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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

„Was haben Sie? Sie sehen so verstört aus,“ frug den Ankommenden Herr Scribe; „es geht doch Alles gut.“

„Sehr gut!“ versetzte Herr Fournier. „Hören Sie nur, was sich zugetragen. Ein Wütherich nannte Ihr Stück unsittlich und gemein, ich entgegnete, und er gab mir seine Karte.“

„Das ist ja vortrefflich,“ sagte Herr Scribe.

„Er schickt mir morgen seine Zeugen.“

„Sie schlagen sich. Sie können mir und dem Stücke keinen bessern Dienst leisten.“

„Sie wollen, daß ich mich schlage?“

„Freilich, denken Sie nur, einem Stück, das ein Duell hervorgerufen, ist der glänzendste Erfolg gesichert, und wenn es das schlechteste von der Welt wäre.“

„Wenn ich falle?“

„So erlebt das Stück dreihundert Vorstellungen nach einander.“

„Das ist Ihr Ernst?“ frug Herr Fournier mit verloschener Stimme den Bühnendichter und starrte ihn wie ein Wunder an.

„Es fällt nicht Jeder, der sich duellirt, mein Freund,“ entgegnen beruhigend der Dichter.

Herr Fournier stürzte aus der Loge. Er war von diesem Augenblicke an der erbittertste Gegner des Herrn Scribe.

Den andern Tag that er dem Manne, der ihn herausgefordert hatte, in Gegenwart von vier Zeugen Abbitte, und es kam nicht zum Duell.




Eine gefährliche Stunde.

Von Marine-Lieutenant H.

Es war im Juli 1856. Die amerikanische Kriegsfregatte „Jamestown“, damals in den afrikanischen Gewässern stationirt, lag auf der Rhede St. Philipp de Benguela, an der westlichen Küste Süd-Afrika’s, ruhig vor Anker, und wir, die Officiere des stattlichen Fahrzeugs, hatten gute Zeit, mitunter auch wohl etwas Langeweile, die wir uns denn, so gut es gehen wollte, zu vertreiben suchen mußten. Einen schönen Abends saßen wir auf dem Kanonendeck der Fregatte beisammen, rauchten gemüthlich unsere Cigarre und plauderten von Diesem und Jenem, als der Besuch des Befehlshabers eines gerade dort auch vor Anker liegenden amerikanischen Handelsschooners eine erfreuliche Abwechselung in unsere Gesellschaft brachte. Capitain Dunlap, eine jener hohen, markigen und knochigen Gestalten, wie man sie nur in Kentucky, seiner Heimath, findet, war bereits über die Mitte der Fünfziger hinaus, und schon begann der Schnee des Alters sein Haar zu bleichen; doch war er noch kräftig und rüstig, und die Strapazen seines vielfach bewegten Lebens hatten nicht vermocht, seine eisenfeste Gesundheit zu erschüttern. Unsere Bekanntschaft war bald gemacht. Der Capitain war als wortkarg bekannt, der nur ungern von seinen Lebensereignissen erzählte. Heute aber hatte er unter unsern Officieren einen alten Jugendfreund gefunden, der Grog that das Uebrige, und so saßen wir bald um ihn gereiht und horchten seinen Mittheilungen.

„Wir verließen die Ufer des Arunga-Flusses,“ begann er eine seiner Erzählungen, „und nahmen unsern Weg nach Süden. Obgleich ich dabei einen großen Umweg in das Innere Afrika’s machte, so glaubte ich doch dabei nichts einzubüßen, weil ich fest überzeugt war, daß ich auf diesem Wege die an den Grenzen des großen Tafellandes, im Gebiete der Shagga-Neger, liegenden Goldminen auffinden und daselbst einen vortheilhaften Tauschhandel mit den Eingeborenen würde treiben können. Gegen den Abend eines furchtbar heißen Tages, den wir auf einer Wüstenei zugebracht hatten, langte unsere kleine Karawane an einem breiten Gürtel waldigen Gebirges, in der Nähe des Monbaza, an. Ein kleiner Bach schlängelte sich am Fuße der Hügel hin, und die Vegetation war grün und üppig. Es war mit einem Worte ein höchst angenehmer Ruheplatz, und wir schätzten uns glücklich, denselben erreicht zu haben.

Obgleich wir noch ziemlich vier Stunden bis zum Eintritt der völligen Dunkelheit hatten, so war uns doch, ebenso wie unsern Pferden, Ruhe unbedingt nothwendig, und wir beschlossen derselben so schleunig wie möglich zu pflegen. Ein guter Weideplatz für unsere Pferde war bald gefunden. Eben loderte unser Feuer lustig empor, und einige Vögel, die wir am Tage geschossen, drehten sich schon munter am Spieße, ein leckeres Abendmahl in Aussicht stellend, während Einige von uns Wasser aus dem nahen Bache zum erfrischenden Tranke herbeiholten – als plötzlich ein Getöse von der Wüste her uns aufschreckte. Ich sprang sofort auf, ergriff meinen Rifle und eilte nach dem Saume des Waldes, woselbst sich eine Scene vor meinen Blicken entfaltete, welche mein ganzes Innere auf verschiedene Art berührte. Ich war erschreckt, erstaunt und erfreut zu gleicher Zeit.

