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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Das Manöver hatte mit diesem Ausgange seinen Abschluß erreicht, auf beiden Seiten ward deshalb zum Sammeln und Frieden geblasen. Die Commandeurs und Oberofficiere sprengten zum Könige, um über ihre Leistungen dessen Urtheil einzuholen.

Als der Erste von Allen war übrigens bei dem Standorte des Monarchen der Herr Naditschzander eingetroffen. Freilich sehr wider seinen Willen und in einem Aufzuge, der zu seinem stolzen Auftreten von heute Morgen den schneidendsten Contrast bildete. Der Rittmeister von Reitzenstein, Ziethen’schen Regiments, hatte sich vorhin vor Pichelsdorf einen günstigen Moment ersehen, war auf ihn eingesprengt, hatte ihn am Kragen ergriffen, vom Pferde gerissen und gefangen genommen. Zu Fuß, durch den Sumpf geschleift, eine Fouragirleine um den Leib und unmittelbar, wie er aus den Fäusten der erbitterten Husaren hervorgegangen, erschien der Ungar jetzt vor dem Könige. Der Anblick war so lächerlich, daß dieser selbst seinen Ernst nicht bewahren konnte. Friedrich lächelte, die Generäle und Officiere seines Gefolges schüttelten sich vor Lachen über diesen traurigen Ausgang des fremden Abenteurers, der allgemeine Jubel wollte kein Ende nehmen.

„Majestät,“ schrie Naditschzander dazwischen, „habe ich mich zu beklagen über die Husaren von die Ziethen. Is sich keine Art! Haben sie mich geschlagen mit die Strick und die Säbel. Sind sich das schlechte Husar, verstehe sich nix von die Krieg und die Manöver …“

„Na höre Er, Naditschzander,“ unterbrach der König den Wüthenden, „seine Theorie über den Dienst der Husaren von neulich war recht gut, aber in der Praxis hat Er heute ganz erbärmlich bestanden. Im Uebrigen laß Er mir die Ziethen’schen in Frieden, den Krieg wenigstens verstehen die aus dem Grunde, das sollte Er heute doch wohl zur Genüge an sich selber erfahren haben – Und sind sie allerwege gut,“ fügte er in erhöhtem Tone zu dem Rittmeister von Reitzenstein und den mit demselben gekommenen Husaren gewendet hinzu, „selbst wenn sie mir beim Manöver gelegentlich wieder einmal ein paar Pferde gleich in Grund und Erdboden reiten sollten.“

Zusammenfallend mit diesen letzten Worten des Königs waren der Prinz Heinrich von der einen, und der General von Winterfeld von der anderen Seite auf denselben zugesprengt. Das Antlitz des letzteren erschien ganz blaß vor Wuth und Beschämung, seine innere Erregung riß den sonst so gewandten Hofmann fort, wider die Etiquette den König zuerst anzureden.

„Haben Ew. Majestät die Gnade,“ begann er fast noch unter dem Pariren seines Pferdes, „den Ausfall des heutigen Manövers nicht mir zuzuschreiben. Dieser verdammte Kerl, der Naditschzabder –“

Ein Blitz aus den Herrscheraugen Friedrichs machte den General mitten in seiner Entschuldigung verstummen; mit tödllichem Schrecken ward er, der den König so gut kannte, sich bewußt, daß er diesen durch jenen ersten Verstoß und danach noch weit mehr durch den ungeschickten Versuch, dessen Urtheil zu captiviren, in ein und demselben Moment zweifach verletzt habe.

Die Strafe hierfür sollte nicht auf sich warten lassen. „Ew. Königliche Hoheit,“ hatte sich Friedrich, wie wenn er die Anrede des Generals ganz überhört hätte, an seinen Bruder gewendet, „haben bei dem heutigen Manöver die ganze Force und Geschicklichkeit eines tüchtigen Generals zu erkennen gegeben. Eine gleiche Sicherheit Zug um Zug, ein bestimmteres Eingreifen zur richtigen Zeit und am richtigen Ort ist mir noch selten zu Gesicht gekommen. – General-Lieutenant von Winterfeld,“ kehrte er sich zu diesem, „Er hat heute seinen unglücklichen Tag gehabt und wird seine üble Meinung über die preußischen Husaren nun wohl geändert haben. – Höre Er, Ziethen.“ rief der König, sein Pferd zur Heimkehr wendend, den alten Reitergeneral an seine Seite, „weiß Er, heute in Sanssouci bei der Mittagstafel kann Er uns beiden, mir und meinem Bruder, die Geschichten von Rothschloß, Neustadt und Moldau-Thein gleich miteinander erzählen.“




Vorlesungen über nützliche, verkannte und verleumdete Thiere.
Von Carl Vogt in Genf.
Nr. 3.
(Schluß.)
Nattern – Die Blindschleiche und ihre Ungefährlichkeit – Die Frösche, Kröten, Unken und Salamander – Die Feuerfestigkeit des Salamanders – Ehrenrettung der vielverleumdeten Kröte – Ihre Verwendung in Salat- und Gemüsepflanzungen – Die Geburtshelferkröte.

