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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

An diese Loggien, die gleichsam einen Corridor bilden, schließen sich die Zimmer an, die der Welt unter dem Namen der „Stanzen (Zimmer) Raphael’s“ bekannt sind. Sie enthalten die berühmten Freskomalereien dieses Meisters und geben in verschiedenen Abtheilungen eine Verherrlichung der Idee des Christenthums. Von den vielen Meisterwerken der vaticanischen Gemäldesammlung gedenken wir nur der Transfiguration Raphael’s und der Madonna di Foligno. Die Antiken sind aufgestellt in dem Appartements Borgia (Alexander’s VI.), wo sich auch die gedruckten Bücher der Bibliothek seit 1840 befinden, namentlich aber in dem „Belvedere“ (eigentlich einer Villa Innocenz’ VIII., welche Julius II. mit dem Vatican vereinte und die später erweitert wurde). Hier finden sich die großen Sammlungen: Galeria lapidaria mit mehr als 3000 meistens Grabmälern entnommenen Reliefs; dann das Museo Chiaramonti, von Pius VII. angelegt und mit Statuen, Reliefs etc. angefüllt; dazu gehört der von demselben Papst erbaute Saal, welcher den neuen Flügel des Belvedere (il braccio nuovo) begreift und der an Reichthum kostbarer Marmorarten alle übrigen Säle des Vaticans übertrifft. Keine andere Antikensammlung in der Welt läßt sich jedoch mit dem Museo Pio Clemente vergleichen, denn dasselbe birgt, um nur das Ausgezeichnetste zu erwähnen, den berühmten Torso des Hercules, den herrlichen Apollo, die wundervolle Gruppe des Laokoon, eine Statue des Nils, die kolossale Statue des Antinous und tausend andere Arbeiten, an denen sich das Auge des Kunstkenners nicht satt sehen kann. Es ist dieses Museum der Glanzpunkt des ganzen Vaticans bis auf diesen Tag geblieben. Wenn Julius II. einen Kunsttempel geschaffen, sorgte Sixtus V. für eine der Wissenschaft geweihte Halle und baute die Prachträume der Bibliothek. Man kann sich eine Idee von den dort aufgespeicherten Schätzen der Wissenschaft machen, wenn man bedenkt, daß die vaticanische Bibliothek mindestens 70,000, nach Einigen 200,000, nach Anderen sogar 400,000 Bände enthält, neben denen sich gegen 40,000 Handschriften befinden, die größtentheils zu den ältesten und besten zählen.

Derselbe Sixtus V. erbaute auch denjenigen Theil des Palastes, der die rechte Seite unseres Bildes einnimmt und die gewöhnliche Residenz der Päpste ist. Hier wohnt Se. Heiligkeit, der jetzt regierende Pio nono, während die Eminenz den Cardinal-Staats-Secretairs Antonelli im obern Stockwerke thront. Unter Urban VIII. wurde die prachtvolle Scala regia (Haupttreppe), der officielle Haupteingang des Vaticans, gebaut. Man gelangt zu ihr durch das Säulenportal auf der linken Seite unseres Bildchens. Auf einer vierfachen Folge von Marmorstufen führt die Scala regia zwischen ionischen Marmorsäulen zum Haupteingang und bildet eine Perspektive von wundervoller Schönheit. Hier befindet sich auch die Wache der Schweizergarde, der letzten schwachen Hülfe, auf welche der vielbedrängte Pio nono sich zu stützen versucht. In unseren Tagen ist noch eine neue Seitentreppe hinzugekommen, ein durch die Munificenz Pius’ IX. errichteter Prachtbau, der an der Stelle der früheren Rampe direct in den Hof der Loggien hinaufführt. Dieses Werk ist eben vollendet. Aus der Zeit Urban’s VIII. endlich datirt die große Vorhalle, die Bernini mit so großem Talent ausgeführt hat. Wir sehen auf unserer Zeichnung die eine Hälfte des größten Meisterwerks, das dieser Künstler in der Architektur geschaffen. Die unzähligen Statuen, die den Porticus schmücken, gehören sämmtlich der Schule Bernini’s an, sind aber nur von decorativem Werth. Um schließlich noch einen Begriff von der riesenhaften Ausdehnung dieses Gebäudes zu geben, bemerken wir nur, wie fast alle Quellen die Anzahl der darin enthaltenen Säle, Zimmer etc. auf 11,000 angeben, wohl hinreichend, um den Vatican als die größte aller Residenzen dieser Welt erscheinen zu lassen.

Es liegt im Dunkel des Schicksals verhüllt, wie lange der Vatican noch die Residenz der Päpste bleiben wird. Vielleicht entscheidet schon die nächste Zukunft die brennende Frage, ob nicht der neue König von Italien Rom zu seinem ersten Herrschersitz erwählen wird und darf; dann könnte vielleicht der heilige Vater, seiner weltlichen Krone beraubt, sich gezwungen sehen, seinen Wohnsitz wie früher im Quirinal aufzuschlagen, wenn er es nicht, wie bereits früher, vorzieht, in der Fremde ein Ruhelager zu suchen, auf welches er sein müdes Haupt in Frieden niederzulegen vermag.




