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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Freunde Mügge’s, einen Verleger aufzutreiben, der sogar fünfzig Thaler Honorar bewilligte. Leider aber sah der arme Verfasser keine Spur von diesem Gelde, da der geschäftige Freund es vorzog, die Summe für sich selbst zu behalten, so daß Mügge sich allein mit dem Ruhm begnügen mußte. Mit dem leichten Sinne der Jugend überwand jedoch der angehende Dichter „die kleinen Leiden des Lebens“, ohne sich den ihm innewohnenden Humor trüben zu lassen, indem er mit den gleichgesinnten Freunden, zu denen auch der bekannte Schriftsteller Kattenkamp gehörte, ein frisches, fröhliches Studentenleben führte, obgleich den lustigen Burschen öfters das Geld zu einem Mittagsbrode fehlte. Die übersprudelnde Kraft Mügge’s und sein rasch aufloderndes Wesen bereitete ihm manche Verlegenheit und unangenehme Berührungen, die zu einem ernsten Duelle Veranlassung gaben.

Eine tiefe Wunde im Gesicht, deren Narbe er für das ganze Leben behielt, nöthigte ihn, längere Zeit zu Hause zu bleiben. Er benutzte diese unfreiwillige Muße zu ernsten Studien und neuen Arbeiten, die eine entschieden politische Färbung trugen. Schon damals bekannte er sich offen zur Fahne des Liberalismus, dem er seitdem mit aufopfernder Treue und Hingebung bis zu seinem Tode angehörte. So sehr er aber auch den modernen Fortschrittsideen in Wort und That huldigte, so schützte ihn doch seine innere kerngesunde Natur vor den Verirrungen jener Zeit, die mit der Emancipation des Fleisches und der Frauen, mit einer geistreichen Liederlichkeit kokettirte und nothwendiger Weise mit der gesinnungslosen Lüge enden mußte. Stets begegnen wir in Mügge’s Erzählungen und selbst in den Werken der ersten Periode einem wohlthuenden Ernst, einem ehrlichen Streben nach Wahrheit, einem gesunden Realismus, der allerdings zuweilen den idealen Aufschwung beeinträchtigt. Natur und Geschichte, die er auf der Universität mit Eifer studirte, blieben auch die Leitsterne des Dichters und verliehen seinen Arbeiten den tiefen inneren Gehalt und ihren dauernden Werth. Da ist nichts Gemachtes, kein Haschen nach Geistreichthum, kein Schönthun mit der geschminkten und parfümirten Verworfenheit, sondern gesunde Einfachheit, strenge Sittlichkeit, ohne Frömmelei, und Liebe zur Freiheit, die sich wie ein rother Faden durch alle seine Dichtungen wie durch sein ganzes Leben schlingt. –

Schon diese ersten Arbeiten fanden von Seiten des Publikums die wohlverdiente Aufnahme und Anerkennung, aber die in ihnen niedergelegte und deutlich ausgesprochene Gesinnung brachte ihn zugleich in mehrfache Conflicte mit der damaligen, dem Liberalismus feindlichen Regierung. Diese ließ es nicht an Verfolgungen, üblichen Haussuchungen und Quälereien fehlen, so daß Mügge sich gezwungen sah, die von ihm beabsichtigte akademische Laufbahn aufzugeben, da er unter solchen Verhältnissen keine Hoffnung hatte, in Preußen als Universitätslehrer angestellt zu werden. Sein Ruf als Schriftsteller, den er hauptsächlich durch den trefflichen Roman „Toussaint“ begründet hatte, sicherte ihm jedoch eine bescheidene Existenz, so daß er daran denken durfte, ein eigenes Hauswesen zu begründen. Leider wurde seine erste Ehe durch mannigfache Verhältnisse und hauptsächlich durch die fortwährende Kränklichkeit seiner Frau mehrfach getrübt. Erst mehrere Jahre nach dem Tode derselben schloß er seine zweite Verbindung mir seiner noch lebenden Gattin, die ihm das Glück der Häuslichkeit im vollsten Maße gewährte. Jetzt erst hatte sein Leben jene innere Befriedigung gefunden, nach der sich Mügge stets gesehnt; im Kreise der Familie entwickelte er eine Fülle von Liebe und Hingebung, die sein weiches Herz umschloß. Mit unablässigem Fleiße sorgte und arbeitete er bei Tag und bei Nacht für die Seinigen, um ihnen eine angemessene Existenz und später eine gesicherte Zukunft zu verschaffen. Seine schriftstellerische Thätigkeit verdoppelte sich, ohne daß darum der innere Werth seiner Werke eine Abnahme zeigte, indem er im Gegentheil von Jahr zu Jahr sich steigerte. So bot ihm die Familie zugleich Anregung und Erholung; er war der liebevollste Gatte, der zärtlichste Vater seiner Kinder, bemüht jeden ihrer Wünsche zu erfüllen. Der starke, wo es sich um seine Grundsätze handelte, unerschütterlich feste Mann besaß eine Zartheit und Weichheit des Gefühls, die nur seine vertrauteren Freunde kannten und bewunderten. Er konnte im eigentlichen Sinne keine Fliege tödten, kein Geschöpf leiden sehen. Aus vollster Ueberzeugung war er Mitglied des Antithierquälervereins, und es charakterisirt ihn hinlänglich der eine Zug, daß er auf einem Spaziergange nach Charlottenburg an einem heißen Sommertage seiner Frau und sich selbst den Gebrauch einer vorüberfahrenden Droschke versagte, weil er das arme, abgemattete Pferd schonen und nicht noch eine neue Last ihm aufbürden wollte.

