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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

Jetzt auf lichtgrünem Plan
Stehst Du im Myrthenkranze
Und lächelst aus dem Glanze
Mich still vor Mitleid an.

Und Jahre nahn und gehn,
Wie bald bin ich verstoben –
O bitt’ für mich da droben,
Daß wir uns wiedersehn!

J. v. E.




Das Wupperthal und seine religiösen Erweckungen.

Von einem Elberfelder Kinde.

Wenn man von Düsseldorf, der Stadt der Künstler und Rentner, vom Dampfwagen sich ostwärts tragen läßt, gelangt man nach kaum einstündiger Fahrt mit einer raschen Wendung um das unweit Elberfeld’s in den Weg sich stellende mäßig hohe Gebirge, den sogenannten Kiesberg. Derselbe giebt mit dem gegenüber liegenden, durch den Fluß gesonderten Stützenberg einen interessanten landschaftlichen Anblick, dem der vielgenannten Porta Westphalica ähnelnd. Weit interessanter aber ist der Blick, der sich uns eröffnet, wenn wir die Wendung gemacht haben. Ein lachendes, mit Häusern bedecktes Thal breitet sich aus; mächtige Schornsteine erheben sich nebeneinander, in die frische Gottesluft den Qualm entsendend, der dem Aesthetiker ein Gräuel, dem Manne aber mit dem „linien-tätowirten Götzen“, wie ein Dichter das „Hauptbuch“ nennt, eine Quelle unauslöschlichen Ergötzens und der Maßstab seines Wohlergehens ist. Ja, es ist ein seltenes, in seiner Art großes Bild, das sich hier entrollt. Mehr denn eine Meile hin zieht sich die lange Häuserzeile, an die zu beiden Seiten sich die Reihen stattlicher Gebäude anschließen, und überall gewahrt ihr die Spuren eines nicht rastenden Fleißes, der selbst die Nacht zum Tage erhebt; von Jahr zu Jahr dehnen sich die Fabrikräume aus und nehmen theilweise den Umfang ganzer Stadtviertel an. Da wird gespult, gewebt, gebleicht, gefärbt; „die Werke rasseln Tag und Nacht“. Und der Baum läßt auf seine Frucht nicht warten. In den Straßen die soliden Quaderhäuser und in den Häusern die soliden Einrichtungen, Alles vom Besten; kein übertriebener Luxus, aber nur die theuersten Stoffe. Diese Damastvorhänge, diese Tische und Spiegel von sauberster Schnitzarbeit, diese kostbaren Teppiche verrathen, welche Bilanzen der Insasse des Hauses jährlich zieht. Und seht nur die wohlgenährten Pferde vor ihren Wagen und die blanken Carrossen, besucht ihre – freilich seltenen – Gastmahle, wo die Gartenerzeugnisse Afrika’s, die süßen Früchte der Hesperiden, alle Leckereien der Pariser Küchen, die Confitüren Brüssel’s sich ausbreiten! Da habt ihr die Ernten des Fleißes, und ihr seid versucht auszurufen: Hier müssen glückliche Menschen wohnen!

Ja, dem Fleiße haben die Bewohner dieses Thals ihren Wohlstand zu verdanken. Es ist kein Ort für Nichtsthuer. Die wenigen Rentner, die hier leben – Jeder kennt sie – gemahnen uns wie Fische, die die hohe Fluth auf’s Land geworfen und dort in einer Gesellschaft, in die sie gar nicht hinein gehören, zurückgelassen hat.

Und diese Reichen, die so stolz auf das Gewimmel der Proletarier zu ihren Füßen herabsehen, waren vor noch kurzer Zeit eben solche Proletarier; sie haben an dem sich drehenden Glücksrad eine

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_197.jpg&oldid=- (Version vom 23.6.2018)