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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

bildete so eine Art von dreikantiger Rinne, in dessen unterster Schneide man hinschritt und sich mit beiden Händen an dem Geländer hielt. Natürlich vertraute sich aber immer nur Einer von uns auf einmal diesem unsicheren Wege an, und die Anderen warteten geduldig, bis er drüben, wo die Reben an starken Bäumen befestigt waren, sicheren Boden betrat. Zwei hätte die Brücke vielleicht nicht getragen; keinenfalls wollten wir den Versuch machen.

Am vierten Tag endlich – wobei der Schlamm und Sumpf in unserer Bahn nicht im Geringsten nachließ, obgleich wir an dem steilen Hang eines Berges hinstiegen – erreichten wir, etwa um drei Uhr Nachmittags, das erste Haus, die äußerste Grenze dieser Wildniß. Es war die noch nicht sehr lange angelegte Plantage Paramba, die mehreren Herren in Ibarra gehörte, und wo sie angefangen hatten, Cacao, Zucker und Kaffee im großartigsten Styl zu pflanzen.

Der Platz sah allerdings noch sehr wild aus. Viel Land war eben nur erst gelichtet, anderes ganz kürzlich urbar gemacht. Die Pflanzungen selber waren meistens auch noch klein, und das Haus selber glich mehr einer unaufgeräumten Scheune, als der Wohnung eines civilisirten Menschen. Dennoch begrüßte ich es mit Jubel, denn es war ja das Ende eines der nichtstwürdigsten Märsche meines Lebens – und Gott weiß es, ich habe andere gemacht, die auch nicht übel waren.

Ein Doctor – aus Quito (ich verschweige seinen Namen nur, weil ich ihn vergessen habe) nahm mich auf das Freundschaftlichste und Gastfreieste auf, und nachdem ich mich unten an dem kleinen Bach ordentlich abgewaschen und Hosen und Hemd, die ich durch den Busch getragen, nur eben in den nächsten Busch hineingeworfen hatte, dampfte drin schon auf dem Tische ein nahrhaftes und reichliches Mahl, das mich für manche Entbehrung entschädigen konnte.

Nach dem Essen wanderten wir, trotzdem daß ich mich eigentlich viel vernünftiger hingelegt und ausgeruht hätte, über die Plantage, und es bedurfte nur kurzer Zeit zu sehen, welch wunderbar fruchtbares und reiches Land dies eigentlich sei, und wie auch geringe Mühe und Arbeit auf das Reichste belohnt werden. Die Cacao- und Kaffeepflanzen waren noch klein, und sie waren etwas zu sehr der Sonne ausgesetzt gewesen, so daß einige von ihnen kränklich aussahen. Die meisten schienen aber frisch und grün, und besonders üppig stand das Zuckerrohr. Dieses bedarf hier zu völliger Reife nur fünfzehn Monate, ich sah hier aber selbst neun Monate altes, das über drei und ein halb Zoll im Durchmesser hatte und voll von Saft war, als ob es seine völlige Reife erlangt hätte.

Außerdem wuchs die Yukawurzel noch besonders üppig, ebenso rother Pfeffer, Bohnen, Orangen, Limonenpflanzen, kurz Alles was man der Erde nur eben anvertraut hatte. Die Banane und der Pisang haben hier ebenfalls ihre eigentliche Heimath, und die Ueppigkeit, mit der ihre Stämme emporschossen, bewies, was aus ihnen werden würde. Jetzt freilich war von alledem noch erst sehr wenig zu haben, denn außer der Yukawurzel und dem Reis und Tabak trug noch gar Nichts Frucht – ich müßte denn das Zuckerrohr rechnen, das die Bewohner von Ecuador mit einer Hartnäckigkeit kauen, die einer besseren Sache würdig wäre.

Cocospalmen fand ich hier keine, nur eine einzige war gepflanzt worden und noch klein; ich glaube auch, daß das Land hier eigentlich schon etwas hoch für die Cocosnuß ist – vielleicht käme es freilich nur darauf an, sie eben heimisch zu machen, wie man ja auch in Java ganz im Innern Massen von Cocospalmen findet; aber der Dattelpalme glaube ich fast, daß dies Klima zuträglich wäre, und einige Kerne, die ich nebst anderen Fruchtsteinen mitgebracht hatte, übergab ich dem Doctor, der versprach, die äußerste Sorge dafür zu tragen. Auch Kerne der caga haïve, jener reizenden rothen Akazienbeere aus Buitenzorg in Java, habe ich hierhergebracht, und spätere Jahre werden zeigen, wie sie gediehen.

Von hier aus war mir nun am Pailon und selbst bis in Cachavi gesagt, daß ich Pferde nach Ibarra bekommen könnte, meinen Weg von da ab leichter fortzusetzen, aber natürlich war kein Pferd in der ganzen Nachbarschaft zu bekommen, und ich mußte von hier noch einmal Leute miethen, die mein Gepäck weiter nach dem sogenannten San Pedro trugen, wo ich – diesmal ganz gewiß – Pferde treffen sollte. Um diese zwei oder drei Stunden Wegs meine beiden Satteltaschen getragen zu bekommen, mußte ich ein paar Indianern jedem 1 Dollar geben, und selbst dann noch schienen sie die Sache als eine Gefälligkeit für mich zu betrachten.