Weder die glücklichste Häuslichkeit noch die anstrengendste Thätigkeit als Schriftsteller hinderte jedoch Mügge, an der politischen Entwickelung des Vaterlandes den lebendigsten Antheil zu nehmen. Die ihm innewohnende Liebe zur Freiheit bekundete er ungescheut bei jeder Gelegenheit und selbst in einer Zeit, wo ihn sein Liberalismus den schwersten Verfolgungen von Seiten der Behörden aussetzen konnte. Frühzeitig erkannte er das Heil Preußens nur in einem engeren Anschlusse an das gesammte Deutschland und in der Gewährung der verheißenen Verfassung. In diesem Sinne wirkte er durch Wort und That im engeren und weiteren Kreise, schloß er sich den Männern an, welche ein gleiches Streben verfolgten. Mit mehreren Freunden und Gesinnungsgenossen, zu denen damals die bekannten Liberalen Diesterweg, Kalisch, Zabel, Duncker und Rutenberg gehörten, vereinigte er sich zu wöchentlichen Zusammenkünften, worin die politischen Verhältnisse ebenso gründlich als freisinnig besprochen wurden.

So fand ihn das Jahr 1848 hinlänglich vorbereitet, nicht als einen Neubekehrten, der von der allgemeinen Bewegung mit fortgerissen der Strömung des Tages folgte, sondern als einen längst bewährten Freund des Fortschrittes, welcher nicht erst nöthig hatte, die Farben zu wechseln und die schwarz-roth goldene Kokarde aufzustecken. Mit scharfem Blicke erkannte er sogleich die Nothwendigkeit, seiner Partei ein angemessenes Organ zu schaffen; so wurde er einer der Mitbegründer der „Nationalzeitung“, welche von jener bereits geschilderten Gesellschaft liberaler Männer mit großen Opfern in’s Leben gerufen wurde. Mügge selbst übernahm im Anfange die Redaction des Feuilletons und schrieb dafür einige größere Novellen, „König Jacob den Zweiten von England“ und den „Vogt von Sylt“, die wegen ihrer inneren Beziehung zu den Ereignissen des Tages und durch den wahrhaft historischen Geist, verbunden mit einer hinreißenden Kraft der Darstellung, zahlreiche Leser und Freunde dem neuen Unternehmen verschafften. Das überwiegende politische Interesse der nächsten Zeit beschränkte indeß Mügge’s Thätigkeit an dem Feuilleton der Nationalzeitung, so daß er sich veranlaßt sah, seine bisherige Stellung an dem Blatte aufzugeben, obwohl er mit der Redaction desselben nach wie vor in innigster Freundschaft verblieb.

Die immer stärker und willkürlicher auftauchende Reaction vermochte seine Ueberzeugungstreue und seinen Muth nicht zu erschüttern, der sich besonders bei der Auflösung der ersten preußischen Nationalversammlung von Neuem zu bethätigen suchte, aber an dem „passiven Widerstande“ scheiterte. Ohne seiner politischen Thätigkeit zu entsagen, wendete er sich jetzt von Neuem größeren, selbständigen Arbeiten zu, von denen er sich auf seinen vielfachen Reisen erholte. Schon in früheren Jahren hatte er die Schweiz und Norwegen besucht, angezogen von der großartigen Alpenwelt. Diese Ausflüge selbst wurden ein neuer Quell, aus dem er reiche Belehrung für sich und Andere schöpfte. Während er mit dem Auge des Dichters die Schönheit der Natur in sich aufnahm, faßte er zugleich mit seltenem Scharfblicke die Eigenthümlichkeiten der fremden Völker, ihr geistiges und besonders ihr politisches Leben auf. So schuf er eine Reihe ethnographischer Werke von dauerndem Werthe, durch welche er seinen Namen auch im Auslande bekannt machte und einen neuen Freundeskreis erwarb, zu dem vor Allen der frühere Herausgeber und Besitzer des schwedischen „Aftonbladet“, der freisinnige Baron Hjerta, gehörte. Als die reichste Ausbeute seiner wiederholten Reisen nach Norwegen dürfte der Roman „Afraja“ zu betrachten sein, dem Mügge seinen europäischen Ruf zu verdanken hatte, da das Werk bald nach seinem Erscheinen in das Englische, Französische, Schwedische etc. übersetzt wurde; eine wohlverdiente Ehre, die bekanntlich einem deutschen Schriftsteller nur selten zu Theil wird. Den Hauptreiz dieser neuen Arbeit bildeten zunächst die unübertroffenen Naturschilderungen der norwegischen Küsten und Alpenwelt von wunderbarer Treue und überraschender Schönheit. Sie gaben indeß nur den poetischen Hintergrund und Boden für ein nicht minder reiches und interessantes Volksleben ab, das Mügge hier zum ersten Male mit wahrhaft plastischer Schöpferkraft uns vorführte, indem er mit gleicher Liebe Fels und Meer, Stadt und Land, den norwegischen Handelsherrn in seinem egoistischen Stolze, den unterdrückten und verkommenen Lappländer mit seiner natürlichen Rache schilderte und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_294.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)