Ein Deutscher.

Roman aus der amerikanischen Gesellschaft.
Von Otto Ruppius.
(Fortsetzung.)

„Sprich jetzt nicht und laß mich ausreden,“ fuhr das Mädchen, fast krampfhaft die erfaßte Hand drückend, fort, als Reichardt eine Bewegung zur Entgegnung machte, „ich weiß ja Alles, was Du sagen könntest; ich aber sage Dir, Max, daß die Regung, welche Dich jetzt zu Deinem Vorschlage getrieben, doch weiter nichts ist, als das Mitleid mit meiner augenblicklichen Lage, daß es unser Beider Unglück herbeiführen hieße, wollte ich leichtsinnig dem Drange des Augenblicks folgen. Laß mich ausreden,“ wiederholte sie leidenschaftlich, als er einen neuen Versuch, sie zu unterbrechen, machte, „ich weiß, daß Du mit voller brüderlicher Herzlichkeit an mir hängst, daß Du im Augenblicke Dein eigenes Glück in dem meinen finden würdest; aber ich bin ein egoistisches Geschöpf, Max, und verlange mehr; wo ich mich in Liebe hingebe, will ich wieder geliebt sein mit derselben Gluth, deren ich selbst fähig bin, oder ich müßte mich innerlich verzehren – und wenn mir die volle Befriedigung meines Herzens nicht werden kann, will ich wenigstens nicht mehr zu geben haben, als ich zurückempfange. Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt, Max, Du erst zwanzig und kennst Dich selbst noch nicht. Aber der rechte Augenblick wird auch für Dich noch kommen, und ich würde sterben müssen, wenn ich ein neues Leben in Dir entstehen sähe, das nicht durch mich geweckt worden wäre; Du aber würdest dann, so lange ich noch lebte, die Last verwünschen, die an Dir hinge, selbst wenn Dir Dein gutes Herz das laute Geständniß versagte. Ich wußte es schon in New-York, daß wir einander nicht gehören durften, und es war mir gelungen, mich zum Frieden mit mir selber durchzuarbeiten – laß ihn mir, Max,“ schloß sie mit einem Blicke eigenthümlich schmerzlicher Bitte, als sei sie trotz aller Worte ihrer selbst noch nicht sicher, „wirf mich nicht in neue Kämpfe, die nimmermehr zu unserem Heil führen würden.“

„Aber giebt es denn ein dauerndes Glück in der leidenschaftlichen Erregung, wie Du sie andeutest?“ fragte Reichardt, sichtlich durch den Erguß des Mädchens herabgestimmt. „Ich weiß, daß meine Empfindungen nicht über eine gewisse Höhe steigen, dafür aber kann ich ihrer Dauer sicher sein und mich ruhig dem Wege überlassen, den sie mich leiten. Ich weiß, daß ich meine volle Befriedigung an Deiner Seite gefunden hätte, Mathilde – Dir genügt aber das nicht; und doch suchst Du vielleicht das Glück da, wo es am wenigsten zu Hause ist.“

„Ich suche das Glück nicht und erwarte es nicht – ich bin nicht dafür geboren – ich will aber auch unser Beider sicheres Unglück nicht durch eine kurze Seligkeit erkaufen!“ erwiderte sie mit ihrem frühern, aus tiefer Innigkeit und Trauer gemischten Tone; „Du wirst noch eine andere Gefühlswärme als Deine jetzige kennen lernen, Max; ich aber verlange nichts für mich, als einen Halt, der mir eine unzweideutige Stellung giebt, einen Begleiter, der dieselbe Achtung verdient, die ich für mich fordere, und von meinem innern Leben nicht mehr beansprucht, als sich ihm freiwillig bietet. Das eigentliche Glück mag nicht in einem solchen Verhältniß zu finden sein, aber wenigstens birgt dieses auch keine Täuschung und genügt völlig für den, der mit seinen Wünschen abgeschlossen hat. – Und nun, Max,“ fuhr sie, wie sich innerlich zusammenraffend und ein Lächeln versuchend, fort, „laß uns ruhig denselben Standpunkt wieder einnehmen, auf dem wir unser Gespräch begannen; ich wollte Deine Meinung über meine Lage und ihre Aussichten hören – Du hast Dich von Deinem guten Herzen fortreißen lassen, und ich war thöricht genug zu folgen; das ist vorüber, und jetzt möchte ich wohl wissen, was Du sagen würdest – wenn ich – nun ja, warum soll ich es nicht aussprechen – wenn ich unsern Director erhörte? er würde mehr als mancher

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_381.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2022)