz-gelben, eine große schwarz-roth-goldne und darunter auf der einen Seite der Gruß: „Willkommen!“ auf der andern der Zuruf: „Einigkeit macht stark!“ Rechts am Eingange eine Speisewirthschaft von 126 Fuß Länge und 28 Fuß Tiefe, halb innerhalb, halb außerhalb des Festraums. Das große Schießhaus, gerade dem Eingange gegenüber, mit einer einzigen hohen schwarz-roth-goldnen Fahne geschmückt, bildete den Mittelpunkt des Festraums. Es umfaßt drei Säle, von denen der eine unmittelbar vor dem Feste gebaut worden war; im mittelsten großen Saale flaggten von oben herab die Fahnen aller deutschen Staaten, durch ein schwarz-roth goldnes, von zwei deutschen Fahnen ausgehendes Band verbunden. Dieser Saal war zu den täglich stattfindenden Festessen bestimmt und für 300 Gedecke eingerichtet; der eine Nebensaal sollte zu Verhandlungen benutzt werden, der andere zum Speisen à la carte. Um eine Küche von gehörigen Dimensionen zu gewinnen, hatte man Heerde und Geräthe vom Schlosse Friedenstein beigeschafft. Rechts am Schießhause eine große geschmackvolle Trinkhalle, eben erst aufgebaut und noch nicht vollendet, und weiter hinauf an der Anhöhe zwei große Wirthschaften, nebst einer „kohlensauren“ und einer Cigarrenbude sorgten noch, außer einer Bierwirthschaft und einer Conditorei links vom Schießhause für die leiblichen Bedürfnisse. Musikbanden spielten auf zwei Plätzen im oberen Festraume. Man konnte sich also leidlich wohl besinnen!

Einen wahrhaft herrlichen Anblick gewährte oberhalb des Schießhauses der „Gabentempel“. Außer Festgewinden und Blumen zierten seine Giebel zwei schöne Bilder; das eine von Heinr. Schneider in Gotha stellte Barbarossa dar, noch schlafend im Kyffhäuser, aber im Begriff zu erwachen, von Raben umflattert, die davon fliegen, von Gnomen umgeben, die Waffen schmieden, Säbel schleifen, Kugeln gießen; das andere, nach der Schießhütte zu gerichtet, von Emil Jacobs in Gotha transparent gemalt, zeigte das Bild der Germania, wie sie den Schützen die Kränze reicht, die sie aus der Hand zweier Genien empfängt. Der Inhalt des Gabentempels war so reicher Zierden würdig. Vor Allem hatte dazu das Ländchen Gotha beigesteuert, und zwar jede Stadt, fast alle Schützengesellschaften, eine Menge Einzelner, Männer und Frauen. Aber es war überhaupt fast jedes deutsche Land, fast jede deutsche Stadt darin vertreten – nur leider mit Ausnahme Oesterreichs und – man gestatte mir die merkwürdige Zusammenstellung – Liechtensteins. Auch Deutsche im Ausland, in England, in Kurland, in Frankreich und in der Schweiz, sandten werthvolle Preise. Unter den Gebern befanden sich der Herzog und die Herzogin von Coburg-Gotha, der Herzog Albert, Prinz-Gemahl von Groß-Britannien, und der Kronprinz und die Kronprinzessin von Preußen. Die beiden letzteren waren die einzigen unter allen Personen fürstlichen Standes in schönem Bürgersinne des Festes, ohne irgend vom Festausschusse dazu aufgefordert worden zu sein; denn dieser hatte sich geflissentlich enthalten, außer den Herzögen des Landes, deren Theilnahme er gewiß war, Einzelne speciell um ihre Betheiligung zu begrüßen. Die kostbarsten Gaben – wir wollen damit auch die geringsten nicht in Schatten stellen, die der geringe Mann vielleicht mit größerer Aufopferung dargebracht hat, und es ist keine leichte Aufgabe, aus allen Kostbarkeiten die werthvollsten herauszuwählen, aber es dünkt mir nothwendig, um denen, die den Anblick nicht gehabt haben, einen Begriff davon zu verschaffen – die kostbarsten Gaben bestanden in einem Humpen des Herzogs Ernst, einer Whitworthbüchse und einem Pokal des Prinzen Albert, zwei Trinkgeschirren des Kronprinzen und der Kronprinzessin von Preußen, einem Humpen von Frankfurt a. M. mit 50 Zweithalerstücken, einem Taschenchronometer nebst Kette von den Frauen Gotha’s, einem Pokal von der Stadt Gotha, einem Pokal von Hamburg. Allerlei Geschirre von Silber, Pokale und Becher, Löffel, Dosen, Schaufeln, alle Gattungen von Uhren, alle Arten von Porzellan, alle Sorten Pfeifen und Cigarrenspitzen, Waffen jeglicher Gattung und namentlich Büchsen jeglicher Construction, feine Stickereien in Masse fanden sich hier ausgestellt; es fehlte kaum ein Erzeugniß der Industrie, selbst Glasziegel und Uhrglocken konnte der Schütze gewinnen. Wein war in Menge geliefert worden, zum Theil mit der Bestimmung, daß er beim Feste getrunken werde, aber freilich hatte er in den Keller wandern müssen. Noch am letzten Tage langten Festgaben an, einige zu spät. Der Werth alles Vorhandenen mit Einschluß der Gaben an Geld mag sich, gering gerechnet, wohl auf 5000 Thaler belaufen haben.

Aber wir müssen den schönen Anblick, der die Zuschauer beständig auf’s Neue anzog, verlassen, um in die Schießhütte zu gelangen. Sie lag am äußersten Ende des Platzes, 314 Fuß lang von Ost nach West gestreckt und hatte durchgängig 25 Fuß Tiefe. Die Schießstände befanden sich an der nördlichen Seite, an der südlichen die Ladebänke. Zehn Stände hatten 250, zwanzig 400 Fuß rhein. Entfernung. Bei den Ständen zu 400 Fuß hatte das Centrum (Schwarz) 5½ Zoll, bei den Ständen zu 250 Fuß hatte es für das Freihandschießen 4¼, für das Aufgelegtschießen 3 Zoll Durchmesser, der Ring um das Centrum hatte bei den Scheiben zum Auflegen aus 400 Fuß 5½, sonst 9 Zoll Durchmesser. Ueber allen hingen bekränzte Tafeln mit den Namen der Scheiben, und zwar führten die vier Ehren- und Prämienscheiben die Namen „Deutschland“, „Herzog Ernst“, „Thüringen“, „Schleswig Holstein“, ferner die Scheiben auf 400 Fuß die Namen „Prinz-Gemahl Albert“, „Kronprinz von Preußen“, „Deutsche Flotte“, „Blücher“, „Scharnhorst“, „Gneisenau“, „York“, „Schill“, „Lützow“, „Frhr. v. Stein“, „Vater Arndt“, „Theodor Körner“, „Andreas Hofer“, „Vater Jahn“, „Fichte“, „Alex. v. Humboldt“, „Leipzig“, „Waterloo“, die Scheiben auf 250 Fuß die Namen „Barbarossa“, „Hansa“, „Rhein“, „Donau“, „Elbe“, „Oder“, „Weichsel“, „Weser“. Der Schuß kostete auf die Ehrenscheiben 15, auf die anderen Scheiben 10, 5, 4 und 2½ Sgr. Für die Scheibe „Deutsche Flotte“ waren von einzelnen Gebern, namentlich vom Herzog von Schleswig-Holstein Augustenburg, besondere Geschenke

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_524.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)