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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

werdende Tiefe gestürzt, daß es dröhnend herauf geschallt, wenn die Trümmer, durch die Tannenwipfel brechend, auf das im Thale lagernde Gestein aufgeschlagen. Aber wie ein bloßer Schauer, der einem rauschenden Gewitterstrom vorangeht, war dieser Steinregen dem unvermeidlichen Sturze der dem Tote verfallenen Hochgeweihten vorausgegangen. Das Rollen der verkämpften Recken war zu einem Ueberschlagen geworden; wie ein gewaltigen Rad, dessen Achse die beiden engverknüpften Köpfe bildeten, hatten sie in gewaltigen Kreisen den letzten festen Standpunkt unter sich gefühlt, wobei der zuerst über dem Abgrund schwebende Hirsch noch die äußerste ohnmächtige Anstrengung gemacht, sich mit den Vorderläuften zu erhalten, der über ihn wegschlagende Kampfgenosse aber weit hinaus in die schwarzblaue Tiefe geschleudert worden und so, engverkettet mit seinem Feinde, in dem endlos scheinenden Abgrund verschwunden war.

Dem Auge entzogen, hatte man nur noch das aufdröhnende Rauschen, Knacken und Krachen gehört, als die beiden massigen Körper durch die alten Tannen gebrochen, so wie den donnerähnlichen Schall, als die gekrönten Leiber tief unten das nackte Gestein berührt hatten; dann hatte nur das Weiterpollern der immer noch tiefer Fallenden Kunde gegeben von dem erschütternden Vorfall.

Ruhe, tiefe Grabesruhe war darauf eingetreten, das; es – wie der Erzähler hinzufügte – ordentlich peinlich gewesen, und er, der feste Jäger, erschreckt worden sei, als minutenlang nachher noch gelockertes Gestein in die schauerliche Tiefe gerollt.

Während der letzten Scene war der Mond über das zackige Gebirge aufgestiegen und hatte den einsamen, tannenumrauschten Gebirgspfad beleuchtet, den unser Seph hinabgeschritten zum trauten Försterhause.

Am andern Tage war der Bursche mit Holzknechten in’s Thal gegangen, um die Zerschmetterten aufzusuchen. Ganz zerfetzt hatten sie auf einem alten Pürschpfad zwischen mächtigen, üppigbemoosten Felsblöcken gelegen, noch im Tode mit ihrem zackigen Hauptschmuck vereint. Hoch über ihnen hatte, angelockt von der willkommenen Beute, ein Adlerpaar gekreist. Bald waren sie hereingeschafft gewesen, und das Wildpret hatte man unter die armen Bewohner des Thales vertheilt. Die Geweihe aber, einen Zehner und einen Zwölfer, hatte sich Seph zur Erinnerung vorbehalten.

So lautete die Erzählung des urwüchsigen Burschen, aus dessen Munde sie freilich doppelten Reiz empfing; denn wo auf der Welt giebt es eine treuherzigere Sprache, als unter dem getreuen Volke in den Hochgebirgen von Baiern und Tyrol? Für mich ist ein solcher stämmiger, gerader, wettergepeitschter, sonnverbrannter, schöngestalteter Gebirgsjäger, wenn er Einem mit seinem herzigen „Grüß’ Di’ Gott!“ die Hand reicht, ein wahres Ideal. Und ist ein frischer Naturmensch, selbst in seiner Unwissenheit, die ja vielfach durch gesunden Geist und biedere Gesinnungen ersetzt wird, nicht fast beneidenswerth?





Das dritte meiner liebsten Hausheilmittel.

Aeußere große Wärme.


Große Wärme, entweder trockene oder feuchte, äußerlich angewendet, ist in sehr vielen Krankheitsfällen ein ganz vorzügliches Heil- oder Linderungsmittel und das dritte im Bunde mit frischem ausgelassenen Rindstalge (s. Gartenl. 1858, Nr. 44), sowie mit warmem Wassertranke (s. Gartenl. 1861, Nr. 11). – Aber diese Wärme muß viel höher sein als die des menschlichen Körpers selbst (also über 30° R.), überhaupt so hoch als sie nur vertragen werden kann. Auch darf sie da, wo sie gut thut, nicht blos manchmal, von Zeit zu Zeit und auf kurze Zeit angewendet werden, sondern sie ist dann mit Energie und Ausdauer zu gebrauchen. Flanell, Watte, Katzen- und andere Felle, Wolle, Werg, Prießnitz’sche Ueberschläge etc. können die Wärme, von welcher hier gesprochen werden soll, niemals ersetzen, denn alle diese Wärmemittel, wenn sie nicht vorher künstlich bedeutend erwärmt wurden, führen unserm Körper keine höhere Wärme zu, als er selbst besitzt.

