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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

übrigen Eidechsen, jene niedlichen Thierchen, denen kein Mensch etwas zu Leide thun mag, und nur durch den Mangel der Füße von ihnen unterschieden. Denn der unterscheidende Charakter von Eidechsen und Schlangen liegt nicht in den Füßen – es giebt Schlangen mit Fußstummeln, wie die Riesenschlangen; zweifüßige Eidechsen und vollkommen fußlose Eidechsen. Der Unterschied liegt im Gegentheile in der Organisation des Maules und der Dehnbarkeit des Rachens. Die Unterkiefer der Schlangen sind im Kinne gar nicht vereinigt und stehen auf einem complicirten Gerüste ineinander gelenkter Knochenstücke, welche jede Unterkieferhälfte so mit dem Schädel verbinden, daß der Unterkiefer nicht nur nach unten, sondern auch nach der Seite außerordentlich weit abgezogen und der Rachen selbst um das Fünf- und Sechsfache des Körperdurchmessers der Schlange erweitert werden kann. Anders verhält es sich bei den Eidechsen. Bei ihnen sind die Unterkieferhälften in der Mitte fest verbunden oder selbst verwachsen; der Rachen kann sich also nur etwa so öffnen, wie derjenige eines Säugethieres, und die seitliche Erweiterung ist unmöglich. Die Blindschleiche theilt aber diese Organisation des kleinen, mit äußerst feinen, kaum einen sichtbaren Eindruck auf die Haut lassenden, kleinen Zähnchen besetzten Maules mit allen übrigen Eidechsen.

Wie diese, nährt sie sich auch. Ich habe Dutzende von Blindschleichen geöffnet und nie etwas Anderes in ihrem Magen gefunden, als Reste von Käfern, Würmern, namentlich aber von nackten Landschnecken und besonders von Acker- und Gartenschnecken, die ihre Lieblingsnahrung zu bilden scheinen. Diesen nach kriecht sie im Grase und in der Nähe der Gartenbeete und erweist sich somit äußerst nützlich für die Vertilgung unserer zerstörendsten Gartenfeinde. Sie saugt eben so wenig an Schafen und Kühen, als die Ringelnatter, welche sich in die Nähe der Ställe begiebt, um ihre Eier in die gährenden Misthaufen zu legen; – sie schleicht auch die Schlafenden nicht blind, indem sie über ihre Augen kriecht, und schlüpft nicht durch den geöffneten Mund in ihren Magen, um ihnen, wie das Volk sich ausdrückt, den Herzbündel abzubeißen. Es ist eines der unschuldigsten, harmlosesten, ja sogar nützlichsten Thiere, die man in einem Garten hegen und pflegen kann, und wetteifert in seinem nützlichen Treiben mit seinen leichtfüßigen Verwandten, den Mauer- und Landeidechsen, welche nach Insecten, Schnecken und ähnlichem Gewürme laufen, springen und klettern.

Auch die froschartigen Amphibien: die Laub- und Grasfrösche, die Kröten und Unken, sowie die geschwänzten Salamander möchte ich ausdrücklich Ihrer Liebe und sorgsamen Pflege empfehlen. Die Kirche hat sehr wohl gewußt, daß Froschschenkel zu den delicatesten Bissen gehören, und sie deshalb mit den Fischen unter die Fastenspeisen gesetzt. Die harmlosen Laubfrösche sind sogar Lieblinge der Apotheker geworden, die sie in einigen Gegenden Deutschlands als lebendige Barometer benutzen und an ihren lebhaften Sprüngen nach Fliegen in ihrer Clausur sich zu ergötzen belieben. In der That unterscheiden sich aber die Laubfrösche von den physikalischen Barometern insofern, als das Barometer mit mehr oder minder Sicherheit das Wetter anzeigt, welches kommen soll, der Laubfrosch aber dasjenige, das wirklich vorhanden ist. Ich habe wenigstens immer gesehen, daß der Laubfrosch mir nicht mehr sagte, als ein Blick aus dem Fenster; daß er im Wasser saß, wenn es draußen regnete, und auf der Leiter, wenn die Sonne schien. Es ist aber für wissenschaftlich gebildete Leute, wie die Apotheker gemeiniglich sind, jedenfalls angenehm, eine Controle der unmittelbaren Beobachtung zu besitzen.