Die Viper beißt, wie schon angeführt, den Menschen nur in der Noth, zur Vertheidigung; denn sie nährt sich nur von kleineren Thieren, welche sie ganz hinabschlingen kann. Vögel mag sie bei ihrer Plumpheit und Trägheit nur selten erhaschen, und was man von der Zauberkraft ihres in der That schönen Auges erzählt, ist eitel Fabel. Ihre Lieblingsnahrung besteht aus Mäusen und selbst Maulwürfen, die sie ganz hinabschlingt. Wyder in Lausanne, einer jener seltenen Schlangenfreunde, der sein ganzes Haus förmlich mit lebenden Reptilien angefüllt hatte, fand eines Tages eine scheinbar dickgeschwollene Kreuzotter regungslos am Wege liegen. Er stopfle sie in eine Flasche, durch deren Hals der dicke Leib nur mit Mühe hindurchzubringen war, und brachte so seine Beute nach Hause. Als er dort seine Flasche hervorzog, fand er darin die vollkommen schlank gewordene Kreuzotter und die Leiche eines großen Maulwurfes, die in keiner Weise mehr durch den Hals der Flasche zu bringen war.

Den gefeieten Feind der Otter, den Igel, habe ich schon erwähnt. Außerdem aber fürchten Marder und Wiesel, Iltis und Hermelin, sowie Bussarde und Wespenhabichte den Biß der Otter durchaus nicht und nehmen sie in den allgemeinen Raub mit, sobald sie dieselbe auf ihren Wegen finden. Auch auf Thiere mit kaltem Blute, wie Frösche, wirkt das Gift in keiner Weise.

Die übrigen Schlangen, welche wir in Deutschland und der, Schweiz besitzen: die meist graublaue Ringelnatter (Coluber [Tropidonotus] natrix), mit dem gelben, gewöhnlich schwarz eingefaßten Halsbande; die schöne Schwalbacher Natter (C. flavescens), mit bräunlichem Rücken und schwefelgelbem Bauch; die glatte Schlingnatter oder österreichische Natter (Coronella laevis) mit röthlichgrauem Leibe und braunen, fast in Zickzack gestellten Flecken auf dem Rücken; die Vipernatter (Coluber viperinus), welche in ihrer äußeren Zeichnung der Viper so ähnlich sieht – alle diese Schlangen sind vollkommen unschädliche Thiere, die einen Menschen kaum verwunden können und sich entweder, wie die wasserliebenden Ringelnattern, von Fröschen oder von jungen Mäusen und ähnlichen kleinen Bestien nähren, die sie ganz hinabschlingen. Ein neuerer Verfasser hat über diese Schlingoperation an Fröschen äußerst poetische Ergüsse in einem kleinen Buche geliefert. Wir wollen ihm in dieser Beschreibung nicht folgen, doch erlaube ich mir, seine letzten Worte zu citiren, nur um zu zeigen, wie weit Ueberschwenglichkeit sich verirren kann: „Dieser Augenblick quält dem armen Thiere regelmäßig jenen kläglichen Weheruf ab, von dem wir oben gehört haben. Unter dem Eindrucke dieses schmerzlichen Seufzers scheint auch der letzte Blick, den der Frosch aus dem Schlangenrachen in die Welt wirft, etwas besonders Trauriges zu verkünden.“

Mag man auch, um jede Ungewißheit zu vermeiden, den Satz aufstellen, daß es gut sei, alle Schlangen, die man antrifft, ohne Weiteres zu tödten, indem auch die unschuldigen der menschlichen Oekonomie keinen wesentlichen Nutzen stiften, so möchte ich doch ein Wort des Schutzes für ein Thier einlegen, dem seine leidige Schlangengestalt eine Menge von unverdienten Verfolgungen zuzieht und das sich zum Unheile eine ungünstige Maske trägt. Ich meine die Blindschleiche (Anguis fragilis), jenes harmlose walzenförmige, bräunliche Schlänglein, dem wir auf Grasplätzen, Waldwegen, an Hecken und Gebüschen begegnen, das sich nur langsam schlängelnd weiter bewegt, beim Angreifen leicht zerbricht und die meistens dem Zorne gegen die Schlangen als Opfer fällt. Gewiß würde sich die Verfolgungssucht einigermaßen legen, wenn die Leute sich wohl einprägen wollten, daß die Blindschleiche keine Schlange, sondern eine fußlose Eidechse ist, vollkommen so organisirt wie die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 392. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_392.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)