Ueberhaupt sollen Reisende in wilden Ländern um Gottes willen nicht denken, daß sie billig reisen können, selbst wenn sie Willens sind die größten Entbehrungen zu ertragen. So lange sie allerdings zu Fuß gehen, selber tragen, was sie bei sich haben, keinen Führer durch das Land brauchen, durch das sie ziehen, so lange sind sie von allen Menschen unabhängig und werden mit wenig Kostenberechnungen beschwert werden, denn in den meisten solchen Ländern wird man ihnen für Essen und Trinken wenig, wenn etwas, abverlangen. Ganz in die Hände dieser Menschen sind sie aber gegeben, sowie sie die geringste thätige Hülfsleistung von ihnen haben wollen, und sie dürfen sich dann auch darauf gefaßt machen, wenigstens den doppelten Preis von dem zu zahlen, was irgend ein Einheimischer dafür zahlen würde. Ich selber bin geprellt, wohin ich kam, wissentlich geprellt, denn ich wußte es recht gut, während ich es bezahlte, konnte aber auch nichts dagegen machen, wenn ich nicht länger als nöthig zwischen diesen Menschen liegen bleiben wollte, und dem zu entgehen habe ich immer lieber ein paar Thaler Geld geopfert. Meine jetzige Auslage vom Pailon bis hierher lief denn auch schon, obgleich ich die Hälfte des Weges zu Fuß gemacht hatte, gar nicht unbedeutend auf.

Vom Pailon bis Concepcion  5 ½ Dollars.
Provisionen  4 ½
Von Concepcion bis Cachavi  4
Trinkgeld  1
In Cachavi Provisionen  2
Trägerlohn bis Paramba 12 ½
In Paramba für Yuka für die Träger ½
Von Paramba bis San Pedro  2
Summa 32 Dollars,

für die ich weiter nichts hatte, als daß ich mit meinen beiden Satteltaschen eine kurze Strecke in das Land hineinbefördert wurde.

In San Pedro hoffte ich mich ordentlich ausruhen zu können, fand aber auch nur eine traurige Hütte, nicht einmal von der feuchten Erde erhoben, und einen alten würdigen, sehr schmutzigen Greis mit seiner jungen Schwiegertochter, die mir in der diesen Leuten eigenthümlichen Art eine Mahlzeit kochte. Es würde hierbei nichts Besonderes zu erwähnen sein, wären die Stücken Fleisch nicht etwas zu groß und sehr zäh gewesen, sodaß ich genöthigt war sie durchzuschneiden. Dazu hatte ich aber nur mein großes, etwas unbehülfliches Jagdmesser, und die junge niedliche Frau sah kaum, woran es bei mir fehlte, als sie auch schon vor mir niederkauerte, die Stücken Fleisch mit den Fingern aus dem hölzernen Napf nahm, den ich auf den Knieen hielt, sie durchschnitt und dann wieder in meinen Miniaturtrog warf. – Es wäre auch appetitlich gewesen, hätte sie sich nicht, in übertriebener Reinlichkeit, nach jeden zwei oder drei Schnitten die Finger abgeleckt.

Ich fand hier Pferde, mußte aber zwei miethen, damit mein Begleiter mit fort konnte, und für beide bis Ibarra – zwei Tagereisen – sechs Dollars bezahlen. Das war insofern billig, als sich unterwegs nicht die geringste Gelegenheit bot, etwas zu verzehren. Es blieb sogar zweifelhaft, ob wir überhaupt etwas zu essen bekommen konnten.

Am nächsten Morgen brachen wir ziemlich früh auf. Hatte ich aber vorher geglaubt, mich, erst einmal im Sattel, von meinen gehabten Strapazen ausruhen zu können, so sollte ich bald finden, daß ich mich darin schmählich geirrt, denn den Weg zu reiten, ist weder Spaß noch Erholung. Im Anfange ging es noch durch eine Strecke schlammigen Wegs, bald aber erreichten wir wenigstens trockenen Boden, und hier sollte ich auch erfahren, was es heißt, eine Bahn zu reiten, die sich nur eben Maulthiertreiber mit ihren Thieren ausgesucht haben. Der Weg führte an dem rechten Berghang hin, und in jede kleine Schlucht tauchten wir ein – steil hinab, daß man jeden Augenblick in Gefahr war, vornüber, über den Hals des Maulthiers zu stürzen, um die nächsten fünf Minuten wieder an der anderen, dieser ganz ähnlichen Seite in die Höhe zu klettern. An ein ruhiges ordentliches Reiten war auch keine Viertelstunde zu denken, und das Ganze ein ewiger und fast ununterbrochener Versuch weiter nichts zu thun, als einen festen Sitz im Sattel zu wahren.

Dabei lief der Weg keineswegs schräg an dem Berghang hin, an dessen Fuß der Mirafluß der Richtung zubrauste, von der wir hergekommen waren, sondern jetzt stieg er auf, höher und höher,

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