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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

zum Bessern in den Gemüthern und Ansichten, dann in den Gewohnheiten, endlich in den Leistungen der Frauen und ihrer Familienglieder eintrete. Also: wacker ausgehalten!

In Deutschland haben sich die erzieherischen und hygieinischen Reformbestrebungen noch nicht in eine compacte Masse vereinigt, sondern sind vereinzelt hervorgetreten. Auch bei uns haben Viele durch das lebendige Wort das Volk über das, was dem Leibe frommt, zu belehren gesucht, aber ohne besonders dazu gebildete Vereine[1], vielmehr wo sich Gelegenheit bot, so in Leipzig in Gesellen- und Turnvereinen. Nur in Leipzig bildeten früher eine Anzahl Frauen und neuerdings ein Verein von Lehrern eine – wahrscheinlich einzige – Ausnahme. Auf Prof. Bock’s Anregung traten sie zusammen und ließen sich von ihm eine Reihe Vorlesungen über angewandte Anatomie und Physiologie halten.

Solche Belehrungen können natürlich nur einem kleinen Bruchtheil der Bevölkerung zu gute kommen und sind nur darum noch Bedürfniß, weil fast Niemand aus der Schule gesunde und ausreichende Anschauungen über das, was ihn zunächst angeht, sein leibliches Ich, mitbringt. Gerade dies aber ist es, was wir vor allen Dingen zu erstreben haben; nur im heranwachsenden Geschlecht kann allmählich eine der ganzen Bevölkerung zu gute kommende Reform angebahnt werden. Um von ärztlicher Seite die Hand zu bieten, hat vor ein bis zwei Jahren Dr. Schreber in seinem „Anthropos“ eine mit Abbildungen ausgestattete Belehrung über den Menschen als Leitfaden für Lehrer herausgegeben; es fehlt blos noch, daß durch entsprechende Bestimmungen in den Schulregulativen die gebotene Hand ergriffen werde. – Von den gewichtigen und wohlgezielten Streichen, welche Prof. Bock gegen Unverstand, Vorurtheil und Naturwidrigkeit in allen die Gesundheit angehenden Dingen bereits seit Jahren führt, brauche ich den Lesern dieser Blätter nicht erst zu erzählen. Auch in vielen andern Unterhaltungsblättern finden sich Belehrungen über Menschenkunde und Leibespflege, welche ferner in einer Unzahl selbstständiger Schriften systematisch vorgetragen werden, am ausführlichsten wohl in Bock’s Buch vom gesunden und kranken Menschen und in Schreber’s Kallipädie.

An solchen Schriften fehlt es in England wahrscheinlich auch nicht, und dennoch wurde der oben geschilderte Verein durch das Bedürfniß hervorgerufen, denn alle die bezeichneten Schriften und Aufsätze kommen nur einer kleinen Zahl von Gebildeten und Wohlhabenden zu Händen und zu gute; die große Masse des Volkes bleibt davon unberührt; und doch ist ein gesunder Körper gewöhnlich ihr einziges Capital und oft unumgängliche Bedingung der Existenz. Diese Betrachtung schuf den englischen Frauenverein für Gesundheitspflege, und derselben Betrachtung verdanken wir auch eine ähnliche deutsche Bestrebung. Eine ähnliche und doch wieder in Vielem abweichende Bestrebung. Sie ist nicht das Panier eines Vereins, sondern die Herzenssache eines einzelnen Mannes, des oben genannten und den Lesern der Gartenlaube nicht fremden Dr. Schreber. Die Belehrung verzettelt sich nicht in einzelnen Abhandlungen, welche erst nach längerer Zeit, nach größerem Aufwand und in Form einer ganzen kleinen Bibliothek vollständig werden, sondern erschöpft den Gegenstand mit einem Male. Sie beschränkt sich nicht auf den leiblichen Menschen, sondern berücksichtigt in gleicher Weise auch den denkenden und wollenden, vor Allem in seiner Entwicklungszeit, als der einzigen, welche die Möglichkeit einer umfassenden und nachhaltigen körperlichen und geistigen Zucht gewährt. Diese hervorgehobenen Gegensätze bezeichnen zugleich die Mängel des englischen und die Vorzüge des deutschen Unternehmens, wie sie meinem Auge erscheinen. Ob aber auch der Weg, welchen Schreber für die Verbreitung seiner Schrift gewählt hat, dem des englischen Vereins vorzuziehen sei, muß erst der Erfolg zeigen. Es kam ihm darauf an, seine Anweisung in alle die Hände zu bringen, für die sie bestimmt ist, und er erkannte ganz richtig, daß dies nur durch die Staatsgewalt, durch die Regierung und ihre Organe geschehen könne. Er sandte daher je ein Exemplar seiner Schrift mit einem gedruckten Begleitschreiben an sämmtliche deutsche Cultus- und Unterrichtsministerien und erbot sich, denselben „behufs unentgeltlicher Vertheiluug der Schrift durch Ortsgeistliche, Schulmänner, Gemeindevorsteher, Armenverwaltungen etc.“ beliebige Summen davon für den technischen Herstellungspreis zu liefern. Von diesem Anerbieten hat die Sachsen-Coburg-Gothaische Regierung einen schleunigen und umfassenden Gebrauch gemacht; zwei andere, die königlich Sächsische, die Schwarzburg-Rudolstädtische und eine Reußische, haben einen vorläufigen Versuch unternommen, die königlich Bairische hat sich auf amtliche Empfehlung der Schrift beschränkt, sämmtliche übrige haben bis jetzt gar nichts von sich hören lassen. Es wird also auch hier sich doch wohl die Privatthätigkeit noch in’s Mittel schlagen müssen.

