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bleiben sollte, ist zwar ziemlich stark befestigt, aber einem Angriff vom Lande leicht ausgesetzt. Tag für Tag und Nacht für Nacht hörte man den Lärm der Demonstrationen und Feste der Südcaroliner. Palmettoflaggen, die Symbole des Abfalls, wehten über Charleston, wo dreitausend Milizen versammelt waren, um ununterbrochen Waffenübungen zu machen, zu trommeln, zu trompeten und zu schießen. Diese von Wuth und Wein berauschten Menschen konnten in jedem Augenblick einen Angriff machen, und dann war Fort Moultrie nicht zu halten. Anderson wußte, daß der zehn Fuß breite und eben so tiefe Graben, den er gegen die Angriffsseite hin ziehen ließ, daß die neuen Bastionen, durch die er die Lücken der Werke schloß, und die eisernen Spitzen, mit denen er den Kamm der Mauer versah, gegen einen Feind, der nur über zwei Batterien und eine Anzahl Scharfschützen verfüge, keine Schutzmittel sein würden. Seine Soldaten wußten es mit ihm und waren wie er entschlossen, bis auf den letzten Mann zu fallen, ehe sie ein ihnen anvertrautes Pfand in fremde Hände übergehen ließen.

Von Charleston aus wurde Fort Moultrie sorgsam überwacht. So oft Abends die Dunkelheit anbrach, legte ein Dampfschiff in der Nähe des Forts an, um jede Bewegung sofort melden zu können. Die Gewißheit, daß jeder Schritt der Besatzung auf der Stelle wahrgenommen werden würde und sich erforderlichen Falls verhindern lasse, scheint die Südcaroliner allein abgehalten zu haben, von dem unbesetzten Fort Sumpter Besitz zu nehmen. Wie leicht konnte ihnen aber dieser Gedanke kommen, und dann war die Einfahrt des Hafens, da sie von den Geschützen jenes Forts vollständig beherrscht wird, den Schiffen der Unionsregierung verschlossen und somit auch der Besitz des Hafens von Charleston von den Vereinigten Staaten an den Sonderbund übergegangen. Fort Moultrie, dessen Geschütze durch jene des Forts Sumpter leicht zum Schweigen gebracht werden können, würde dadurch nutzlos geworden sein.

Anderson erwog, ob die Pflicht des soldatischen Gehorsams oder die Pflicht, im Interesse des Vaterlandes eine vielleicht rettende That zu vollführen, die höhere sei. Verließ er Fort Moultrie, so wurde er gegen die gemessenen Befehle des Kriegsministers ungehorsam, erhielt aber der Union einen wichtigen Hafen. Daß er, wenn er so handelte, seinen Kopf aufs Spiel setzte, kam bei dem wackern Manne nicht in Betracht. Sein ernster Entschluß war gefaßt und nur die schwierige Ausführung beschäftigte ihn. Das Glück, der Beschützer des Muthigen, kam ihm zu Hülfe. Am 26. December traf in Fort Moultrie eine Einladung der rebellischen Behörden von Charleston an Major Anderson ein, an einem Weihnachtsfeste des Abends Theil zu nehmen. Anderson stellte sich ein und war unter den Gästen der heiterste. Er schien nicht zu bemerken, daß der Wein, der in Strömen floß, ein feuriger Südwein sei. Noch früh am Abend kam der Augenblick, wo seine aufmerksamen Wirthe es für nöthig hielten, ihn unter sicherm Geleit in das Fort zu schaffen. Das Boot, in dem der scheinbar bewußtlose Mann lag, kam dicht an dem wachehaltenden Dampfer vorbei. Wozu sollte die Mannschaft desselben ein Fort bewachen, dessen Befehlshaber im Zustande der höchsten Trunkenheit war? Zu nutzlosen Aufopferungen sind die Patrioten des Südens weder geneigt noch verpflichtet. Der Dampfer verließ also seinen Posten und legte in der Nähe einer Schenke an, wo die Besatzung bis in die Nacht hinein zechte.