Von den Heilkünstlern wird unsere hohe Wärme trotz ihrer großen Heilkraft doch gemißachtet, ja sie wird recht hinterlistiger Weise dadurch um ihre großen Verdienste gebracht, daß die Aerzte in der Regel irgend einem mit der Wärme verbundenen ganz nichtsnutzigen Etwas den Erfolg zuschreiben, welcher doch der Wärme allein zukommt. Humpelte ein Rückenmärker im Hahnentritte nach Gastein und kehrte flott auf den Beinen wieder, so hat natürlich nicht die Wärme, sondern der eigenthümliche Salzgehalt des Gasteiner Badewassers dieses Wunder gethan. Bei Heilungen von Rheumatismen durch die Bäder von Teplitz wird natürlich ebenfalls nicht der Wärme, wohl aber den Salzen dieser Bäder die Hülfe zugeschrieben. Weichen Schmerzen und Lähmungen beim Gebrauche von warmen Moorbädern, dann ist das Mineralische im Moore Schuld daran. Wird’s bei Unterleibsentzündungen nach Ansetzen von Blutegeln und warmen Ueberschlägen immer besser und endlich gut, so sind sicherlich die Blutegel die Retter gewesen. Und so wird in unzähligen Fällen, wo die Wärme half, diese Helferin schmählich ignorirt.

Sprechen wir zunächst über die Wirkung der örtlich angewendeten hohen Wärme auf unsern Körper im Allgemeinen. Es versteht sich aber wohl von selbst, daß hier nicht ein solcher Wärmegrad gemeint ist, welcher Verbrennung (brennende Schmerzen und Brandblasen) veranlaßt, sondern nur ein Gefühl von großer Hitze. Diese Wärme erzeugt nun, wie deutlich zu sehen und zu fühlen ist, eine Schwellung, Röthung und Erhöhung der Temperatur des erwärmten Theiles; es vermehrt sich die Blutmenge in demselben, und die festen wie flüssigen Materien desselben dehnen sich aus, erstere werden auch weicher und schlaffer, so daß sogar feste Entzündungsproducte dadurch zur Schmelzung (Eiterung) gebracht werden können. In Folge der Erweiterung der Blutgefäße und der dadurch gesteigerten Blutzufuhr (die eben den erwärmten Theil röthet) findet im erwärmten Theile eine gesteigerte Ernährung, Absonderung und Wärmeentwickelung statt; die Erweiterung der aufsaugenden Gefäße fördert auch die Aufsaugung. Im Nervensysteme wirkt die Wärme ebenso als ein Erregungsmittel der Nerventhätigkeit, wie auch beruhigend und insofern schmerz- und krampfstillend. Kurz, die Wirkung einer hohen, örtlich angewendeten Wärme ist so vielseitig, daß sie bei einer Menge der verschiedensten Krankheitszustände Anwendung finden kann.

Auf die Form, in welcher hohe Wärme örtlich anzuwenden ist, kommt in den meisten Fällen nicht sehr viel an. Ganz unnütz, ja bisweilen nachtheilig ist es, wenn man wegen eines einfachen örtlichen Uebels den ganzen Körper mit großer Wärme (besonders durch Bäder) incommodirt. Sicherlich würden die meisten Badecuren gegen örtliche Leiden noch einen weit bessern Erfolg haben, wenn nur die leidende Stelle, aber recht oft und recht lange, dem heißen Bade ausgesetzt würde. Deshalb ist es ebensowohl bei schmerzhaften, sogenannten rheumatischen Uebeln und Nervenschmerzen, wie auch bei ausgebreiteten Lähmungszuständen von ganz enormem Vortheile, so lange als möglich im heißen Bade zuzubringen und, um die unangenehme Wirkung des heißen Wasserdampfes auf den Kopf zu verhüten, die Badewanne so zu bedecken, daß nur der Kopf oder, wenn das Leiden an der untern Körperhälfte, auch noch der Oberkörper heraussieht, zugleich aber auch durch das geöffnete Fenster frische Luft in das Badezimmer zu schaffen. Bei solchen örtlichen Leiden jedoch, die nur auf eine kleinere Stelle (ein Glied, Gelenk etc.) beschränkt sind, ist es gerathener von Vollbädern ganz abzusehen und nur ganz örtlich die Wärme zu appliciren. Zu diesem Zwecke können alle möglichen stark erwärmten Dinge verwendet werden, wie: Sand, Lehm, Kleie, Mehl, Brod- oder Semmelkrume, Kartoffel- oder Möhrenbrei, Kräuterpulver, Schlamm, Steine, Metall, Wärmflaschen, Dampf, Wollenes, Pelz, Seide u. s. f., u. s. f. Von Hafergrütze oder Leinsamen macht man darum am häufigsten und liebsten warme Ueberschläge, weil diese des Oelgehaltes der genannten Stoffe wegen am längsten warm bleiben und deshalb nicht so oft gewechselt zu werden brauchen. Uebrigens ist schon in den ältesten Zeiten der heiße Nilschlamm gegen mancherlei Leiden benutzt worden, und in Frankreich wird heißer Dünger nicht selten gegen Rheumatismus angewendet; Schwalbennester in kochendem Wasser zerrührt und über den Hals geschlagen sind ein Volksmittel gegen Croup. Alte Weiber

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_439.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)