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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Bauernhauses aus früheren Jahrhunderten läßt. Es wird noch ein anderes Gebäude als Lutherhaus bezeichnet, allein genaue Forschungen haben ergeben, daß das unterhalb der Schule liegende, vor dem das Standbild errichtet ist, als das eigentliche Stammhaus Luthers betrachtet werden muß, das von seinem Vater Hans bewohnt und im Jahre 1656 von Georg Luther an Johannes Uehling vertauscht wurde.

Das Denkmal, für dessen Gründung der verstorbene Dichter Ludwig Bechstein zu Meiningen seit 1846 durch Aufmunterung zu Beiträgen sehr viel gewirkt hat, ist ein Kunstwerk des Bildhauers Müller in der genannten Stadt und des berühmten Erzgießers Burgschmiet in Nürnberg, der leider den Tag der Vollendung und Enthüllung nicht erlebt hat. Figur und Piedestal sind zusammen 18 Fuß hoch, letzteres enthält auf der Vorderseite die Worte: „Unserm Luther in seinem Stammort 1846“; auf der rechten Seite in Relief ist die Anschlagung der Thesen an die Kirche zu Wittenberg, auf der hinteren die Gefangennehmung Luther’s unweit Altenstein, auf der linken der Reformator in seiner Stube auf der Wartburg mit der Bibelübersetzung beschäftigt. Auf den vier Ecken des Piedestals stehen die vier Evangelisten. Luther selbst steht mit dem linken Fuß etwas vorschreitend, mit der linken Hand die ausgeschlagene Bibel an der linken Seite seiner Brust stützend, die Rechte, wie in der Rede begriffen, etwas vorgestreckt.

In seinem Antlitz ist neben der Würde viel Milde, mit der er die versammelte Menge anzusprechen scheint, ausgedrückt. Die Zeichnung der einzelnen Stücke des Ganzen ist trefflich, nur finden wir gerade an diesem Standbild die gewöhnliche monumentale Größe deshalb nicht passend, weil sie dem Raum und den umgebenden kleinen unscheinbaren Gebäuden, dem beschränkten Standort mit einem Wort, nicht entspricht und auf die Umgebung, anstatt erhebend, so zu sagen erdrückend wirkt.

Auf einem freieren Platz, von großen Gebäuden umschlossen, würde das Verhältniß richtig sein, hier aber die natürliche Größe Luther’s deshalb angemessen erscheinen, weil hierdurch ein Ebenmaß zwischen ihm und den Gebäuden herbeigeführt worden wäre, das uns weit lebendiger in die Scene versetzen müßte, wo Luther einst an derselben Stelle vor einer so großen Menge der Bewohner Möhra’s und der Umgegend predigte, daß sie die damals sehr kleine Kirche nicht fassen konnte. Während man sich ihn in Mitten seiner Verwandten als den gelehrten Patriarchen denkt, erscheint er hier als Riese in der übernatürlichen Größe.

In den Herzen Aller, die dieses Fest besuchten, um das sich der kunstsinnige Erbprinz von Meiningen so verdient gemacht hat, wird die Erinnerung an dasselbe gewiß noch lange wach bleiben.

Dr. Polack.




Eberhard im Bart.
Ein deutscher Fürst wie er sein soll.
Von Dr. W. Zimmermann.
(Schluß.)

Im Sinne dieser Gleichheit der Stände sagte Eberhard auch in der Stiftungsurkunde für sein Stift Sanct Peter im Einsiedel im Jahre 1492: „Es sei ihm durch innere Erleuchtung eingefallen, da er in seiner Herrschaft und Regierung dreierlei Stände habe, Geistliche, Adel, Städte und gemein Volk, aus diesen dreien Ständen einen Convent zu errichten. Darin sollen zwölf Canonici, Priester und Kleriker, unter einem Propst oder Vater, sodann vierundzwanzig Laienbrüder unter einem Meister, davon zwölf vom Adel und zwölf aus den Bürgern, zusammen in Gemeinschaft leben. Ihr Name soll sein „St. Petersbrüder“. Alle Brüder, Geistliche und Laien, sollen mit einander freundlich wandeln, als wahre Brüder und Kinder eines himmlischen Vaters, keiner sich über den andern erheben, sondern gedenken, daß sie Alle gleich von einem ersten Vater Adam kommen und in gleicher Weise geboren worden, auch durch eine Pforte des Todes vor das strenge Gericht und Urtheil Gottes kommen müssen, da kein Unterschied sein wird zwischen Edeln und Unedeln, zwischen Pfaffen und Laien, Reichen und Armen.“