Die Schrift heißt: der Hausfreund, enthält auf wenigen Bogen einen vollständigen Abriß der Erziehungs- und Gesundheitslehre, und ist in edler, von sittlichem Geiste durchdrungener und zugleich warmer und verständlicher Weise geschrieben, so daß sie auch die lebhaftesten Bestrebungen zu ihrer Verbreitung rechtfertigen würde.

Aber Eines schließt das Andere nicht aus; wenn das Schreber’sche Unternehmen das englische ergänzt, so kann dieses auch jenes wieder ergänzen. Die Engländer mögen die Hauptsätze der Erziehungs- und Gesundheitslehre in ein Werkchen zusammenfassen und auch die Geistes- und Charakterbildung berücksichtigen; wir wollen uns ein Muster nehmen an ihrem Gemeinsinn und an ihren Tractätlein lernen, wie man dem Volke Vorträge hält.

Ich mache mir keine Illusion darüber, es wird noch mancher Tropfen den Rhein hinabfließen und noch manche Woge an die englische Küste schlagen, bis die Lehren, wie sie der englische Frauenverein und Dr. Schreber zu verbreiten suchen, allgemeines Eigenthum des Volks geworden sein werden; aber die Ueberzeugung lasse ich mir nicht rauben, daß von ihnen das Streben nach wahrer Volksbeglückung seinen Ausgang nehmen muß und daß sie daher früher oder später zu voller Anerkennung gelangen werden. Schon jetzt sind Anzeichen vorhanden, daß einzelne Funken gezündet haben, und es steht zu hoffen, daß sie sich mit der Zeit zu einer kräftig emporlodernden, ringsum erwärmenden Flamme vereinigen werden. Mögen Schreber und seine Geistesbrüder in England jetzt noch den einsamen Pionieren gleichen, die mit Axt und Spaten in den Urwald dringen: sie kämpfen für den Fortschritt der Menschheit, und die Menschheit wird' fortschreiten.




Jagddaguerrotypen.

Von Ludwig Beckmann.
IV.
Das Schwarzwild und seine Jagd in alter und neuester Zeit.


Nachdem wir in den frühern Artikeln die Hochjagden beschrieben haben, müssen wir zum Schluß unter den eingestellten Jagen noch des Fangjagens erwähnen, welches angewendet wird, um Wild – behufs eines Transportes – lebendig einzufangen. Die äußere und innere Einrichtung ist im Wesentlichen dieselbe, wie bei den übrigen eingestellten Jagen, nur werden quer über den Laufplatz die hohen oder mittlern Fanggarne locker gestellt, welche beim Einfallen der Hirsche ober Sauen niedergleiten und das Wild bedecken und verwickeln. – Sobald ein Stück gefangen und ausgelöst ist, bringt man es sofort in die mit einer Fallthür und Luftlöchern versehenen Wildkasten, welche bei weitern Transporten auch mit Schütten und Raufen versehen sind, und ohne Verzug auf Wagen geladen und Tag und Nacht weiter gefahren werden. Die Fangjagen wurden nicht selten mit den großen Haupt- und Festinjagen vereinigt.

Der Saufang.

 „Aufgrunzt die list’ge Bache, hebt windend das Gebräch,
 Nach quiekt die Frischlingsrotte der wilden Mutter Weg.“

Die Saufänge, welche im Freien zum Einfangen der wild lebenden Sauen hergestellt sind, bestehen meistens aus einer etwa


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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_508.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2022)
  1. Einen allgemeinen Aufruf zur Bildung von Erziehungsvereinen enthält ein kürzlich erschienenes Schriftchen des Lehrers Rockland in Nossen: „Die Erziehung der deutschen Jugend und ihre Bedürfnisse, Leipzig 1861.“