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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

die er empfiehlt, finden sich manche halbe Wendungen zum Rückschritte, die kaum angenommen werden dürften. Man soll große Waldbäume in die Felder pflanzen und soviel möglich lebendige Hecken anlegen, damit Bussarde und kleinere Vögel sich ansiedeln können. Man frage doch einmal die bernischen Landwirthe z. B., was sie von den einzeln stehenden Eichen halten, die vor Anlegung der Eisenbahn, welche sie zu Schwellen vernutzte, überall im Freiburgischen in den Feldern standen. Jede solche Eiche hat, abgesehen von ihrem dem Getreide schädlichen Schatten, einen bedeutenden Zerstreuungskreis von Ungeziefer um sich her, das von dieser Hochwacht herab über die benachbarten Felder herfällt! In jeder lebendigen Hecke krabbelt zehnmal mehr Ungeziefer, als die darin wohnenden Singvogel jemals vertilgen können.

Es bedarf ja in gegenwärtiger Zeit nur eines Blickes auf die zahllosen Raupennester des Baumweißlings und des Goldafters, die unvertilgt an den blätterlosen Dornen der Hecken hängen, um sich von dieser Wahrheit zu überzeugen. Wer also Feld- und Gartenwirthschaft treibt, wer namentlich nicht reich genug ist, um einen Park zu haben, sondern jedes Fleckchen Erde zur Cultur benutzen muß (und in diesem Falle befindet sich ja wohl die große Mehrzahl), der wird trotz aller Lieblichkeit des Gezwitschers der Grasmücken die lebendige Hecke, wenn er nur kann, beseitigen und statt ihrer eine Einfriedigung wählen, die weniger Schlupfwinkel bietet und besser schützt. Die Forstleute, sagt von Tschudi, sollen die alten hohlen Bäume im Walde stehen lassen, damit die nützlichen Vögel hinein nisten können: Aber die Forstleute werden uns antworten, daß unsere Bevölkerung vor allen Dingen Holz verlangt, daß ein alter hohler Baum keinen Brennstoff mehr producirt und einem halben Dutzend junger, holzerzeugender Bäume den Platz versperrt und daß der Mensch erst wohnen, kochen und heizen will, ehe er daran denkt, wo die Vögel Herberge finden können. Möge man sich also wohl umsehen in der Wahl der Mittel; jegliche muthwillige Zerstörung durch Pulver, Schlingen und Nestaushebung soll man hindern, im Uebrigen aber die Sentimentalität nicht so weit walten lassen, um Dinge zu empfehlen, die doch nicht ausgeführt werden können.

Zu den unbedingt schädlichen Vögeln gehören ganz gewiß die Tauben-, Lerchen-, Stein-, Jagd- und Thurm-Falken, die Hühnerhabichte, Sperber, Gabelweihen, der Storch und die Elster. Hinsichtlich der beiden letzteren Thiere glaube ich einigen Widerspruch vernehmen zu müssen. Ist der Storch nicht bei allen gesitteten Völkern geschützt und selbst verehrt, so sehr, daß er das Wahrzeichen der Stadt Straßburg bildet und in Hunderten von Figuren am Dome ausgemeißelt steht? Hält man nicht das Haus für ein gesegnetes, auf dem ein Storchpärchen sich einnistet, und pflanzt man nicht alte Wagenräder auf hohen Giebeln auf, um Störche anzulocken, welche Niemandem nützlich sind als dem Dachdecker, der weit schneller Arbeit bekommt? Galten die Störche nicht bei den Griechen als das Symbol der Mäßigkeit, der Gattentreue, der Elternliebe, und hatten nicht die Athenienser ein Gesetz, welches ihren Namen trug und die Verpflichtung der Kinder, ihre alten Eltern zu ernähren, feststellte? Galten sie nicht den Auguren als gute Vorbedeutung, als Zeichen der Eintracht und des Friedens, und nahmen die Apotheker in ihrer Eigenschaft als Wohlthäter der Menschheit und Erfinder der Klystiere sie nicht als Wappenthier in ihr unbeflecktes Schild auf?

Das Alles ist wahr. Aber weder existiren die gerühmten moralischen Eigenschaften, noch der materielle Nutzen für den Menschen. Der Storch ist der boshafteste, zornigste und mordlustigste Egoist, der sich denken läßt: dem Mörder gleich mordet er selbst dann, wenn seine Freßgier befriedigt ist, greift selbst das brütende Weibchen und die Nestjungen seines Nachbars an, und was die gerühmte Gattentreue betrifft – – –

In einem Dorfe nahe bei Solothurn nistete seit langer Zeit ein Storchenpaar. Einstmals bemerkte man kurze Zeit nach ihrer Rückkehr, daß jedesmal, wenn der Gemahl nach Nahrung ausflog, ein jüngeres Storchenmännchen zum Neste kam und mit dem Weibchen schön that. Anfänglich zurückgewiesen, setzte das Männchen doch seine Bemühungen fort und errang sich endlich so sehr die Gunst des Weibchens, daß eines schönen Tages beide gemeinschaftlich nach der Wiese flogen, wo der Hahnrei auf Frösche lauerte, und ihn mit scharfen Schnabelhieben tödteten!

