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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

vorangegangen, setzte dort Koffer und Violinkasten behutsam nieder und blieb dann, die Hände reibend, an der Thür stehen. Reichardt bemerkte ihn erst wieder, als er sich seines Rockes und Halstuches entledigt hatte. „Noch etwas?“ fragte er, in das zu einer Art scheuer Freundlichkeit verzogene Gesicht des Wartenden blickend.

„Würde es Ihnen viel Mühe machen, Master, wenn ich einmal die Violine sehen könnte?“ war die halbverlegene Antwort.

„Werdet nicht viel daran sehen – wie heißt Ihr?“

„Bob, Sir!“

„Well, Bob,“ erwiderte Reichardt, den Kasten öffnend, „die feinsten Instrumente sehen oft am schäbigsten aus, man muß sie hören! – Ihr spielt wohl selbst?“ fuhr er fort, als der Schwarze mit einer Art Andacht in das mit rothem Sammt gefütterte Innere des Kastens blickte.

„Hab’s früher gethan, Sir, bei Tanzpartien und so – Master wollte es aber nicht mehr leiden, ist ein Methodistenprediger, wissen Sie, und hat mich hierher in’s Hotel vermiethet, wo es keine Zeit dafür giebt; aber,“ fuhr er mit einem halbängstlichen Grinsen nach der Thür blickend fort, „die Lust kommt mir noch immer in die Finger, wenn ich was Apartes von einer Geige sehe!“

„Well, Bob,“ lächelte Reichardt, „Ihr sollt mir jedenfalls zeigen, was Ihr könnt. Ich muß einige Tage hier bleiben, und so wird sich die Zeit dazu schon finden. Jetzt aber mögt Ihr mir gleich eine kurze Auskunft geben. Kennt Ihr Mr. Burton?“

„Ja, warum soll ich Mr. Burton nicht kennen?“ war die Antwort. „Er wohnt oben am Hügel. Die ganze Familie ist aber im Osten, ich habe noch heute Morgen mit einem von den Dienstboten gesprochen!“

„Also noch nicht zurück!“ nickte Reichardt. „Kennt Ihr auch Mr. Ellis?“

„Den episcopalischen Prediger? Natürlich! Er wohnt das nächste Haus von seiner Kirche.“

„Und habt Ihr wohl eine Idee, ob die beiden Familien nahe mit einander befreundet sind?“

Der Schwarze schüttelte langsam den Kopf. „Ich weiß nur,“ erwiderte er, „daß Miß Harriet Burton in die Episcopalkirche geht und Mrs. Burton in die methodistische, zu meinem Master, Mr. Curry.“

Reichardt nickte gedankenvoll. „Ich danke vorläufig, Bob,“ sagte er, „es bleibt dabei wegen der Violine!“ Als aber der Neger das Zimmer verlassen, warf er sich auf das Bett, die Hände über dem Kopfe faltend. Er wollte seine Gedanken ordnen, aber bald verfolgte er nur die Bilder der letzten Tage, wie sie an seinem Geiste vorüberzogen.

(Fortsetzung folgt.)



Erklärung. Das in Leipzig erscheinende, wie ich höre, officiöse Kreis- und Verordnungsblatt des Kreisdirectionsbezirks Leipzig vom 6. März d. J. behauptet, daß die angeblichen Urkunden und Briefe, mit denen ich meinen kürzlich von mir in der „Gartenlaube“ und vor einigen Tagen in dem Buch „Frei bis zur Adria, eine Leidensgeschichte des italienischen Volkes unter östreichischer, päpstlicher und bourbonischer Herrschaft,“ veröffentlichten Artikel „die Anwendung der Folter in den Polizeigefängnissen von Neapel und Sicilien“ verbrämt hätte, von sehr zweifelhaftem Werthe seien, mit denen ich, wenn man mich auch nicht zu denjenigen zählen wollte, welche derartige Schriftstücke erfänden, in Italien getäuscht worden sei.

Das Leipziger Kreisblatt erdreistet sich, eine solche mich verdächtigende Behauptung aufzustellen, ohne für diese Behauptung irgend ein Beweismittel anführen zu können, als eine von Herrn Petrucelli della Gattina im Indipendente von Neapel veröffentlichte und in deutsche Zeitungen übergegangene Notiz, daß der Baron Carlo Poerio, Minister des Königs Ferdinand von Neapel, eine Erfindung der englisch-französischen Presse sei, dessen Leiden Mr. Gladstone in seinen bekannten Briefen an Lord Aberdeen theils erfunden, theils übertrieben, und daß der Baron Poerio an diesem beispiellosen Betruge Theil genommen habe Alles einzig und allein zu dem Zwecke, um Europa gegen die Bourbonen von Neapel aufzureizen, und spricht sein Bedauern darüber aus, daß die Redaction der Gartenlaube sich zu solchen Berichten hergebe.