In Fort Moultrie waren die Befehle vollzogen worden, die Anderson einem Officier hinterlassen hatte. Die Mannschaft hatte sich schweigend und geräuschlos im Innern aufgestellt. In Mitte dieser Getreuen ließ der Major die Maske der Betrunkenheit fallen, durch die er die Südcaroliner getäuscht hatte. Er unterrichtete sie in wenigen Worten, daß er diese Nacht zum Abzuge nach Fort Sumpter bestimmt habe, und daß in Fort Moultrie, ehe man es verlasse, die Geschütze vernagelt und die Kriegsvorräthe vernichtet werden müßten. In der nächsten Minute gingen die Soldaten an die Arbeit. In Gruppen vertheilten sie sich mit Bolzen und Hämmern an die schweren Geschütze, öffneten die Magazine und warfen die Munition ins Wasser. Vor allen Dingen wurde das Sternenbanner von seinem Flaggenstock geholt und der Stock selbst umgehauen, damit er durch die Palmettoflagge des Südens nicht beschimpft werden könne. Als Alles beendet war, bestieg die Besatzung zwei bereitstehende Boote. Die Bucht war leer, die Matrosen des wachehaltenden Dampfers hatten sich in ihr Gelage so vertieft, daß sie die Ruderschläge nicht hörten. Noch einmal konnten die Boote ihre Fahrt machen, um alles Gepäck nachzuholen, ohne daß Jemand ihrer gewahr wurde. Und doch war man nur zwei Tage vor dem Vollmond, und von Charleston hallte der laute Lärm zechender und jubelnder Nachtschwärmer herüber. Vielleicht galten die Jubelrufe, die in der Stille der Nacht weit hörbar waren, der Ueberwältigung desselben Forts, das eben eine Besatzung erhielt und so uneinnehmbar gemacht wurde.

Gegen Morgen kehrte das Wachtschiff auf seinen Posten zurück und gewahrte, daß Fort Moultrie geräumt sei. Es ließ Signalraketen steigen, denen die Lärmkanonen von Charleston antworteten. Es war zu spät. Alles Lärmen und Toben half nichts mehr, und die ohnmächtige Wuth konnte sich nur dadurch äußern, daß das leere Fort Moultrie schleunigst für den souverainen Staat Südcarolina in Besitz genommen wurde.

Der Congreß hat Anderson’s Handlung als heroische That anerkannt, in allen freien Staaten ist sie mit Kanonensalven gefeiert worden. Es liegt darin zugleich eine Anerkennung des Mannes und der Wichtigkeit seines kühnen Entschlusses für die Union. Mag Fort Sumpter blos zur Geltendmachung des Zollerhebungsrechts der Union benutzt werden, oder mag es dazu bestimmt sein, der Ausgangspunkt feindlicher Unternehmungen zu werden: so wie so wird diese Zwingburg, unter deren Kanonen Charleston liegt, in den Lauf der Begebenheiten stark eingreifen. Bis jetzt hofft der Norden noch, daß Fort Sumpter als Dämpfer der südcarolinischen Kriegslust wirken werde.




Ein Deutscher

Roman aus der amerikanischen Gesellschaft.
Von Otto Ruppius.
(Fortsetzung.)


Reichard hatte seinen Violinkasten geschlossen, um zum ersten Male mit zur Tanzmusik auszuziehen. Trotz des kräftigen Entschlusses aber, das Beste aus dem sich bietenden Leben zu machen, zu welchen er sich bei der Ergreifung seines neuen Broderwerbs hinaufgearbeitet, konnte er sich doch eines eigenen Gefühls von Gedrücktsein nicht erwehren, als er in Gesellschaft seiner neuen fünf Collegen, deren Aeußeres mehr von Bier als Kunst erzählte, zu dem ersten Ausfluge aufbrach – und fast gewährte es ihm eine Art Trost, daß seine Begleiter sich in einer Weise von ihm fern hielten, als fühlten sie, daß weder seine Erscheinung noch sein Wesen unter sie passe. Nur der alte Dirigent raunte ihm hier und da eine vertrauliche Bemerkung zu, wie es dies Jahr so wenig unbeschäftigte Musiker in der Stadt gebe, wie er erst gestern das Engagement nach Saratoga bekommen und nun mit Mühe noch einen Mann für das Cornet aufgetrieben habe, damit sie noch etwas Ordentliches leisten könnten.

Es war gegen zwei Uhr, als die Gesellschaft an Congreß-Hall abstieg und zusammen nach einem durchhitzten Zimmer unter dem Dache gewiesen wurde – bald aber meinte Reichardt es bei der Ausdünstung der mit ihrem Reinigungsgeschäft begriffenen Collegen dort nicht mehr aushalten zu können, ordnete rasch sein Aeußeres und eilte dem Zimmer zu entkommen. Aus den Speisesälen klang ihm das Klappern der Teller und das Laufen der Aufwärter entgegen, an ihm vorüber rauschten einzelne Paare in glänzender Toilette, und unbewußt wollte ein neues Gefühl von Bitterkeit in ihm einziehen. Mit einer kräftigen Regung aber warf er den Kopf zurück und eilte hinaus ins Freie. Vor Abend wurde keine Musik bedurft, und bis dahin war er noch Gentleman und sein eigener Herr. Langsam durchschlenderte er die freien Räume um die drei großen Hotels, ohne sich um die einzelnen Begegnenden zu kümmern, und schlug endlich den Weg nach den Quellen ein. Es war wenig Geschmack in dem, was er sah,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_206.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)