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Theodor Mügge.

Am 18. Februar dieses Jahres starb in Berlin nach kaum achttägigem Krankenlager der Schriftsteller Dr. Theodor Mügge, ausgezeichnet durch sein Erzählertalent und durch den ehrenwerthesten Charakter, der sich in allen Verhältnissen des Lebens bekundete. Diese innige Vereinigung und Harmonie des Talents mit Charakter spiegelte sich in allen seinen Werken wie in seinem ganzen Leben wieder; sein Dichten wie sein Handeln waren eins und standen seit dem Beginn seiner literarischen Laufbahn stets im Dienste der Wahrheit, Freiheit, der Humanität und des Fortschrittes. – Theodor Mügge wurde am 8. November 1805 in Berlin geboren; frühzeitig hatte er das Unglück seinen Vater zu verlieren, welcher die Familie in mäßigem Wohlstande zurückließ. Die gutmüthige, aber nur zu schwache Mutter war nicht im Stande, den wilden, kräftigen Knaben zu erziehen, der es nicht an tollen Streichen fehlen ließ. Kaum zehn Jahre alt folgte er der ihm angeborenen Wanderlust, indem er sich mit einem gleichgesinnten Spielgefährten aus dem elterlichen Hause heimlich entfernte, um die während der Befreiungskriege auch in Deutschland populären „Kosaken“ aufzusuchen. Beide Knaben waren bereits fünfzehn Meilen weit gegangen, als sie in die Hände eines Geistlichen fielen, der den öffentlichen Aufruf der bekümmerten Eltern in den Berliner Zeitungen gelesen hatte und die kleinen, abgerissenen und von Geld entblößten Vagabunden wieder glücklich zurückbrachte. Auch in der Schule klagten die Lehrer über Mangel an Fleiß und Aufmerksamkeit, obwohl der mit der Familie befreundete Professor Seidel frühzeitig auf das poetische Talent des Knaben aufmerksam wurde und beim Lesen eines von diesem verfaßten Gelegenheitsgedichtes den prophetischen Ausspruch that: „Der Junge muß Schriftsteller werden.“

Einstweilen aber kam Mügge nach Potsdam und zwar in ein keineswegs poetisches Materialwaarengeschäft, wo er sich jedoch die Zufriedenheit seines Principals erwarb, wie der noch vorhandene Lehrbrief lobend bezeugt. Bald verließ er jedoch diese ihm durchaus nicht zusagende Laufbahn, welche er nur aus kindlichem Gehorsam und auf den Wunsch seiner Angehörigen gewählt hatte. Ein Nachhall der nationalen und kriegerischen Begeisterung aus der Zeit der Freiheitskriege führte ihn in die Reihen des preußischen Heeres und zwar zu dem Truppentheile, der sich auch stets durch wissenschaftliche Bildung auszeichnete. Nachdem Mügge in Erfurt die dortige Artillerieschule besucht, wo er sich durch Fleiß und Eifer hervorthat, trat er in die Brigade des Majors Steinfeld ein, mit dem er selbst verwandt war. Zum Oberfeuerwerker bereits befördert war er eben im Begriffe sein Officiersexamen abzulegen, als er theils auf Anrathen des ihm verwandten Vorgesetzten, theils nach eigener reiflicher Ueberlegung auf die militairische Laufbahn wieder verzichtete, weil sie mit seinen allmählich hervortretenden freisinnigen Ansichten und Ueberzeugungen sich nicht länger vereinen lassen wollte. Um sich diese Freiheit zu wahren, schwankte der energische Jüngling keinen Augenblick, das ihm nahe liegende Ziel aufzugeben und von Neuem einer ungewissen Zukunft entgegenzugehen.

Fast ohne Mittel bereitete er sich für die Universität vor, an der er vorzugsweise naturwissenschaftliche und geschichtliche Collegien fleißig hörte, indem er zugleich seinen Lebensunterhalt sich durch Stundengeben zu verschaffen suchte. Auch bei ihm war, wie bei so vielen Schriftstellern, die Noth die Mutter des Talents. In jene Zeit fielen seine ersten literarischen Versuche, zwei Bände Novellen, die er aus Dankbarkeit seinem Lehrer, dem schon genannten Professor Seidel, widmete, von dem er die erste Anregung und Hülfe erhalten hatte. Das Manuscript seines Erstlingswerkes wanderte von Buchhändler zu Buchhändler, da sich keiner finden wollte, um den Druck zu übernehmen. Endlich gelang es einem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_293.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)