Ich erkläre den betreffenden Correspondenten des Leipziger Regierungsblattes für einen beispiellos dreisten und frivolen Verleumder, weil er wider besseres Wissen und in der traurigen Absicht, die Sache Italiens zu verdächtigen und zu beschmutzen, ohne irgend eine Kenntniß der italienischen Verhältnisse diesen Artikel fabricirt hat. Ich habe ein Recht dazu, dieses zu thun, weil derselbe sich, bevor er seinen Artikel fabricirte, bei Lesung meines Aufsatzes in der Gartenlaube und meines Buches überzeugen mußte, daß ich mich darin auf das Zeugniß der ehrenwerthesten Schriftsteller Italiens, z. B. Herrn Michael Amari’s und des Baron Ventura bezog, daß ich mich auf die amtlichen Erlasse des frühern Polizeipräfecten Liborio Romano vom 9. Juli 1860 in Betreff der geheimen Polizeigefängnisse und der Polizeiminister Ajessa und Carretto vom 1. December 1841 und vom 11. Juli 1843 in Betreff der Anwendung der Stockprügel bei politischen Gefangenen, weß Ranges, Standes und Geschlechts der Gefangene auch sein möge, ferner auf ein von englischen Officieren, Consularbeamten und Regierungsmitgliedern unterzeichnetes Document vom 14. Januar 1848, auf die mir mündlich gemachten Mittheilungen des Herrn Massari, des Baron Poerio und mehrerer Officiere in der Garibaldischen Armee, als Augenzeugen, berief. Ich habe um so mehr ein Recht zu dieser Erklärung, als ich ausdrücklich gesagt habe, daß ich statt aller Thatsachen, welche ich über die Anwendung der Folter bringen könnte, nur solche Thatsachen erzählen wolle, welche aus Veranlassung der englischen Regierung einer genaueren Untersuchung Seitens der englischen Consularagenten in Sicilien unterzogen worden seien und bei denen die amtliche Antwort gelautet habe, daß sie vollkommen wahr seien. Hätte der betreffende Correspondent des Leipziger Kreisblattes die von mir citirten Stellen in den Schriften Amari’s und Ventura’s nachgeschlagen, hätte er sich Einsicht in die officiellen Regierungszeitungen von Neapel verschafft: so würde er darin die von mir angezogenen Urkunden und behaupteten Thatsachen gefunden baben und wissen, daß ich meiner Darstellung noch eine nur zu matte Färbung gegeben habe.

Den Baron Poerio habe ich die Ehre persönlich zu kennen. Ich kenne ferner die Familie des Baron Poerio, auch seinen Schwager, Herrn Imbriani, Minister des öffentlichen Unterrichts in Neapel. Alle haben mir die Leiden des berühmten Märtyrers wörtlich geschildert, wie ich sie beschrieben habe. Ich habe mich im Bagno von Nisida, in dem Baron Poerio gefangen gehalten wurde, erkundigt. Die Leiden Poerio’s sind mir in Neapel auf jeder Straße, wo ich wollte, von denen erzählt worden, welche ihn in Ketten vorüber führen sahen. Doch wozu bedarf es noch eines Zeugnisses nach Mr. Gladstone’s Briefen an Lord Aberdeen? Aber ich will diesem traurigen Correspondenten des Leipziger Blattes noch in wörtlicher Uebersetzung eine Stelle des Briefes vorhalten, den Baron Poerio vom 16. März 1859 nach seiner Befreiung aus Queenstown schrieb. Der Brief liegt mir im Original vor. Die Stelle lautet: „Sind wir einmal zusammen, so wirst Du erfahren, wie sehr ich gelitten habe, und mit mir die Ueberzeugung theilen, daß mir nur von Gott die Kraft kommen konnte, die mich befähigte, jene langsame Marter sowohl des Leibes als des Geistes zu ertragen. Mein Gesicht hat sich derartig verändert, daß ich nicht mehr zu erkennen bin. Ich bin kahl geworden, und die wenigen mir übrig gebliebenen Haare sind weiß. Ein Auge habe ich gänzlich verloren, das andere ist gefährdet. Ich habe so viele Krankheiten, daß ich mir wie der Inbegriff eines Krankenhauses vorkomme. Aber die Seele ist immer fest, kräftig, vertrauensvoll, wie in den ersten Jahren meiner Jugend, und ich hoffe, den Rest meines Lebens dem Triumph der Principien der politischen Freiheiten des italienischen Vaterlandes widmen zu können, von dem ich ein nicht unwürdiger Sohn zu sein mir bewußt bin … .“

