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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Als er vor der Mündung der Kanonen stand, wetterten diese mit Kartätschen in die dicht gedrängte Masse, das Militär und die Schützen entluden ihre Gewehre. Als der Feind sich zur Flucht wendete, hieben die Dragoner ein, so daß die Bedrängten in größter Verwirrung dem Bache zusprangen, um durch sein steiniges Bett, welches einige Deckung vor den Reitern gewährte, zu entrinnen. Dieses war der letzte ernstliche Angriff; denn schon während des Gefechtes fing es stark zu regnen und zu schneien an, daß die Gewehre nicht mehr losgehen konnten, und vor Finsterniß vermochte man auch nicht mehr zu sehen, man schoß daher nur dorthin, wo man Feuer aufblitzen sah und den Feind vermuthete. Die Nacht verging ruhig, denn der Feind, welcher über 2000 Mann todt und verwundet auf dem Platze gelassen hatte, begann sich über Lofer zurückzuziehen.

Zu Mittag kam der Feldmarschall-Lieutenant Chasteler, welcher unthätig mit 5000 Mann, während eine kleine Heldenschaar den Paß vertheidigte, zu St. Johann, nur drei Stunden rückwärts, sich aufgehalten hatte, und belobte – die Schützen, die ihm jedoch über sein spätes Eintreffen nicht viel Schmeichelhaftes sagten. Wir haben hier eine geschichtliche Unwahrheit, welche wohl nicht ohne Absicht verbreitet wurde, berichtiget; Chasteler, der angebliche Held vom Strubpasse, hat bei der Behauptung desselben nicht mehr Verdienst, als die Bauernweiber, welche gleichzeitig die Kühe molken; der Ruhm gebührt Julien, Hager und den Schützenhauptleuten, welche, obwohl sie großen Verlust erlitten, standhaft ausharrten.

Tyrol wurde vom Kaiser Franz an die Krone Baiern abgetreten. Dem hohen Herrn ging die Trennung von den braven Tyrolern gewiß nicht so zu Herzen als diesen von ihm; so mancher verließ, um nicht unter dem verhaßten Feinde zu leben, die Heimath und wanderte nach Oesterreich aus. Hager empfand den Schmerz so tief, daß man ihn von der Zeit an, als er die Abtretung Tyrols erfuhr, weder lachen noch irgend eine Lustbarkeit mitmachen sah; er versank in Trübsinn und starb den 8. Juni 1808 am gebrochenen Herzen. Hätte er doch noch 1809 erlebt! Sein Name würde unter den berühmtesten glänzen, aber freilich blieb ihm auf diese Weise auch die bittere Enttäuschung erspart, welche das treue Tyrol erfahren mußte.

Es war damals eine[WS 1] böse erbärmliche Zeit. Deutsche kämpften gegen Deutsche, Brüder eines Landes mordeten sich unter einander. Das Volk trug nicht die Schuld dieser Nichtswürdigkeiten.

Der Bergpaß Strub bei Waidring

Im Jahre 1809 widerhallten auch diese Berge von Krieg und Kampfgetöse, und es gelang Oppacher, dem Wirth von Jochberg, seinen Namen für immer zu verherrlichen. Er hatte bereits 1805 am Passe Strub gefochten und war hier von einer Musketenkugel verwundet worden; jetzt wählten ihn die Schützen zu ihrem Hauptmann. In den ersten Tagen des Mai verbreitete sich die Nachricht, daß die Franzosen unter Marschall Lefèbvre mit den Baiern, welche Wrede befehligte, die Ostgrenze Tyrols angreifen würden.

Da sie bereits einmal am Passe Strub Schläge geholt hatten, so erwartete man, sie würden die leichter zu überwindenden Stellungen bei Kössen zu erobern trachten, und sandte die meisten Schützen unter dem trefflichen Rupert Wintersteller dahin. Chasteler zog es vor, diesesmal mit seinen 8 Bataillonen Soldaten noch weiter zurückzubleiben als 1805, und stellte sich zu Wörgl am Inn auf. So bestand die ganze Besatzung des wichtigen Passes Strub aus 275 Schützen unter Oppacher, 90 Soldaten, welche ein Lieutenant commandirte, und zwei sechspfündigen Kanonen.

Kaum hatte dieses Häuflein die von den Baiern schon früher zerstörten Befestigungswerke des Passes besetzt und etwa hundert Schritte davon einen Verhau über die Straße gelegt, als auch schon die Nachricht anlangte, daß der Feind in einer Stärke von 15,000 Mann anrücke. Oppacher traf eiligst alle Anstalten zur Vertheidigung und schickte die schnellsten Läufer nach Kössen um Hülfe; Wintersteller beharrte jedoch auf seinem Irrthum, daß die Hauptmacht nicht gegen Strub vordringe. So brach der verhängnißvolle 12. Mai an. Schon um 6 Uhr Morgens rückte Wrede zum Sturm vor und ließ die Stellung der Tyroler mit 12 Kanonen beschießen. Kein Schuß antwortete, denn Oppacher hatte befohlen, daß jeder Schütz nur dann losbrennen dürfe, wenn er völlig sicher sei, seinen Mann zu treffen. Um 8 Uhr waren die baierischen Colonnen formirt und drangen vor. Jetzt krachte es von allen Seiten. „Eine Freud’ ist’s g’wesen“, erzählte mir ein alter Schütz. „Hat man eine Minute auf einen Baiern zielt, so ist es schon zu spät g’wesen, ein Anderer hat ihn derweil schon wegg’schossen. Ganze Reihen sind g’fallen und nachher die andern davon g’loffen.“ So waren bereits zwei Stürme abgeschlagen, aber auch die österreichischen Kanonen verstummten. Der tapfere baierische Artillerielieutenant Gouthy fuhr nämlich so schnell als möglich mit einer Kanone in den Paß, protzte ab und richtete sie selbst so geschickt, daß sogleich eine Haubitze die kaiserlichen Kanoniere tödtete. Deßungeachtet hielten die Schützen aus. Wohl schauten sie sich oft um, ob keine Hülfe komme, da klang helles Jauchzen durch das Thal, und auf einem Wagen stürmte der verwegene Empl mit 20 auserlesenen Schützen daher, jeder so viel werth als 20 Franzosen.

Sie nahmen sogleich am Kampf Theil. Ein Schütz hatte den Einschlag vergessen. Soll nämlich das Blei sicher treffen, so muß es fest im Laufe des Stutzen liegen; es wird daher zu diesem Zwecke in ein Stück Leinwand gewickelt, das man Einschlag nennt, und mit einem hölzernen Schlegel in die Mündung getrieben. Der Schütz zog ohne

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ein
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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_333.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)