Eine Heerde Elephanten kam über die Sandfläche getrabt, ihre mächtigen Rüssel hoch erhoben, und dann und wann laute, durchdringende Schreie ausstoßend, während die Wüste unter der Wucht der Tritte ihrer unförmlichen Füße weithin erzitterte. Sie kamen gerade auf den Platz los, wo ich mich befand, und sobald ich meine verworrenen Gedanken einigermaßen ordnen und sammeln konnte, wurde es mir auch klar, warum die wüthenden Bestien gerade dahin ihre Richtung nahmen. Der Platz nämlich, den wir zu unserem Nachtlager erwählt hatten, bot, von der Ebene aus gesehen, den einzigen Zugang zum Walde, denn letzterer bildete bei unserer Annäherung eine förmliche Barriere auf der anderen Seite des Baches, mit Ausnahme des Plätzchens, wo wir unser Zelt aufgeschlagen hatten. Natürlicherweise hatten die Elephanten dies ebenfalls bemerkt und richteten daher ihren Lauf instinctmäßig nach demselben Zugang. Abdar und Mada, meine beiden Gefährten, waren fast gleichzeitig an meiner Seite, und sobald Ersterer die Thiere erblickt hatte, versicherte er mir, daß die Heerde jedenfalls von Jägern angegriffen und zur Flucht gezwungen worden sei. „Es kann nicht anders sein,“ bemerkte er, „man hat die Thiere in einen Schlupfwinkel zusammengetrieben, und sie sind zuletzt, wüthend gemacht, aus demselben entkommen. – Ha! und siehst Du?“ rief er, als sein scharfes Auge die Reihen der flüchtigen, riesenhaften Kolosse überflogen, „dort ist einer mit einem Pfeile im Nacken.“ Ich folgte seiner zeigenden Hand mit den Augen und erblickte bald ebenfalls deutlich genug den hin und her schwankenden Schaft eines gefiederten Pfeiles in der rechten Schulter des Anführers der Heerde. Abdar versicherte mir, die Elephanten wären im höchsten Grade wüthend, und würden jedenfalls, wenn sie uns bemerkten und erreichten, blutige Rache an uns nehmen. Ich hielt mich gerade noch lange genug auf, um deutlich wahrnehmen zu können, daß die Heerde wenigstens aus einem Dutzend Elephanten bestand, ehe ich meinen vorauseilenden Gefährten in athemlosem Laufe nachfolgte. „Die Pferde werden sie nicht belästigen!“ rief Mada, als ich bemerkte, daß es gut sein würde, dieselben los zu binden und frei herum laufen zu lassen, „menschliche Wesen waren es,“ fügte er hinzu, „die sie gereizt und in Wuth versetzt haben.“

Es war keine Zeit mehr zu weiteren Fragen vorhanden, denn die unförmlichen Berge lebenden Fleisches nahten sich wie ein Gewittersturm. Jetzt bemerkte ich nicht weit von mir einen Baum; auf diesen eilte ich zu und schickte mich sofort an, ihn zu ersteigen. „Um Gotteswillen, nicht da hinauf! nicht da hinauf!“ schrie mir Abdar zu, als er an mir vorüberrannte, allein ich verstand ihn nicht, und hätte ich ihn verstanden, so würde ich mich doch nicht haben abhalten lassen, auf den Baum zu klettern, da es mir in jenem Moment überhaupt nicht mehr möglich war, zu denken oder die Ausführung des einmal gefaßten Entschlusses wieder aufzugeben; denn die Elephanten waren schon am Eingang des Waldes.

Der Baum, den ich mir zu meinem Versteck ausgesucht hatte, war eine Eichenart, schlank, biegsam und dicht belaubt. Ich hatte nur darauf Bedacht genommen, daß er hoch und stark genug sei, um meine Person – dies war mein einziger Gedanke in jenem kritischen Augenblicke – aus dem Bereiche der Elephantenrüssel zu bringen. Eben hatte ich die Krone des Baumes erreicht und da Platz genommen, und eben war ich im Begriff, meinen Rifle über den Ast, auf dem ich saß, zu heben und mir denselben quer über die Beine zu legen, um mich dadurch besser in der Balance zu erhalten, als der vorderste Elephant – derselbe, in dessen Nacken der Pfeil stak – unter mir vorüber rannte. – Ich athmete

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_363.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)