Die kleinen Wassersalamander oder Tritonen mit zusammengedrückten breiten Flossenschwänzen, die in Gräben und Tümpeln leben, gelten an einigen Orten Deutschlands für Anzeichen trinkbaren Quellwassers, in gleicher Art wie die Grundeln; obgleich sie sich ebenso gut in stehenden Lehmgräben und Schlammtümpeln, als in den stillen Quellenbächen schattiger Wälder aufhalten. Sonst hat die Volkssage wohl keinerlei Bedeutung an diese Thierchen geknüpft; dagegen hat sie sich reichlich entschädigt an den größeren Erdsalamandern mit abgerundetem Schwanze und gelben Flecken, welche wir besonders in feuchten Waldgegenden häufig antreffen. Sie sondern allerdings aus ihren Hautdrüsen einen weißen, schaumigen Schleim ab, der knoblauchartig riecht und einige ätzende Eigenschaften besitzt; allein auch diese hat man gewaltig übertrieben. Ich habe lebendige Erdsalamander stundenlang in der Hand gehalten und einmal auf einer Excursion nach dem Stockhorn, wo wir von einem starken Gewitterregen überrascht wurden, nach dem Aufhören des Regens mehr als hundert der kleineren, schwarzen Alpensalamander, welche die Feuchtigkeit aus ihren Verstecken hervorgelockt hatte, mit bloßen Händen gesammelt, ohne anderes Ungemach davon zu spüren, als den unleidlichen Geruch, der ziemlich fest an den Händen haftet. Die reichliche Schleimabsonderung aber, die stattfindet, wenn man den Salamander reizt oder quält, und die sogar einige Köhlchen auslöschen kann, wenn man ihn in’s Feuer setzt, scheint die Ursache zu all’ den Sagen gegeben zu haben, welche dieses Thier zum Gegenstande haben und wornach es im Feuer leben und in entsetzlichem Maße giftig wirken soll. Die Alten schon beschäftigten sich mit diesen Sagen, Aristoteles freilich nur mit großem Zweifel, der Compilator Plinius dagegen mit erstaunlichen Uebertreibungen. Erlauben Sie mir, Ihnen die bezüglichen Stellen nach Oken’s Verdeutschung anzuführen.

Aristoteles sagt von ihnen nur: „Daß die Natur gewisser Thiere dem Feuer Widerstand zu leisten fähig sei, zeigt auch der Salamander, der, wie man sagt, wenn er durch das Feuer geht, dasselbe auslöscht.“ (Buch V. Cap. 17 oder 19.)

Plinius dagegen sagt: „Der Salamander, ein Thier von Eidechsengestalt und sternartig gezeichnet, läßt sich nur bei starkem Regen sehen und kommt bei trockenem Wetter nie zum Vorschein. Er ist so kalt, daß er wie ein Eis durch bloße Berührung Feuer auslöscht. Der Schleim, der ihm wie Milch aus dem Munde läuft, frißt, er mag eine Stelle treffen, welche es sei, die Haare am ganzen menschlichen Körper weg, und die benetzte Stelle verliert die Farbe und wird zum Male.“ (Buch X. Cap. 86.)

„Unter allen Giftthieren sind die Salamander die boshaftesten, denn andere verletzen nur einzelne Menschen und tödten nicht mehrere zugleich. Nicht zu gedenken, daß andere Giftthiere, wenn sie einen Menschen verwundet haben, durch das Bewußtsein davon umkommen und von der Erde nicht wieder angenommen werden; will ich nur sagen, daß der Salamander ganze Völker tödten kann, wenn sie nicht auf ihrer Hut sind. Wenn er auf einen Baum kriecht, vergiftet er alle Früchte, und wer davon genießt, stirbt vor Frost, nicht anders als ob er Aconitum genommen hätte. Ja, wenn bei einem Holze, das er nur mit dem Fuße berührt hat, Brod gebacken wird, so ist es vergiftet; und fällt er in einen Brunnen, so ist es das Wasser nicht minder. Wenn man mit seinem Speichel einen Theil des Körpers befeuchtet, und wenn es auch nur die Fußsohle ist, so geht das Haar am ganzen Leibe davon aus. Doch wird dieses so giftige Thier von einigen anderen Thieren gefressen, wie z. B. von den Schweinen, da dann jene natürliche Antipathie die Oberhand behält. Außer dem, was man von einem Kantharidentranke und von einer gespeisten Eidechse erzählt, ist wahrscheinlich, daß sein Gift vorzüglich durch solche Thiere gedämpft wird, welchen es zur Nahrung dient. Die übrigen Gegenmittel sind bereits angeführt, und einige werden am gehörigen Ort noch vorkommen. Wäre das gegründet, was die Magier vorgeben, da sie nämlich gewisse Theile des Salamanders als Mittel wider Feuersbrünste vorschlagen, weil er das einzige Thier ist, welches das Feuer auslöscht, so würde Rom längst den Versuch gemacht haben. Sextius sagt: wenn man einem Salamander die Eingeweide ausnimmt, Füße und Kopf abschneidet und ihn in Honig aufbewahrt, so diene er, als Speise genossen, zu einem stimulirenden Mittel; leugnet aber, daß er das Feuer lösche.“ (Buch XXIX. Kap. 23.)

Die Erzählung Benvenuto Cellini’s in seiner Lebensbeschreibung, wonach sein Vater einen im Feuer tanzenden Salamander sah, mag Ihnen beweisen, daß das alte Märchen auch im Mittelalter in vollem Glauben stand. Die Beobachtung belehrt uns, daß der Salamander ein harmloses Thier ist, das feuchte, dunkele und schattige Orte bewohnt, Tags über sich verborgen hält, nur bei Nacht oder Regenwetter aus seinen Schlupfwinkeln hervorkommt und sich hauptsächlich von Würmern, nackten Schneckchen und weichen Insecten nährt.

Ich komme zu den Kröten, die sich zoologisch weit weniger durch die warzige Haut und den kriechend schleppenden Gang, als vielmehr durch die Zahnlosigkeit ihres Maules von den Fröschen unterscheiden. Giebt es etwas Häßlicheres, als eine recht große, platte Kröte mit dickgeschwollenem Bauche, die langsam nächtlicher Weile aus ihrem Verstecke unter Gebüschen und Steinen hervorschleicht,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 393. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_393.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)