Die Regeln, unter welche er dieses Stift St. Peter stellte, war die verbesserte Regel der „Brüder des gemeinschaftlichen Lebens“. Das Gelübde ging dahin, auf weltliche, gelehrte und kirchliche Ehren zu verzichten, das Leben zwischen fromme Uebungen und Studien zu theilen, auf christlich-wissenschaftliche Jugendbildung, auf das Lesen der Schrift in der Volkssprache zu wirken, und den Frieden des eigenen Herzens zu suchen. Die Bibel in deutscher Sprache zu lesen, war eine Hauptvorschrift der Brüder des gemeinschaftlichen Lebens. Er suchte nach dieser Regel sämmtliche Chorherrenstifter seines Landes zu reformiren. Auch die Klöster reformirte er; besonders ist darunter das Augustinerkloster zu Tübingen zu nennen.

Diese Reform des „Augustinerklosters“ ist von doppelter Bedeutung für Deutschland und für die Welt geworden. Durch Eberhard’s Reform reiheten sich auch manche Mönche unter die Studirenden der Universität. Unter diesen Mönchen war Johann Staupitz. Summenhard’s bester Schüler war er bald geworden, darauf Prior des Augustinerklosters zu Tübingen. Das war der Mann, welcher nachher Generalvicar des Augustinerordens, Professor der Theologie an der hauptsächlich unter seinem Rath und seiner Leitung neugegründeten Universität Wittenberg, vertrautester Freund des Kurfürsten von Sachsen, Friedrichs des Weisen, sein Gesandter in wichtigsten Angelegenheiten geworden ist und zugleich der Lehrer des Reformators Luther, derjenige seiner Freunde, dessen sittlicher und geistiger Einfluß auf denselben größer war, als der irgend eines andern. Staupitz war es auch, durch welchen Melanchthon nach Wittenberg berufen wurde. So hat Staupitz auf Eberhard’s neuer Universität sich gebildet, von Eberhard frühe ausgezeichnet und auch oft beigezogen zu dem Gelehrtenkreise, welchen Eberhard, so oft er in Tübingen war, um sich zu versammeln pflegte, traulich darin weilend, nicht als Fürst, sondern als Freund unter Freunden, als einer Ihresgleichen. Alle Etikette war da verbannt, wenn er im Hause seines Kanzlers Naucler beim einfachen Mahle mit diesen seinen Männern der Wissenschaft beisammen saß. Aber auch Melanchthon erhielt seine Hauptbildung zu Tübingen. Denn auch dieser war vom Jahre 1512 an daselbst, zuerst als Student, dann als Lehrer, und von da kam er nach Wittenberg. Eberhard war zwar nicht mehr irdisch, als Melanchthon nach Tübingen kam, aber er ging aus von Eberhard’s Anstalt, und seitdem Viele, deren Licht geleuchtet hat in der Welt. Das Augustinerkloster zu Tübingen, welches Eberhard reformirte, und in welchem Staupitz zuerst Mönch, dann Student, darauf Prior war, ist dasselbe Haus, welches nachher unter dem Namen des Tübinger Stifts weltbekannt geworden ist durch die großen Männer, die daraus hervorgingen, und deren Ruf weit über die Grenzen Deutschlands hinaus drang. Nicht blos Theologen, sondern Männer auf jedem Gebiete des Wissens, Staatsmänner und Diplomaten, Minister an deutschen und ausländischen Höfen, viele Professoren deutscher Hochschulen, Dichter und Künstler und die beiden größten deutschen Philosophen sind aus diesem „Stift“ hervorgegangen.

So war Graf Eberhard einer der Hauptvorbereiter der Reformation. Aber dieser Mann der friedlichen Künste, von welchem sein Volk nach seinem Tode sang:

„Was Eberhard fing an,
Blieb wie Ceder lang bestahn,“

trug eben so gut, wie das Friedenskleid, auch das eiserne Wamms und führte gewaltige Schwertschläge. Der eiserne Fürst und der Ritter war auch sehr nöthig in der Zeit, wo das Recht der Faust so zügellos wieder überhand genommen. Während dieses auf so vielen Punkten Deutschlands hart lastete, zog der Kaufmann nirgends so sicher seine Straße, als im Württemberger Lande und nachher sogar im ganzen Lande Schwaben, als Eberhard oberster Hauptmann des schwäbischen Bundes war. Wie von den leichtfertigen Nonnen und Mönchen, eben so war „der Mann im Bart“ von dem räuberischen Adel Schwabens gefürchtet, und vom Adel der angrenzenden Lande. Er hatte Exempel statuirt; so mild er war, so schrecklich war er in seiner Gerechtigkeit gegen Landfriedensbrecher

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