Möge das Leipziger Verordnungsblatt nun wissen, wer Herr Petrucelli della Gattina ist, aus dessen neapolitanische Korrespondenzen es sich als einziges Beweismittel beruft, um die ehrenwerthesten Männer Italiens als Lügner und Betrüger und mich wenigstens als Betrogenen zu schildern. Jeder, der nur in Etwas die neuere italienische Literatur und die italienische Presse kennt, weiß, daß Herr Petrucelli, theils aus Liebhaberei, theils um von sich reden zu machen, seit 10 Jahren nach den abgeschmacktesten Paradoxien jagt. Man braucht nur einen Blick auf seine schriftstellerische Thätigkeit zu werfen, um sich davon in überzeugen. Musterstücke sind die Correspondenzen, die er an die vormals Turiner, jetzt Mailänder Unione schrieb; unerreichbar bleibt aber der Artikel, in dem er zu beweisen sucht, daß Victor Hugo ein geborener Neapolitaner sei, und ihn zum Abgeordneten des italienischen Parlaments vorschlägt. Sein Artikel gegen Baron Poerio ist nicht der erste derartige Artikel, wie er überhaupt gegen die besten Bürger Italiens am liebsten schimpft. Fanti, Farini, Ricasoli, Cavour und Liborio Romano, alle hat er schon in ähnlicher Weise zu beschimpfen gesucht. Keiner der Angegriffenen hat ihn je einer Antwort gewürdigt, ob Herr Petrucelli ein „warmer Anhänger Mazzini’s“ ist, wie ihn das Kreisblatt nennt, weiß ich nicht; das aber weiß ich, daß Joseph Mazzini an solchen Erbärmlichkeiten auch nicht den mindesten, nicht einmal indirecten Antheil hat.

Ich ersuche die Redactionen aller deutschen Zeitungen, welche den Artikel Petrucelli’s über den Baron Poerio verbreitet haben, die den Baron Poerio betreffende Stelle meiner Erklärung gegen das Leipziger Kreisblatt abzudrucken; ich bitte darum im Interesse der italienischen Sache und im Interesse der Wahrheit. Von dem Leipziger Verordnungsblatte verlange ich die sofortige Aufnahme dieses Schriftstückes. Ein vollkommenes Recht habe ich aber sowohl, wie die Redaction der Gartenlaube, dem Leipziger Kreisblatt das ausgesprochene Bedauern im reichsten Maße zurückzugeben. Ich thue noch mehr, ich erkläre, daß das Leipziger Verordnungsblatt von der Wahrheit aller von mir über die Anwendung der Folter in Neapel und Sicilien erzählten Thatsachen vollkommen überzeugt ist und dieselben nur in derselben Pflicht und in derselben Tendenz ableugnet, wie kürzlich der General Schmidt die von seinen Soldaten in Perugia verübten namenlosen Greuel mit frecher Stirn leugnete, wie österreichische officielle Zeitungen die im Jahre 1859 allen Cabineten Europa’s durch den Grafen Cavour mitgetheilte Erschießung der Familie Cignola leugneten, wie die päpstlichen Zeitungen die soeben durch die Zuaven des Statthalters Christi auf Erden an der neapolitanisch-römischen Grenze verübten Mordthaten abstreiten, wie überhaupt die ultramontane und reactionäre Presse Europa’s noch heute allen Zeugnissen, Urkunden und diplomatischen Actenstücken zum Trotz alle in Italien seit 44 Jahren ausgetheilten Stockprügel, verübten Morde, Hinrichtungen, Folterqualen und schweren Kerkerstrafen für Erfindungen erklärt, nämlich in der Absicht, um die Wahrheit in der Geschichte zu verfälschen und um die sogenannten legitimen Rechte von Despoten zu behaupten, von denen Michael Amari mit Recht sagt, daß man bis zu den Zeiten eines Nero und Tiberius hinaufsteigen müsse, um ihr Ebenbild zu finden.

Berlin, den 18. März 1861.

Dr. jur. Gustav Rasch. 
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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_224.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)