Wir finden den Storch hauptsächlich nur auf feuchten Wiesen, an Wassergräben, nicht aber in trockenen und sonnigen Gegenden. Seine Hauptnahrung besteht aus Fröschen, Ringelnattern und Maulwürfen, die er beim Aufwerfen der Haufen mit raschem Schnabelhiebe hervorholt. Er soll auch die giftigen Vipern vertilgen; allein an sonnigen Halden, Steingeröllen und trockenen Waldrändern, wo sich die Vipern aufhalten, findet man ihn niemals. Frösche, Kröten und Maulwürfe aber, die er mit Vorliebe vertilgt, sind dem Menschen doch wahrlich eher nützlich, und auch die Ringelnatter hat noch Niemandem Schaden gethan. Feldmäuse, welche die trockenen Felder vorziehen, die nassen Wiesen aber fliehen, finden den Storch sehr selten auf ihrem Wege, und die jungen Sumpfvögel, die er vertilgt, sind ebenso viel wohlschmeckende Braten weniger in unserer Küche. Sein großes Nest bietet freilich vielen Spatzen und Ammern Raum zum Nestbau. Aber man sehe einmal zu, wie Gevatter Langbein es treibt! Ist er gerade hungrig und nicht bei Laune auszufliegen, so schnellt er plötzlich den langen Hals, bohrt mit dem Schnabel hinab und ergreift den ersten besten Miether im Erdgeschosse seines Palastes, den er mit Appetit verspeist. Der Nutzen also, den der Storch dem Menschen bringt,

ist wahrlich nicht zu finden.
und thäte man hundert Laternen anzünden.

(Schluß folgt.)




Amerikanische Eishäuser.

Auf eine Anfrage über die Aufbewahrung des Eises erhalten wir aus Amerika folgende Mittheilung: Sogenannte Eiskeller, wie in Deutschland, hat man hier nicht; wohl aber Eishäuser, die sich bis jetzt am besten bewährt haben, und vorzüglich deshalb, weil sie sich an jedem beliebigen Orte aufstellen lassen, klein und groß, und sich auch für jedes Haus, welches einen Garten hat, eignen. Am besten wird es sein, ich gebe Dir eine Beschreibung unseren Eishauses in Brattleboro, das vollständig nach hiesiger Art ist. Es ist ganz aus Tannenbretern gebaut, kann aber auch aus jedem anderen Holz, das nicht zu leicht fault, gefertigt werden, und hat doppelte Wände, deren jede nur aus einer Lage Breter besteht. Der Abstand der inneren von der äußeren Wand beträgt circa 16 bis 18 Zoll, und der Zwischenraum ist fest mit Gerberlohe bis unter’s Dach ausgestampft; letzteres ist ebenfalls mit einer Lage Breter gedeckt und dann mit Dachschindeln belegt. Die Breite des gebliebenen innern Raumes beträgt 20 Fuß bei 25 Fuß Tiefe, die Höhe der Wände bis an den Rand des Daches 18 Fuß. Es steht auf der flachen Erde, ohne alle Ausgrabung. Die Oeffnung zur Einbringung des Eises, aus einer einfachen, fest verschließbaren niedrigen Thür bestehend, ist in dem einen Giebel des Daches angebracht. Um das Eis im Sommer bequemer herausnehmen zu können, und auch das Haus im Herbst besser ausräumen und austrocknen zu lassen, befindet sich an der entgegengesetzten Seite, etwa 5 bis 6 Fuß über der Erde, eine andere schmale Thüre, ebenfalls aus doppelten Wänden mit Gerberlohe ausgefüllt. –

Ein Eishaus darf kaum kleiner sein, als das beschriebene, wohl aber viel größer, je nach dem Bedürfniß, so wie auch die Gestalt des Gebäudes nach Wunsch und Belieben geändert werden kann. Die größeren Eishäuser an unsern hiesigen Teichen sind gewöhnlich noch einmal so lang als breit. Eben kehre ich von einer Spazierfahrt zurück, die ich machte, um mir ein größeres Eishaus anzusehen. Die Bauart war dieselbe, wie ich beschrieben, nur war es bei einer Breite von circa 40 Fuß 80 Fuß lang. Die Einrichtung zum Ein- und Ausbringen des Eises war etwas anders, aber besser, als die bei unserem Eishause. Das eine Ende des Hauses war über den Teich hinausgebaut. Eine etwa 3 Fuß breite Oeffnung reichte vom Dache an bis zur Erde und zwar an jeder Seite des Hauses, die eine zum Einbringen, die entgegengesetzte zum Herausnehmen des Eises. (Siehe die Zeichnung.) Das Eis wird in regelmäßigen Stücken in die dem Wasser nächste Oeffnung hineingeschoben, und wie sich nun das Gebäude mit dem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_188.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)